Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschiedliche KraftSt-Befreiung für schadstoffarme Pkw verfassungsgemäß
Leitsatz (NV)
1. Gegen die unterschiedliche kraftfahrzeugsteuerrechtliche Förderung schadstoffarmer Personenkraftwagen nach den früheren §§ 3b, 3c KraftStG 1979 - weniger weitreichende Steuerbefreiung für Kleinwagen - bestanden keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Es ist mithin nicht zu beanstanden, daß bei der Neuregelung der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Förderung (§ 3f KraftStG 1979) von einer rückwirkenden Gleichstellung hinsichtlich schadstoffarmer Kleinwagen (1.) abgesehen wurde.
Normenkette
KraftStG 1979 §§ 3c, 3b, 3f Abs. 3, 2 Nr. 1, Abs. 5; GG Art.3; AO 1977 § 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Halter eines für ihn im Juli 1985 zugelassenen, als ,,schadstoffarm" anerkannten Pkw (Renault) mit einem Hubraum von 1387 ccm. Das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt (FA) gewährte zunächst Kraftfahrzeugsteuerbefreiung - lediglich - für den Zeitraum von 2 Jahren und 6 Monaten (nach dem früheren § 3c Abs. 1, Abs. 2 Nr.1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - KraftStG - 1979) und setzte nach Ablauf dieses Zeitraums Kraftfahrzeugsteuer fest.
Im Laufe des Verfahrens über die Klage, mit der der Kläger eine weitergehende Steuerbefreiung begehrte, erließ das FA unter Berücksichtigung des durch das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung schadstoffarmer Personenkraftwagen vom 22.Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2436, BStBl I 1989, 485) eingefügten § 3f KraftStG 1979 - hier: Abs. 3, Abs. 2 Nr.1 - einen geänderten Kraftfahrzeugsteuerbescheid (vom 15. März 1990), mit dem Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für nunmehr 3 Jahre und 8 Monate eingeräumt und Kraftfahrzeugsteuer nur für die Zeit danach festgesetzt wurde.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen den (zum Gegenstand des Verfahrens gemachten) Änderungsbescheid ab. Es führte aus, die Kleinwagen (Altfahrzeuge) treffende fortwirkende Ungleichbehandlung gegenüber größeren Altfahrzeugen (Erhaltung der längeren Steuerbefreiung; § 3f Abs. 5 KraftStG 1979) sei entgegen der Ansicht des Klägers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine rückwirkende vollständige Gleichstellung der Kleinwagen wäre nur geboten gewesen, wenn deren ursprüngliche Schlechterstellung gegen den Gleichheitssatz verstoßen hätte. Das treffe jedoch nicht zu. Der unterschiedlichen Behandlung von schadstoffarmen Kleinwagen und größeren Pkw nach Maßgabe der §§ 3b, 3c KraftStG 1979 lägen sachliche Differenzierungsgründe europapolitischer und volkswirtschaftlicher Art zugrunde. Da das ursprüngliche Förderungskonzept der Bundesregierung zur Kraftfahrzeugsteuerbefreiung schadstoffarmer Pkw im Rahmen der EG auf Bedenken gestoßen sei, sei die Förderung für Kleinwagen auf einen geringeren Umfang beschränkt worden. Allein mit dieser Regelung sei nach Auffassung des Gesetzgebers eine europaweit geringere Belastung mit schädlichen Emissionen erreichbar gewesen. Dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, auch Gesichtspunkte der Marktlenkung zu berücksichtigen und der Befürchtung, daß ausländische Kleinwagenhersteller Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt würden, durch eine Verringerung der steuerlichen Förderung zu begegnen. Daß der schadstoffarme Pkw des Klägers in Frankreich hergestellt worden sei, sei unerheblich. Es lägen sachlich einleuchtende Gründe vor, die es ausschlössen, die gesetzliche Differenzierung als willkürlich zu bewerten. Von einer vollständigen rückwirkenden Gleichstellung der Kleinwagen habe der Gesetzgeber auch deshalb absehen dürfen, weil die rückwirkend erhöhte Förderung keine umweltbeeinflussende Wirkung mehr habe äußern können. Treu und Glauben verpflichteten das FA nicht, den Pkw des Klägers steuerlich günstiger zu behandeln. Die Informationsschrift der Bundesregierung (Februar 1985), auf die der Kläger sich berufe, vermöge keinen Vertrauensschutz zu begründen, weil es sich insoweit nur um ein ,,Konzept" gehandelt habe.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, die dem Gesetz zugrunde liegende Wertung bzw. sein systemtragendes Prinzip - Begünstigung nach Maßgabe der Verringerung des Schadstoffausstoßes - rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht. Es sei nach dem Grundsatz der Steuergleichheit nicht angängig, zu Lasten des Steuerpflichtigen europapolitische Überlegungen auszutragen. Das FG habe sich zu Unrecht die von ihm eingeholte Auskunft des Bundesministers der Finanzen (BMF) zu eigen gemacht. Nicht stichhaltig sei insbesondere der Gesichtspunkt, daß eine zu weitgehende Förderung von Kleinwagen Wettbewerbsnachteile für Hersteller in anderen Ländern begründe. Gerade das vom FA besteuerte schadstoffarme Fahrzeug sei in Frankreich hergestellt. Absprachen auf EG-Ebene könnten deutsches Verfassungsrecht nicht außer Kraft setzen. Da die ursprüngliche Regelung (§ 3c KraftStG 1979) verfassungswidrig gewesen sei, sei der Gesetzgeber verpflichtet gewesen, eine vollständige rückwirkende Gleichstellung der Kleinwagen zu schaffen. Ihm - Kläger - sei daher zumindest eine Steuerbefreiung von 6 Jahren und 10 Monaten zu gewähren. Das FA sei darüber hinaus nach Treu und Glauben verpflichtet, eine Steuerbefreiung von mindestens 10 Jahren einzuräumen. Insoweit verweist der Kläger auf eine entsprechende ,,Zusicherung" in der regierungsamtlichen Informationsschrift, die ihn zu seiner Kaufentscheidung veranlaßt hätte.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat rechtsfehlerfrei erkannt, daß der Kläger eine weitergehende als die ihm zuletzt eingeräumte Steuerbefreiung nicht beanspruchen kann.
1. Die dem Kläger zugestandene Steuerbefreiung entspricht dem Gesetz (jetzt § 3f Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr.1 KraftStG 1979). Das neue Kraftfahrzeugsteuerrecht behandelt das Halten von schadstoffarmen Kleinwagen und größeren Pkw gleich (vgl. auch amtliche Begründung in BTDrucks. 11/5289, S. 9). Unterschiede bestehen nur noch hinsichtlich der Altfahrzeuge, und zwar insoweit, als bei größeren Fahrzeugen die frühere längere Steuerbefreiung erhalten geblieben ist (§ 3f Abs. 5 KraftStG 1979; zu den Einzelheiten Senat, Urteil vom 15. Mai 1990 VII R 78/89, BFH/NV 1991, 123). Diese verbliebene Ungleichbehandlung wird von der Revision aus verfassungsrechtlichen Gründen beanstandet. Läge ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art.3 des Grundgesetzes) vor, so wäre das Bundesverfassungsgericht anzurufen; würde dieses die Regelung für verfassungswidrig erklären, so hätte der Gesetzgeber neu zu entscheiden, womöglich dahin, daß die günstigere Regelung für größere Altfahrzeuge auch auf Kleinwagen erstreckt wird (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 9. August 1988 VII R 146/85, BFHE 154, 235, 237, BStBl II 1988, 964). Ein Verfassungsverstoß ist indessen nicht zu erkennen. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des FG, die er sich zu eigen macht.
Die gegen diese rechtliche Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision vermögen nicht durchzugreifen. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur rückwirkenden Gleichstellung schadstoffarmer Kleinwagen bestand nicht, weil die ursprüngliche - ungünstigere - kraftfahrzeugsteuerrechtliche Behandlung dieser Fahrzeuge mit einem Hubraum bis 1400ccm (früherer § 3c KraftStG 1979) im Vergleich zu größeren schadstoffarmen Pkw (früherer § 3b KraftStG 1979) nicht gegen den Gleichheitssatz verstieß.
Bei der Ausgestaltung von Steuervergünstigungen steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu, dessen Grenzen erst überschritten sind, wenn für die gesetzlich vorgesehene Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind (Senat in BFHE 154, 235, 239, m.w.N.; vgl. auch Urteil vom 10. Juli 1990 VII R 12/88, BFHE 162, 141, 143, BStBl II 1990, 929). Mit der differenzierenden Behandlung schadstoffarmer Kleinwagen und größerer Pkw verblieb der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums, denn es gab sachliche Gründe, die den Unterschied rechtfertigten. Differenzierende Regelungen sind z.B. zulässig, wenn die Rechtsmaterie mit Rücksicht auf außenpolitische Schwierigkeiten nur so wie geschehen - unterschiedlich - geregelt werden kann (Schmidt/Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, 7. Aufl. 1990, Art.3 Anm.27). Sie sind, auch im Hinblick auf die Verpflichtung zu Gemeinschaftstreue (Art.5 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft), erst recht zulässig, wenn sich die Notwendigkeit zur Differenzierung aus gemeinschaftsrechtlichen Erfordernissen oder gemeinschaftsrechtlich gebotenen Rücksichten ergibt. Wie das FG unter Berücksichtigung von Materialien und Schrifttum (Bericht des Finanzausschusses in BTDrucks. 10/3205, S. 8f.; Zeller, Deutsche Steuer-Zeitung 1985, 523, 526) näher ausgeführt hat, konnte das ursprünglich weitergehende deutsche Förderungskonzept wegen Bedenken gemeinschaftsrechtlicher Art nicht vollständig durchgesetzt werden. Vielmehr mußte im Hinblick auf diese Bedenken die Förderung schadstoffarmer Kleinwagen beschränkt werden, und zwar bezogen auf die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung auf den aus dem früheren § 3c KraftStG 1979 sich ergebenden Umfang, entsprechend den Beschlüssen des EG-Umweltministerrats vom 20./21. März 1985. Allein mit dieser Beschränkung ließ sich - jedenfalls nach Einschätzung des Gesetzgebers - wenigstens eine Teilförderung der Kleinwagen (einschließlich solcher, die den strengen Anforderungen an die Schadstoffarmut - sog. US-Norm - genügten) im Rahmen der EG sichern.
Diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sind ein ausreichender sachlicher Grund für die dementsprechend vorgenommene Differenzierung. Die Frage, ob der (frühere) Ausschluß schadstoffarmer Kleinwagen von der verkehrsrechtlichen Anerkennung als ,,schadstoffarm" verfassungswidrig war (hierzu die in BFH/NV 1991, 123 angeführte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung), stellt sich nicht. Das Fahrzeug des Klägers war im übrigen von vornherein als schadstoffarm anerkannt.
Eine ,,Systemwidrigkeit", die einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz indizieren könnte (Senat, Urteil vom 26. März 1991 VII R 100/89, BFHE 164, 148, 149f.), liegt nicht vor. Das normkonstituierende Prinzip der Förderung schadstoffarmer PKW legt den Gesetzgeber nicht hinsichtlich des Ausmaßes der danach in Betracht kommenden Steuervergünstigungen fest.
Soweit der Kläger rügt, dem gegen das ursprüngliche deutsche Förderungskonzept - auch - angeführten Gesichtspunkt einer Wettbewerbsbenachteiligung ausländischer Kleinwagenhersteller (hierzu Zeller, a.a.O., S. 524f.) sei zu Unrecht Rechnung getragen worden, verkennt er, daß bei der Beurteilung, ob eine Steuerregelung den Gleichheitssatz verletzt, allein auf die begründete Einschätzung seitens des Gesetzgebers abzustellen ist (Senat, Urteil vom 8. Januar 1991 VII R 48/88, BFH/NV 1991, 843, m.w.N.). Da die ursprüngliche deutsche Förderungskonzeption auch unter diesem Blickwinkel beanstandet worden war, war es nicht unsachgemäß, die Förderung schadstoffarmer Kleinwagen auch aus diesem Grunde wie geschehen zu beschränken. Inwieweit Wettbewerbsnachteile tatsächlich eine Rolle spielen konnten - etwa hinsichtlich bestimmter Kleinwagen französischer Herstellung -, war ohne Bedeutung.
2. Aus der regierungsamtlichen Informationsschrift läßt sich ein auf Treu und Glauben gegründeter Anspruch des Klägers auf eine weitergehende Steuerbefreiung, wie vom FG richtig entschieden, nicht herleiten. Eine Vertrauenssituation kann sich nur im Rahmen eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen dem Steuerpflichtigen und der zuständigen Finanzbehörde bilden, nicht aber aufgrund allgemeiner Anweisungen, Merkblätter usw. (z.B. Senat, Urteile vom 18. März 1986 VII R 55/83, BFHE 146, 294, 297, und vom 13. Mai 1987 VII R 37/84, BFHE 150, 108, 112, BStBl II 1987, 606). Eine amtliche Informationsschrift, noch dazu eine solche, die - wie hier festgestellt - ein ,,Konzept" behandelt, das in Kraft treten soll, ,,sobald die gesetzgeberischen Verfahren abgeschlossen sind", ist ebensowenig geeignet, einen Vertrauenstatbestand zu begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 418892 |
BFH/NV 1993, 499 |