Fälligkeitserfordernis bei regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben
Hintergrund: Verspätete USt-Vorauszahlungen
Streitig war, ob USt-Vorauszahlungen für Mai bis Juli 2017, die erst am 09.01.2018 bezahlt wurden, noch für 2017 (Streitjahr) als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
X führt einen Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Die USt-Vorauszahlungen für Mai bis Juli 2017 leistete er verspätet erst am 09.01.2018. Gleichwohl machte X die Zahlungen noch als Betriebsausgaben für 2017 geltend.
Das FA versagte den Abzug und erhöhte den Gewinn entsprechend. Denn die Ausgaben seien nicht rund um die Jahreswende 2017/2018, sondern weit vorher fällig geworden. Damit lägen die Abzugsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG (Abfluss kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahrs) nicht vor.
Das FG folgte der Auffassung des FA und wies die Klage ab.
Mit der Revision machte X geltend, das Erfordernis, dass die regelmäßig wiederkehrende Ausgabe kurze Zeit vor oder nach Beendigung des betroffenen Kalenderjahres fällig geworden sein müsse, sei § 11 Abs. 2 Satz 2 nicht zu entnehmen. Es komme lediglich auf die wirtschaftliche Zuordnung der Ausgabe und den Zeitpunkt der Zahlung an.
Entscheidung: Fälligkeit rund um den Jahreswechsel (Zehn-Tage-Zeitraum)
Der BFH wies die Revision zurück. Die Zahlungen sind erst für 2018 zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für eine hiervon abweichende zeitliche Zuordnung der Zahlungen als regelmäßig wiederkehrende Ausgaben nach § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG liegen nicht vor.
Abflussprinzip
Bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) gilt für den Betriebsausgabenabzug das Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet wurden. Auf die Fälligkeit kommt es grundsätzlich nicht an. Somit war trotz der bereits in 2017 eingetretenen Fälligkeit (§ 18 Abs. 1 Sätze 1 und 4 UStG) nach dem Abflussprinzip der Betriebsausgabenabzug erst für 2018 möglich.
Keine abweichende Zuordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG bei fehlender Fälligkeit im Zehn-Tage-Zeitraum
Nach diesem Ausnahmetatbestand zu Abs. 2 Satz 1 sind regelmäßig wiederkehrende Ausgaben in dem Kalenderjahr abzusetzen, zu dem sie wirtschaftlich gehören, sofern sie kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres geleistet wurden (Zehn-Tage-Zeitraum). Zwar handelt es sich bei USt-Vorauszahlungen um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben (BFH v. 3.12.2019, VIII R 23/17, BFH/NV 2020, S. 613, Rz 18). Zudem gehörten die Vorauszahlungen im Streitfall wirtschaftlich ins Jahr 2017. Es fehlt jedoch an der weiteren Voraussetzung, dass die Ausgabe kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden ist.
- Der BFH hat bereits mehrfach vertreten, dass regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben nur zu berücksichtigen sind, wenn sie (über den Wortlaut von § 11 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 EStG hinaus) innerhalb des Zehn-Tage-Zeitraums vor oder nach Ende des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden sind (grundlegend BFH v. 9.5.1974, VI R 161/72, BStBl II 1974, S. 547; BFH v. 11.11.2014, VIII R 34/12, BStBl II 2015, S. 285, Rz. 15).
- Die Finanzverwaltung verlangt ebenfalls die Fälligkeit innerhalb des Zehn-Tage-Zeitraums (ESt-Handbuch H 11 zu § 11 EStG).
- Diese Auffassung vertritt ganz überwiegend auch das Schrifttum (z.B. Schmidt/Krüger, EStG, § 11 Rz 27).
Der BFH bekräftigt die herrschende Auffassung
Nachdem der BFH in zwei Entscheidungen (BFH v. 27.6.2018, X R 44/16 (BStBl II 2018, S. 781, Rz. 12) und v. 27.6.2018, X R 2/17 (BFH/NV 2018, S. 1286, Rz. 13) die Frage der Fälligkeit offenlassen konnte, schließt er sich nunmehr der herrschenden Meinung zum Erfordernis der Fälligkeit innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums an. Dafür sprechen systematische und teleologische Erwägungen. Mit der Ausnahme vom Zu- und Abflussprinzip in § 11 EStG sollen Zufälligkeiten vermieden werden, die entstehen würden, wenn man die Zahlung mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr berücksichtigen würde.
Würde man auf das Fälligkeitskriterium verzichten, führten (wie der Streitfall anschaulich zeigt) Nachzahlungen für längst fällig gewordene Verpflichtungen zu einem vom Zeitpunkt der Verausgabung unabhängigen Betriebsausgabenabzug, sofern die Zahlung nur innerhalb von bis zu zehn Tagen des nachfolgenden Kalenderjahres geleistet würde. Diese Handhabung widerspräche dem nur in engen Grenzen zu durchbrechenden Kassenprinzip zugunsten von Bilanzierungsgrundsätzen.
Hinweis: Anhängige weitere Revision gegen das abweichende Urteil des FG Düsseldorf
X berief sich mit der Revision auf das Urteil des FG Düsseldorf v. 9.12.2019, 3 K 2040/18 E (EFG 2020, S. 271, Rz. 23 ff.). Danach soll das Erfordernis der Fälligkeit innerhalb des Zehn-Tage-Zeitraums (wie nunmehr vom BFH vertreten) mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar sein. Gegen die Entscheidung des FG Düsseldorf ist die Revision anhängig (Az. VIII R 1/20).
Zehn-Tage-Zeitraum
Unter "kurzer Zeit" vor Beginn oder nach Beendigung des Kalenderjahrs (§ 11 Abs. 1 Satz 2 EStG) ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung in der Regel ein Zeitraum bis zu zehn Tagen zu verstehen (BFH v. 24.7.1986, IV R 309/84, BStBl II S. 1987, 16, ESt-Handbuch H 11 zu § 11 EStG).
BFH Urteil vom 16.02.2022 - X R 2/21 (veröffentlicht am 27.05.2022)
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