Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung durch Ermittlungen der Steuerfahndung
Leitsatz (NV)
Eine besondere Prüfungsanordnung ist für die Steuerfahndungsprüfung nicht erforderlich. Der Umfang der Ablaufhemmung der Verjährung nach § 171 Abs. 5 AO 1977 hängt davon ab, auf welche Steueransprüche sich die Fahndungsprüfung tatsächlich erstreckt hat.
Wird die Fahndungsprüfung nach ihrem Beginn auf bestimmte Steueransprüche erweitert und wird dies vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den Steuerpflichtigen erkennbar, tritt die Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung auch für diese Steueransprüche ein.
Eine Verwirkung der durch die Steuerfahndung ermittelten Steueransprüche tritt nicht ein, wenn die Finanzbehörde nach Besprechung der Prüfungsfeststellungen mit dem Steuerpflichtigen geänderte Steuerbescheide erläßt, bevor die in § 169 Abs. 2 AO 1977 genannten Fristen verstrichen sind.
Normenkette
AO 1977 §§ 93, 171 Abs. 5, § 208 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (EFG 1997, 1486) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger geriet in den Verdacht, Schmiergelder bezogen und nicht der Einkommensteuer unterworfen zu haben. Im Januar 1982 wurden deshalb die Wohnung, der Arbeitsplatz und der PKW des Klägers durchsucht. Nach der richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung bestand der Verdacht für die Jahre 1976 bis 1980.
Im Anschluß an die Hausdurchsuchung forderte die Steuerfahndungsstelle den Kläger mit Schreiben vom … Februar 1982 auf, Bankauskunftsvollmachten zu erteilen und Auskünfte über seine Geldbewegungen zu geben. Mit Schreiben vom … Mai 1982 übersandte der Kläger dem ermittelnden Steuerfahnder "unter Bezugnahme auf das mit ihnen geführte Gespräch" Kopien der Belege zu den Zinsgutschriften 1976 bis 1981. Aus der Aufstellung ergaben sich für die Jahre 1976 bis 1980 nicht erklärte Kapitaleinkünfte. Die in dem Schreiben ebenfalls mitgeteilten Kapitaleinkünfte für das Jahr 1981 erklärten die Kläger auch mit der am 1. März 1983 abgegebenen Einkommensteuererklärung 1981.
Mit Schreiben vom … April 1982 übersandte der Kläger dem ermittelnden Steuerfahnder "wunschgemäß" zahlreiche Unterlagen. Darunter befanden sich Teile von Mietverträgen und andere die Mieteinkünfte betreffende Belege. Aus dem Schreiben geht hervor, daß mit dem Steuerfahnder ein Umgehungsgeschäft i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) bezüglich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erörtert worden war. Im übrigen machte der Kläger anhand einer Geldverkehrsrechnung für die Jahre 1977 bis 1980 geltend, daß sich seine Lebensführung mit den erklärten Einkünften finanzieren ließ. Mit Schreiben vom … Mai 1982 übersandte der Kläger die vollständigen Mietverträge mit dem Hinweis, der Steuerfahnder habe erklärt, diese Unterlagen zu wollen. Mit Schreiben vom … Dezember 1983 sandte die Steuerfahndung dem Kläger die Kontoauszüge Mietkonto 1981 zurück und teilte ihm mit, daß sie im Punkt Vermietung weiter von einem Umgehungsgeschäft ausgehe und beabsichtige, die streitigen Mieteinnahmen ihm zuzurechnen. Des weiteren bat die Steuerfahndung um Stellungnahme zu einer von ihr vorgenommenen Geldverkehrsrechnung für die Jahre 1977 bis 1980 und führte aus, daß eine entsprechende Berechnung für 1976 und 1981 wegen teilweise fehlender Unterlagen bisher noch nicht möglich war. Zuvor hatte die Steuerfahndung mit Schreiben vom … Oktober 1983 Auskünfte zu allen in den Jahren 1976 bis 1981 bestehenden Bankverbindungen verlangt.
Im Strafverfahren des Unternehmers, der das Schmiergeld gezahlt haben sollte, fanden in den Jahren 1988 und 1990 Hauptverhandlungen statt. In den Verhandlungen wurde der Bezug von Schmiergeld durch den Kläger ausgeschlossen. Daraufhin wurde im Jahr 1992 das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren eingestellt und die Steuerfahndung schloß die Ermittlungen mit Kurzbericht vom … Februar 1993 ab. Nach den Prüfungsfeststellungen waren die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in allen Streitjahren zu erhöhen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen in den Jahren 1977 bis 1980. Der Kurzbericht war mit dem Steuerberater des Klägers mehrfach, zuletzt Ende Dezember 1992, besprochen worden. Materiell-rechtliche Einwendungen erhob der Steuerberater nicht. Ende Dezember 1994 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) dem Kurzbericht entsprechende Einkommensteuerbescheide 1977 bis 1982.
Die auf Festsetzungsverjährung gestützte Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1997, 1486). Das Finanzgericht (FG) ging von der Rechtsansicht aus, daß Ermittlungen der Steuerfahndung die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO 1977 nicht generell für einen ganzen Veranlagungszeitraum auslösen, sondern nur hinsichtlich der Steuern, die sich aus den Sachverhalten ergeben, die Gegenstand der Ermittlungen waren. Die Durchsuchung im Jahr 1982 habe sich jedoch nur auf den Sachverhalt "Schmiergeldzahlung" erstreckt und somit keine Ablaufhemmung bezüglich der Sachverhalte "Zinseinkünfte" und "Vermietung" bewirken können. Ermittlungen, die diese Einkünfte betreffen, hätten nicht stattgefunden, denn dem FG lägen keine Unterlagen vor, die darauf hinwiesen, daß die Steuerfahndung ermächtigt worden sei, außer in bezug auf die vermeintliche Schmiergeldannahme zu ermitteln. Auch das Auskunftsbegehren der Steuerfahndung mit Schreiben vom … Oktober 1983 könne nicht als Ermittlung in den Punkten Zinseinkünfte und Vermietung angesehen werden. Zum einen sei das Schreiben nicht an den Kläger, sondern an dessen Bevollmächtigten gerichtet gewesen, zum anderen sei nicht ersichtlich, auf welche Einkunftsart sich die Auskünfte erstreckt hätten. Im übrigen sei ein Recht des FA, Änderungsbescheide zu erlassen, auch verwirkt. Bereits im Laufe des Jahres 1982 habe es alle erforderlichen Tatsachen gekannt, um Änderungsbescheide zu erlassen. Der Zeitablauf bis zum Erlaß der Bescheide von 12 Jahren sei unverständlich und zu lang. Spätestens nach Einstellung des Strafverfahrens habe die Steuerfestsetzung im Anschluß an den Kurzbericht vom … Februar 1993 erfolgen müssen. Dies sei mit dem Erlaß der Bescheide erst im Dezember 1994 versäumt worden. Der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt darauf vertrauen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Mit der Revision macht das FA geltend, aus dem Schriftwechsel zwischen dem Kläger und der Steuerfahndung ergebe sich, daß die Steuerfahndung auch bezüglich der Sachverhalte Zinseinkünfte und Vermietung ermittelt habe. Entgegen der Rechtsansicht des FG trete zudem die Ablaufhemmung im Falle einer Steuerfahndung wie bei einer Außenprüfung bezüglich des gesamten Steueranspruchs eines Veranlagungszeitraums ein. Verwirkung könne nicht aufgrund des bloßen Zeitablaufs angenommen werden.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung betreffend die Streitjahre 1977 bis 1981 und insoweit zur Abweisung der Klage. Bezüglich des Streitjahres 1982 wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). In den Streitjahren 1977 bis 1981 war der Lauf der Festsetzungsfrist durch Ermittlungen der Steuerfahndung nach § 171 Abs. 5 AO 1977 gehemmt. Dagegen sind für den Veranlagungszeitraum 1982 keine Ermittlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennbar.
1. Beginnt die mit der Steuerfahndung betraute Dienststelle einer Landesfinanzbehörde vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 171 Abs. 5 Satz 1 AO 1977); § 171 Abs. 4 Satz 2 AO 1977 gilt sinngemäß, so daß bei einer Unterbrechung der Fahndungsprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als 6 Monaten aus Gründen, die die Finanzbehörde zu vertreten hat, die Ablaufhemmung nicht eintritt.
a) Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ist nach dem Gesetzeswortlaut, daß Ermittlungshandlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächlich vorgenommen worden sind. Darüber hinaus muß für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, daß in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. April 1997 XI R 61/94, BFHE 183, 13, BStBl II 1997, 595).
Der Umfang der Ablaufhemmung hängt davon ab, auf welche Steueransprüche sich die Prüfung während ihres Verlaufs tatsächlich erstreckt hat. Für Steueransprüche (vgl. § 37 Abs. 1 AO 1977), die nicht Gegenstand der Steuerfahndungsprüfung waren, kann keine Ablaufhemmung eintreten. Entscheidend für die Hemmung der Festsetzungsfrist bei einer Einkommensteuerfestsetzung ist somit, daß sich die Ermittlungshandlungen auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum erstreckt haben. Ist dies der Fall, kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt innerhalb einer Prüfung Ermittlungshandlungen in bezug auf einzelne Veranlagungszeiträume durchgeführt werden (vgl. BFH-Entscheidungen vom 13. Juni 1995 I B 108/94, BFH/NV 1996, 104, und vom 2. Juli 1998 IV R 39/97, BFHE 186, 299). Die Ermittlungshandlungen können, insbesondere bei verdeckten Ermittlungen, bereits vor dem Zeitpunkt ihrer Erkennbarkeit durch den Steuerpflichtigen liegen. Sie können aber auch erst später erfolgen.
Steht fest, daß sich Ermittlungshandlungen auf bestimmte Veranlagungszeiträume erstrecken, so ist nach der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht der Umfang der Ablaufhemmung noch nicht abschließend bestimmt. Vielmehr wird aus dem Gesetzeswortlaut des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO 1977, der von "Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen" spricht, eine einschränkende Auslegung abgeleitet. Nach ihr soll der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht für den gesamten Steueranspruch gehemmt werden, sondern nur bezüglich der Steuern, die sich aus den Sachverhalten ergeben, die Gegenstand der Ermittlungen waren (vgl. Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 171 AO 1977 Rz. 69, 77; Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 171 Rz. 50; Hartmann in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 171 AO 1977 Rz. 61; Klein/ Rüsken, Abgabenordnung, § 171 Nr. 6). Nach anderer Ansicht soll die Ablaufhemmung dagegen den gesamten Steueranspruch unabhängig von den konkreten Prüfungen umfassen (Baum in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 171 Rz. 28).
b) Im Streitfall kommt es auf die höchstrichterlich bisher nicht geklärte Frage indes nicht an. Denn es ist unerheblich, ob die Durchsuchung im Januar 1982, die sich nach dem richterlichen Durchsuchungsbeschluß auf die Veranlagungszeiträume 1976 bis 1980 und den Sachverhaltskomplex Schmiergelder bezog, nur eine Ablaufhemmung bezüglich des Sachverhalts Schmiergelder oder für den gesamten Steueranspruch der Jahre 1976 bis 1980 bewirkte. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, daß die Steuerfahndung nur den Sachverhaltskomplex Schmiergelder betraf. Vielmehr hat die Steuerfahndung ihre Ermittlungen verjährungshemmend auf die Sachverhalte Einkünfte aus Kapitalvermögen und Einkünfte aus Vermietung ausgeweitet.
Macht die Steuerfahndung im Rahmen einer aus sonstigen Gründen durchgeführten Fahndungsprüfung Zufallsfunde oder entsteht der Verdacht auf weitere Steuerstraftaten, kann im Regelfall ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß sich die Fahndungsprüfung ab dem Zeitpunkt der zufälligen Entdeckung bzw. der Entstehung des weiteren Verdachts auch auf diese Sachverhalte erstrecken soll. Denn es gehört zu den Aufgaben der Steuerfahndung (§ 208 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), unter solchen Umständen von Amts wegen tätig zu werden. Eine besondere Prüfungsanordnung ist weder für den Beginn der Fahndung noch für ihre Erweiterung erforderlich und für die Ablaufhemmung ohne Bedeutung (BFH-Entscheidungen vom 8. November 1993 VI B 99/93, BFH/NV 1994, 258, und in BFHE 186, 299). Wird die formlose Ausweitung einer Steuerfahndung vor Ablauf der Verjährung für den Steuerpflichtigen erkennbar, tritt die Ablaufhemmung auch bezüglich der Zufallsfunde ein. Insoweit kann nichts anderes als beim erstmaligen Beginn einer Fahndung gelten.
Aus dem Schriftverkehr zwischen dem Kläger und der Steuerfahndung ergibt sich eindeutig, daß die Steuerfahndung ihre Ermittlungen für den Kläger erkennbar ausgeweitet hat. Auskünfte, die die Steuerfahndung vom Steuerpflichtigen einholt, sind Ermittlungsmaßnahmen. Dies ergibt sich aus § 208 Abs. 1 Satz 2 AO 1977, nach dem die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen auch die Ermittlungsbefugnisse haben, die den Finanzämtern zustehen. Hierzu gehört das Recht, vom Steuerpflichtigen als Beteiligten Auskünfte einzuholen (vgl. § 93 Abs. 1 i.V.m. § 78 AO 1977). Unerheblich ist, ob die Auskünfte mündlich oder schriftlich begehrt werden (vgl. § 208 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 93 Abs. 2 Satz 2 AO 1977) oder ob das Auskunftsbegehren an den Steuerpflichtigen persönlich oder seinen Bevollmächtigten adressiert wird (§ 80 Abs. 3 AO 1977).
Auskünfte hat die Steuerfahndung bereits im Jahr 1982, also zu einem Zeitpunkt, in dem die für die Einkommensteuerfestsetzung geltende vierjährige Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 noch für keines der Streitjahre abgelaufen war, eingeholt. Aus dem Schriftwechsel zwischen Kläger und Steuerfahndung geht unmißverständlich hervor, daß die Fahndung bereits vor dem Schreiben vom … April 1982 einen Mißbrauch bezüglich der Vermietungseinkünfte vermutete und deshalb Unterlagen zur Prüfung begehrte. Damit war die Ausweitung der Fahndung auf diesen Punkt für den Kläger erkennbar. Gleiches gilt für die Kapitaleinkünfte. Denn diese wurden vom Klägervertreter mit Schreiben vom … Mai 1982 unter Bezugnahme auf ein mit dem Steuerfahnder geführtes Gespräch mitgeteilt.
c) Die Ausweitung der für die Jahre 1976 bis 1980 begonnenen Fahndung auf das Jahr 1981 war für die Kläger ebenfalls erkennbar. So hat der Kläger selbst die Kapitaleinkünfte mit Schreiben vom … Mai 1982 auch für das Jahr 1981 mitgeteilt. Zudem hat die Steuerfahndung mit dem Schreiben vom … Oktober 1983 sowie anhand der Kontoauszüge Mietkonto 1981 erkennbar Sachverhalte des Jahres 1981 ermittelt und im Schreiben vom … Dezember 1983 ausdrücklich ausgeführt, daß eine Geldverkehrsrechnung für das Jahr 1981 nur wegen fehlender Unterlagen noch nicht erstellt wurde.
d) Der Ablaufhemmung für die Jahre 1977 bis 1981 steht keine Unterbrechung der Fahndung kurz nach ihrem Beginn entgegen. Aus dem vom FG in Bezug genommenen Schriftwechsel ergibt sich, daß die Fahndung im Zeitraum 1982 bis Anfang 1984 laufend durch Auskunftsbegehren ermittelt hat.
e) Für den Steueranspruch des Veranlagungszeitraums 1982 sind dagegen keine Ermittlungen der Steuerfahndung vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennbar. Die richterlich angeordnete Durchsuchung fand im Januar 1982 statt und bezog sich nur auf die Jahre 1976 bis 1980. Aus dem Schriftwechsel zwischen Kläger und Steuerfahndung im Zeitraum 1982 bis Anfang 1984 ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Ermittlungen auf das Jahr 1982 ausgeweitet wurden. Erstmals aus dem Kurzbericht des Prüfers vom … Februar 1993 geht hervor, daß das Jahr 1982 geprüft wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die vierjährige Festsetzungsfrist bereits abgelaufen. Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat im Jahr 1982 mit der Folge, daß die zehnjährige Festsetzungsfrist eingreift, können den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht entnommen werden. Damit ist auch unerheblich, ob die Steuerfahndung ihre Erkenntnisse zum Streitjahr 1982 vor oder nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist ermittelt hat. Denn die Ablaufhemmung greift nur ein, wenn die Ermittlungen innerhalb der Festsetzungsfrist für den Steuerpflichtigen erkennbar werden.
2. Der Grundsatz der Verwirkung als Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben steht den Steuerfestsetzungen im Dezember 1994 nicht entgegen. Verwirkung bedeutet, daß ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit, es geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Rechtsausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Zeitablauf allein führt nicht zur Verwirkung (vgl. BFH-Entscheidungen vom 8. Oktober 1986 II R 167/84, BFHE 147, 409, BStBl II 1987, 12; vom 8. April 1993 X B 128/92, BFH/NV 1993, 708; vom 4. September 1997 IV B 110/96, BFH/NV 1998, 202, und vom 14. Mai 1998 VII B 171/97, BFH/NV 1999, 3).
Im Streitfall hat die Steuerfahndung den Kurzbericht erst nach Abschluß des strafrechtlichen Verfahrens erstellt, um die Ergebnisse der strafrechtlichen Ermittlungen berücksichtigen zu können. Unter diesen Umständen konnte der Kläger aus der Untätigkeit in den Jahren 1984 bis 1992 nicht den Schluß ziehen, daß die Steuerfahndung endgültig nicht mehr tätig werden wollte. Hinzu kommt, daß der Rechtsgedanke des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO 1977 einer Verwirkung entgegensteht. Nach der Vorschrift endet die Festsetzungsfrist im Falle einer Außenprüfung spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlußbesprechung stattgefunden hat, die in § 169 Abs. 2 AO 1977 genannten Fristen verstrichen sind. Ist die Schlußbesprechung unterblieben, soll die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungshandlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, erneut zu laufen beginnen. Eine vergleichbare Regelung fehlt in § 171 Abs. 5 AO 1977. Bei einer Steuerfahndungsprüfung hat dies, solange es nicht zum Erlaß von Änderungsbescheiden kommt, nach dem Gesetzeswortlaut zur Folge, daß die Ablaufhemmung trotz faktischer Beendigung der Prüfung ewig andauert. Offen bleiben kann, ob diese Rechtsfolge durch eine analoge Anwendung des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO 1977 (so z.B. G. Söffing, Deutsche Steuerzeitung ―DStZ― 1996, 713; Kaligin, DStZ 1997, 314 und Betriebs-Berater 1997, 1505; a.A. Rößler, DStZ 1997, 117) oder durch Anwendung des Grundsatzes der Verwirkung korrigiert werden kann. Jedenfalls ist es ausgeschlossen, die Kläger rechtlich besser als im Falle einer Außenprüfung zu stellen. Hierzu würde indes die Annahme einer Verwirkung führen.
Nach dem Kurzbericht vom … Februar 1993 hat der Fahndungsprüfer die Prüfungsfeststellungen letztmals im Jahr 1992 mit dem Vertreter der Kläger besprochen. Die vierjährige Festsetzungsfrist nach der Schlußbesprechung einer Außenprüfung würde damit erst Ende des Jahres 1996 ablaufen. Zu einem früheren Zeitpunkt kommt bei einer Fahndungsprüfung Verwirkung des Steueranspruchs nicht in Betracht.
3. Die Sache ist entscheidungsreif. Im Ergebnis zu Recht hat das FG für das Streitjahr 1982 den Ablauf der Festsetzungsfrist bejaht. Die Revision ist insoweit unbegründet. Im übrigen war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Grund und Höhe der Einkommensteueränderungen durch die angefochtenen Steuerbescheide waren unstreitig.
Fundstellen
Haufe-Index 55735 |
BFH/NV 1999, 1186 |
HFR 1999, 694 |