Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung an Angehörige
Leitsatz (NV)
Ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, wenn die Art der Mietzinsentrichtung - Hauptpflicht des Mieters - unklar geregelt ist.
Normenkette
EStG §§ 21, 21a, 9 Abs. 1 S. 1; EStG 1987 § 21 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit 1980 Eigentümer des Einfamilienhauses Nr.5, das ihm von seinen Schwiegereltern geschenkt wurde. Die Schwiegereltern sind Eigentümer des Nachbarhauses Nr.3, das sie bis 1973 bewohnten. Im Laufe des Jahres 1973 sind sie in das Haus Nr.5 umgezogen. Die Schwiegereltern haben dem Kläger nach ihrem Vorbringen seit 1973 mündlich das Recht eingeräumt, das Haus Nr.3 im eigenen Namen an einen Dritten zu vermieten und die Miete einzuziehen. Dementsprechend hat der Kläger das Haus Nr.3 seit 1973 im eigenen Namen für eine monatliche Miete von 380 DM vermietet und diesen Mietzins auch im Streitjahr 1983 erhalten. Am 15. Februar 1978 wurde zwischen dem Kläger und seinen Schwiegereltern ein (formularmäßiger) schriftlicher Mietvertrag über das Haus Nr.5 geschlossen. Danach beträgt der monatliche Mietzins 310 DM. Die Schwiegereltern zahlten unstreitig 1973 und somit auch im Streitjahr die monatliche Miete weder in bar noch durch Überweisung an den Kläger.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger zunächst keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung für das Haus Nr.5 mit der Begründung, das Objekt werde unentgeltlich von seinen Schwiegereltern genutzt. Der Kläger machte jedoch die mit dem Wohnhaus in Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Werbungskosten geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ermittelte den Nutzungswert (§ 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) der selbstgenutzten Wohnung unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11.April 1978 VIII R 119/76 (BFHE 126, 13, BStBl II 1979, 17) nach § 21a EStG mit 0 DM.
Mit seiner nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte der Kläger, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG auf (rechnerisch unstreitig) ./. 3416 DM festzusetzen, da er das Haus Nr.5 an seine Schwiegereltern vollentgeltlich für monatlich 380 DM vermietet habe.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es meinte, im Streitjahr habe zwischen dem Kläger und seinen Schwiegereltern eine ernsthafte mündliche Vereinbarung dahingehend bestanden, daß der Kläger ihnen das Haus Nr.5 zum Wohnen überließ, und daß sie ihm als Gegenleistung gestatteten, ihr Haus Nr.3 an einen Dritten weiterzuvermieten. Die von dem Dritten zufließende Miete stelle damit das Entgelt für die Überlassung des Hauses Nr.5 dar. Eine Kürzung der Werbungskosten komme nicht in Betracht. Dies ergebe sich aus der sinngemäßen Anwendung des seit dem 1. Januar 1987 geltenden § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 1987. Im Streitfall überschreite die vereinbarte Miete unstreitig 50 v.H. der ortsüblichen Miete, so daß eine vollentgeltliche Wohnungsüberlassung vorliege mit der Folge, daß eine Kürzung der Werbungskosten ausscheide.
Dagegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision, mit der es Verletzung der § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1, Abs. 2 2. Alternative, § 21a EStG rügt.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages vorläufigen Änderungsbescheid erlassen. Der Kläger hat diesen Bescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr.1 FGO). Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, daß die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG zu ermitteln sind.
1. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß ein Mietvertrag zwischen dem Kläger und seinen Schwiegereltern der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Wie der erkennende Senat entschieden hat (Urteil vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75) ist ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrunde zu legen, wenn der Mietvertrag bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die steuerliche Anerkennung des Mietverhältnisses scheitert schon daran, daß die Vertragsgestaltung - auch wenn man mit dem FG davon ausgeht, daß bürgerlich-rechtlich 1973 ein wirksamer mündlicher Mietvertrag abgeschlossen wurde, der auch im Streitjahr bestand - nicht der zwischen Fremden üblichen entspricht.
Die zwischen dem Kläger und seinen Schwiegereltern getroffene Vereinbarung über den im Streitjahr 1983 zu zahlenden Mietzins für die Überlassung des Hauses Nr.5 hält einem Fremdvergleich nicht stand. Nach den insoweit vom FG getroffenen Feststellungen wurde zwischen dem Kläger und seinen Schwiegereltern im Jahre 1973 mündlich vereinbart, daß diese ihm gestatteten, ihr Haus Nr.3 an einen Dritten weiterzuvermieten und daß die dem Kläger von dem Dritten zufließende Miete das Entgelt für die Überlassung des Hauses Nr.5 darstelle. An diese tatsächlichen Feststellungen über den Inhalt der getroffenen Vereinbarung ist der Senat gebunden, da zulässige und begründete Verfahrensrügen insoweit nicht erhoben worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO). Bei dieser Regelung bleibt es offen, wie die Schwiegereltern ihre Hauptpflicht als Mieter (Mietzinsentrichtung) zu erfüllen hatten, falls der Dritte seiner Zahlungspflicht an den Kläger nicht nachkommt. Unklare Regelungen dieser Art werden zwischen fremden Dritten nicht geschlossen. Schon dieser Umstand schließt es aus, den Mietvertrag zwischen dem Kläger und seinen Schwiegereltern der Besteuerung zugrunde zu legen.
Ist der Mietvertrag der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, so folgt daraus, daß die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung so zu ermitteln sind, als ob der Kläger selbst das Haus Nr.5 genutzt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 299/87, BFH/NV 1992, 656).
Bei dieser Sachlage kann der Senat unerörtert lassen, ob § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 1987 auch auf die Veranlagungszeiträume vor 1987 anwendbar ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 IX R 13/90, BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490). Dies ist nicht entscheidungserheblich.
2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (wird ausgeführt).
Fundstellen
Haufe-Index 64556 |
BFH/NV 1993, 592 |