Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Altkontraktregelung für Währungsausgleichsbeträge nach der VO (EWG) Nr. 926/80

 

Leitsatz (NV)

1. Die 5-Tages-Frist des Art. 11 Abs. 2 und 3 VO Nr. 926/80 gilt auch für die Vorlage des Altkontraktes. Sie ist eine Ausschlußfrist.

2. Als schriftlicher Vertrag i. S. des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 VO Nr. 926/80 ist unter best. Voraussetzungen auch ein Bestätigungsschreiben des Verkäufers anzusehen.

 

Normenkette

EWGV 926/80 Art. 11 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloß am 9. Juni 1982 mit sechs verschiedenen Firmen in den Niederlanden mündliche (telefonische) Kaufverträge über die Lieferung von Fleisch. Die Kaufpreise wurden in holländischen Gulden vereinbart. Die Vertragsabschlüsse wurden durch Bestätigungsschreiben der Verkäufer vom 9. Juni 1982 bestätigt. Aufgrund dieser Kaufverträge führte der Kläger vom 16. bis 19. Juni 1982 Fleisch aus den Niederlanden ein und schrieb die Waren zum freien Verkehr an. Am 12. Juni 1982 wurden die DM und der holländische Gulden aufgewertet. Infolgedessen erhöhten sich mit Wirkung vom 16. Juni 1982 die bei der Einfuhr in die Bundesrepublik Deutschland zu entrichtenden und die bei der Ausfuhr aus den Niederlanden zu gewährenden Währungsausgleichsbeträge (WAB).

Mit am 21. Juni 1982 bei dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt - HZA -) eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger in bezug auf die genannten Altkontrakte die Erstattung der neuen WAB nach der Regelung der Verordnung (EWG) Nr. 926/80 (VO Nr. 926/80) der Kommission vom 15. April 1980 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 99/15). Seinem Antrg fügte er u. a. die Lieferantenrechnungen bei. Im Antrag heißt es weiter: ,,Die schriftlichen Verträge werden wir Ihnen schnellstens nachreichen." Die Bestätigungsschreiben der Lieferanten legte der Kläger - von ihm als ,,Original-Verträge" bezeichnet - erst mit Schreiben vom 25. Juni 1982 dem HZA vor. Das HZA lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die aufgrund der Währungsmaßnahme bei der Ausfuhr aus den Niederlanden zu erstattenden neuen WAB seien als Vorteil erstattungsmindernd zu berücksichtigen. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) mit der zusätzlichen Begründung zurück, der Antrag sei nicht ordnungsgemäß gestellt worden, da ihm die Altverträge nicht beigefügt gewesen seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es verpflichtete unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Beschwerdeentscheidung das HZA, den Kläger von der Erhebung der neuen WAB hinsichtlich der genannten sechs Verträge freizustellen. Zur Begründung führte es aus: Nach Art. 11 Abs. 3 Unterabsatz 2 VO Nr. 926/80 seien Vertragsurkunden innerhalb der fünftägigen Antragsfrist vorzulegen. Der Kläger habe diesem Erfordernis genügt. Er habe glaubhaft geltend gemacht, daß allgemein und so auch vorliegend die Kaufverträge per Telefon abgeschlossen würden. Unter diesen Umständen lägen keine schriftlichen Verträge vor. Falls auch Beweisurkunden über mündliche Verträge innerhalb der Antragsfrist nach Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 926/80 hätten vorgelegt werden sollen, hätte die Kommission dies beispielsweise durch den Zusatz ,,oder die schriftlichen Beweisurkunden über den mündlichen Vertrag" verdeutlichen müssen. Der Kläger werde auch durch die Erhebung der neuen WAB zusätzlich belastet, ohne daß er dies bei aller erforderlichen und üblichen Umsicht hätte vermeiden können (Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 926/80).

Mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision macht das HZA folgendes geltend: Das FG habe Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 926/80 falsch ausgelegt. Nach Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 926/80 müsse der Antrag alle für die Beurteilung des Falles erforderlichen Angaben enthalten. Das bedeute, daß auch alle wesentlichen Merkmale des Vertrages selbst innerhalb der 5-Tages-Frist genannt sein müßten. Dazu zähle die Form des Vertragsabschlusses. Das FG hätte auch den Begriff ,,schriftlicher Vertrag" nicht eng, sondern in dem Sinne auslegen müssen, wie er in den beteiligten Handelskreisen verstanden werde. Soweit das FG die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 926/80 als erfüllt ansehe, beruhe dies sowohl auf einer unzutreffenden Auslegung dieser Bestimmung als auch auf einer Verkennung der durch Art. 4 VO Nr. 926/80 ausdrücklich festgelegten Beweislast.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er verweist im wesentlichen auf die Gründe der Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das HZA hat zu Recht die Anträge des Klägers auf Erstattung der neuen WAB nach der Regelung der VO Nr. 926/80 abgewiesen.

Der rechtliche Ausgangspunkt des FG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf Erstattung, wenn die Voraussetzungen der VO Nr. 926/80 erfüllt sind. Art. 11 Abs. 2 und 3 VO Nr. 926/80 ist dahin auszulegen, daß innerhalb der 5-Tages-Frist der Antragsteller dem HZA gegenüber auch die für die Beurteilung des Falles erheblichen Angaben zu machen und ,,gegebenenfalls das Original oder eine beglaubigte Abschrift des schriftlichen Vertrages über die Einfuhren" vorzulegen hat, diese Frist eine Ausschlußfrist ist und bei ihrer Nichteinhaltung kein Anspruch auf die beantragte Erstattung besteht (vgl. das nicht zur Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom 12. Dezember 1989 VII R 94 und 95/87). Das FG hat jedoch Art. 11 Abs. 3 Unterabsatz 2 VO Nr. 926/80 unrichtig ausgelegt. Ein ,,schriftlicher Vertrag" im Sinne dieser Vorschrift ist auch ein Bestätigungsschreiben von der Art, wie sie der Kläger vom Verkäufer und Lieferanten unmittelbar nach dem mündlichen Vertragsabschluß erhalten hat.

Nach Auffassung des FG ist ein schriftlicher Vertrag im Sinne der genannten Vorschrift nur ein Schriftstück, das den Inhalt eines Vertrages wiedergibt und mit dessen Erstellung der Vertrag zustande gekommen, d. h. wirksam abgeschlossen worden ist. Diese Auffassung widerspricht zwar nicht dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 3 Unterabsatz 2 VO Nr. 926/80. Nach seinem möglichen Wortsinn umfaßt der Begriff ,,schriftlicher Vertrag" aber auch ein Schriftstück, in dem - wie in den vorliegenden Auftragsbestätigungen - der Inhalt eines vorher mündlich abgeschlossenen (wirksam gewordenen) Vertrages verbrieft und bestätigt worden ist. Dies gilt insbesondere, wenn dieser Begriff nach dessen Bedeutung in der Laiensphäre verstanden wird. Dort wird auch eine schriftliche Bestätigung des Inhalts eines mündlich abgeschlossenen Vertrages als ,,schriftlicher Vertrag" bezeichnet. Das belegt schon der Umstand, daß der Kläger selbst von einem solchen Verständnis des Begriffes ausgegangen ist, indem er in seinem Antrag die Auftragsbestätigungen als ,,schriftliche Verträge" bezeichnet hat.

Läßt demnach der Wortlaut des Art. 11 Abs. 3 Unterabsatz 2 VO Nr. 926/80 noch einen Auslegungsspielraum, so verengt sich dieser, wenn Sinn und Zweck der Regelung berücksichtigt wird. Wie das FG ausgeführt und der Senat in seinem zitierten Urteil entschieden hat, ist wesentliches Ziel der Regelung des Art. 11 VO Nr. 926/80 die Verhinderung von Mißbräuchen. Die Gefahr solcher Mißbräuche ist bei einer solchen Billigkeitsregelung besonders groß. Sie liegt, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, z. B. in der Möglichkeit, daß die Schriftstücke, die zum Nachweis des Abschlusses von Altkontrakten dienen sollen, erst nachträglich angefertigt werden. Art. 11 VO Nr. 926/80 mit seiner kurzen Antragsfrist und dem Gebot, innerhalb dieser Frist auch die für die Beurteilung des Falles erforderlichen Angaben zu machen und die Originale bzw. Abschriften des schriftlichen Vertrages vorzulegen, will offensichtlich solchen Manipulationen durch Verkürzung der dafür zur Verfügung stehenden Zeit vorbeugen (vgl. das zitierte Senatsurteil).

Die genannte Mißbrauchsgefahr ist aber bei mündlich abgeschlossenen Verträgen, deren Inhalt später schriftlich bestätigt worden ist, eher noch größer als bei Verträgen, die schriftlich abgeschlossen worden sind. Es gibt keinen Grund dafür, weswegen die VO Nr. 926/80 bei der Fristsetzung für die Vorlage der Nachweisunterlagen hätte unterscheiden sollen zwischen den schriftlich abgeschlossenen Verträgen und den den Inhalt eines mündlichen Abschlusses wiedergebenden Auftragsbestätigungen. Auch belastet die Pflicht zur Vorlage dieser Schriftstücke den Antragsteller nicht stärker als etwa die Pflicht zur Vorlage der schriftlich abgeschlossenen Verträge. Es ist daher für den Senat offenkundig, daß i. S. des Art. 11 Abs. 3 Unterabsatz 2 VO Nr. 926/80 als ,,schriftliche Verträge" auch Auftragsbestätigungen anzusehen sind, die den Inhalt mündlich abgeschlossener Verträge bestätigen. Der Antragsteller hat also die Originale und die beglaubigten Abschriften solcher Unterlagen ,,gegebenenfalls", d. h., wenn es solche Bestätigungen wie im vorliegenden Fall vor Fristablauf gibt, innerhalb der vorgeschriebenen Frist vorzulegen, wenn er seinen Anspruch auf die beantragte Billigkeitserstattung wahren möchte. Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Da schon aus diesem Grund die Revision des HZA Erfolg haben muß, braucht der Senat nicht darauf einzugehen, ob der Auffassung des HZA zu folgen ist, zu den ,,für die Beurteilung des Falles erforderlichen Angaben", die der Antrag nach Art. 11 Abs. 3 Unterabsatz 1 VO Nr. 926/80 enthalten muß, gehöre gegebenenfalls auch der Hinweis, daß der Altvertrag mündlich abgeschlossen worden ist. Ferner bedarf es nicht der Entscheidung der Frage, ob das HZA die Erstattung auch mit der Begründung hatte ablehnen dürfen, der Kläger habe nicht nachgewiesen (Art. 4 VO Nr. 926/80), daß die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 926/80 erfüllt sind.

Da das FG die genannte Vorschrift des Gemeinschaftsrechts unrichtig ausgelegt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Aus der Vorentscheidung ergibt sich, daß der Kläger die erforderlichen Unterlagen nicht innerhalb der Ausschlußfrist des Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 926/80 vorgelegt hat. Das HZA hat daher den Antrag des Klägers zu Recht abgewiesen. Die Klage ist daher abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416868

BFH/NV 1990, 608

BFH/NV 1990, 609

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