Entscheidungsstichwort (Thema)
Buchführungspflicht in der Land- und Forstwirtschaft
Leitsatz (NV)
Zur Begründung und zum Fortbestand der Buchführungspflicht nach der AO und der LwBuchfV bei einer Mitunternehmerschaft zwischen Landwirtseheleuten.
Normenkette
AO § 161 Abs. 1 Nrn. 1e, 1, § 91 Abs. 1; LwBuchfV § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebte in der Zeit vom 23. März 1968 bis zum 1. Oktober 1976 mit seiner Ehefrau in Gütergemeinschaft. Die im März 1984 verstorbene Ehefrau wurde vom Kläger allein beerbt.
Zum Gesamtgut gehörte u. a. der von den Eltern des Klägers aufgrund Hofübergabevertrags vom 23. März 1968 erworbene landwirtschaftliche Betrieb in N. Durch notariellen Vertrag vom 1. Oktober 1976 hoben die Eheleute die Gütergemeinschaft auf; der Hof ging in das Alleineigentum der Ehefrau über.
Der Kläger und seine Ehefrau gaben auf entsprechende Aufforderung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) erstmals für den Veranlagungszeitraum 1971 eine Einkommensteuererklärung ab. Diese sowie auch die Folgeerklärungen bis zum Veranlagungszeitraum 1975 wiesen jeweils in der Anlage L den Kläger als Inhaber des Betriebes und die Ehefrau als mitarbeitende Angehörige aus. Außerdem war in der bezeichneten Anlage stets angegeben, daß die Ehefrau den Haushalt mit acht Personen geführt habe. Alle Einkommensteuererklärungen waren nur vom Kläger unterschrieben.
Das FA führte zunächst erklärungsgemäß Zusammenveranlagungen durch. Da der nach Durchschnittsätzen ermittelte Gewinn für den Veranlagungszeitraum 1972 17 326 DM betrug, wurde in die Rubrik ,,Erläuterungen" des Vordrucks ,,Anlage 3 L für GDL-Landwirte" zum Einkommensteuerbescheid 1972 die Aufforderung zur Führung von Büchern ab 1. Juli 1974 aufgenommen. Dieser Vordruck war allein an den Kläger gerichtet. Der Einkommensteuerbescheid vom 6. Mai 1974 war an ,,Herrn u. Frau . . . (Name des Klägers)" adressiert und wurde den Eheleuten in einer Ausfertigung zugestellt. Da der Kläger der Aufforderung zur Buchführung nicht folgte, wurde erstmals für das Wirtschaftsjahr 1974/75 der Gewinn nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (Betriebsvermögensvergleich) geschätzt. Die Veranlagungen für 1974 und 1975 wurden nicht angefochten.
Nach Abschluß des notariellen Vertrages vom 1. Oktober 1976 beantragten die Eheleute, die Vorauszahlungen, die sich durch die Schätzungen aufgrund der Buchführungspflicht ergaben, ab dem III. Quartal 1976 auf null DM herabzusetzen. Infolge der Übertragung des Hofes sei die - an die Person des Klägers gebundene - Buchführungspflicht entfallen und der Gewinn der Ehefrau zukünftig wieder nach § 13a EStG zu ermitteln. Der Bundesfinanzof (BFH) wies mit Urteil vom 22. Oktober 1981 IV R 132/79 (BFHE 134, 319, BStBl II 1982, 123) die gegen die Ablehnungsverfügung des FA erhobene Klage ab; er sah die Buchführungspflicht als fortbestehend an.
Die zuständige Veranlagungsdienststelle des FA, die (anders als die Bewertungsstelle) erstmals durch den Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen vom Bestehen der Gütergemeinschaft erfuhr, sah die Eheleute nunmehr bis zum 30. September 1976 als Mitunternehmer innerhalb einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) an und erließ einen entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid. Ab 1. Oktober 1976 rechnete es die Gewinne allein der Ehefrau zu. Da es sowohl die Mitunternehmerschaft (GdbR) als auch die Ehefrau für buchführungspflichtig hielt, ermittelte es die Gewinne wie bisher im Schätzungswege nach § 4 Abs. 1 EStG.
Der Kläger und seine Ehefrau haben sowohl gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1976 als auch gegen die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre 1976 bis 1980 Einspruch erhoben mit der Begründung, eine Mitunternehmerschaft habe nicht bestanden; die ab 1. Oktober 1976 von der Ehefrau erzielten Gewinne seien daher nach § 13a EStG zu ermitteln. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Nach anfänglichem Bestreiten ging der Kläger, übereinstimmend mit dem FA, von einer bis zum Oktober 1976 bestehenden Mitunternehmerschaft aus, hielt diese aber deshalb nicht für buchführungspflichtig, weil die unter der Geltung der Reichsabgabenordnung (AO) nach der BFH-Rechtsprechung erforderliche Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht nicht wirksam geworden sei. Die Aufforderung im Einkommensteuerbescheid 1972 sei nur für den Kläger, nicht für die Mitunternehmerschaft bestimmt gewesen. Da es im übrigen an einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe dieses Steuerbescheids fehle, weil der Bescheid nur in einer Ausfertigung an die Eheleute adressiert und abgesandt worden sei, die Ehefrau die Steuererklärung aber nicht unterschrieben habe, sei auch der Kläger nicht buchführungspflichtig geworden. Deshalb komme auch ein - wie auch immer gearteter - Übergang der Buchführungspflicht auf die Mitunternehmerschaft und von dieser ab 1. Oktober 1976 auf die Ehefrau nicht in Betracht.
Der Argumentation des Klägers folgend gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Zu Unrecht hat das FG angenommen, daß die Buchführungspflicht nicht wirksam begründet worden ist.
a) Zwischen den Beteiligten war diese Frage bereits hinsichtlich der Einkommensteuervorauszahlungen 1976 und 1977 streitig. Damals ist der Senat in seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß der Einkommensteuerbescheid 1972 den Eheleuten bekanntgegeben und ihnen gegenüber rechtswirksam geworden und damit die Buchführungspflicht entstanden ist (BFHE 134, 319, 323, 324, BStBl II 1982, 123, 125). Diese Rechtswürdigung war für das FG jedoch nicht gemäß § 110 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend. Wie der Senat in seinem Urteil ausgeführt hat, stützt sich die Entscheidung über einen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen nach § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG nämlich auf einen nur vorläufig ermittelten Sachverhalt und nimmt die endgültige Entscheidung im Veranlagungsverfahren nicht vorweg.
b) Nach § 161 Abs. 1 Nr. 1e AO i. V. m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung - LwBuchfV - vom 5. Juli 1935 (RGBl I 908, RStBl 1935, 955, abgedruckt in den Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1972, 422) wurde die Buchführungspflicht dadurch begründet, daß nach der in einer Einkommensteuerveranlagung getroffenen Feststellung der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft mehr als 12 000 DM betragen hat. Gemäß § 1 Abs. 4 LwBuchfV galt eine solche Feststellung dann als getroffen, wenn der die Feststellung enthaltende (Einkommensteuer-) Bescheid dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben wurde. Darüber hinaus begann nach ständiger Rechtsprechung des Senats (siehe z. B. Urteile vom 9. Mai 1957 IV 383/55 U, BFHE 65, 151, BStBl III 1957, 291, und vom 22. September 1960, BFHE 71, 716, 719, 720, BStBl III 1960, 516, 517) die Buchführungspflicht in der Regel erst dann, wenn der Steuerpflichtige auf diesen Zeitpunkt zusätzlich durch eine besondere Mitteilung des FA hingewiesen worden war.
Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil dem bis zum Jahre 1976 als alleiniger Betriebsinhaber aufgetretenen Kläger der Einkommensteuerbescheid 1972 mit der Feststellung des Gewinns von mehr als 12 000 DM und dem aufgenommenen gesonderten Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht tatsächlich bekannt gegeben wurde und er unstreitig davon Kenntnis erlangt hat. Nach Auffassung des Senats kommt es auf eine formgerechte Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides in diesem Zusammenhang nicht an.
aa) Es ist unschädlich, daß dem FA bei Zustellung des Einkommensteuerbescheids möglicherweise ein Zustellungsfehler unterlief, weil der für beide Ehegatten bestimmte Bescheid nur in einer Ausfertigung übersandt wurde und mangels Unterschrift der Ehefrau eine gegenseitige Empfangsbevollmächtigung (hierzu BFH-Urteil vom 13. August 1970 IV 48 /65, BFHE 110, 171, BStBl II 1970, 839) nicht angenommen werden konnte. Denn nach ständiger BFH-Rechtsprechung war der gemäß § 91 Abs. 1 AO bekanntzugebende Bescheid mit der Zeichnung durch den zuständigen Beamten entstanden (Urteile vom 17. März 1964 I 345/61 U, BFHE 79, 309, BStBl III 1964, 343, und vom 29. Januar 1981 V R 47/77, BFHE 132, 219, BStBl II 1981, 404). Ein Zustellungsfehler der hier gerügten Art hatte auf seine Wirksamkeit keinen Einfluß, sondern lediglich die Folge, daß die Einspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt wurde (siehe BFH-Urteil vom 16. August 1978 I R 26/78, BFHE 126, 5, BStBl II 1979, 58). Da der Kläger den Einkommensteuerbescheid zusammen mit der für ihn bestimmten ,,Anlage 3 L " unstreitig erhielt, hat er von allen Umständen Kenntnis erlangt, an die Gesetz und BFH-Rechtsprechung den Beginn der Buchführungspflicht knüpften. Der von § 1 Abs. 1 und 4 LwBuchfV bezweckten Warnfunktion ist damit Genüge getan.
bb) Die in der Person des Klägers wirksam begründete Buchführungspflicht erstreckte sich auch auf die zwischen den Eheleuten tatsächlich bestehende Mitunternehmerschaft.
In seinem Urteil vom 23. Januar 1986 IV R 108/85 (BFHE 146, 332, BStBl II 1986, 539) hat der Senat ausgeführt, daß die Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auch dann rechtswirksam ist, wenn sie demjenigen Ehegatten bekanntgegeben wird, der gegenüber dem FA in den vorangegangenen gemeinsamen Steuererklärungen der Ehegatten - mit dem Einverständnis des anderen Ehegatten - als Betriebsinhaber aufgetreten ist, und die wirklichen Inhaber - das ist entweder der andere Ehegatte oder die beiden Ehegatten zusammen - dem FA im zuständigen Veranlagungs- oder Gewinnfeststellungsverfahren weder bekanntgegeben noch von ihm festgestellt worden sind. Der Grundgedanke dieses Urteils, daß eine bei dem als Alleinunternehmer auftretenden Ehegatten begründete Buchführungspflicht auf die Mitunternehmerschaft durchschlägt, ist auch auf den Streitfall anwendbar, der noch nach dem bis zum 31. Dezember 1976 geltenden alten Recht zu entscheiden ist. Bei diesem kam es, wie dargestellt, auf die tatsächliche Kenntnisnahme des die maßgeblichen Feststellungen enthaltenen Bescheids und des Hinweises durch den Betroffenen an; sie lag hier vor. Ein förmlicher Verwaltungsakt i. S. des § 141 Abs. 2 AO 1977 war nicht erforderlich.
In den für die Veranlagungszeiträume 1971 bis 1975 abgegebenen Steuererklärungen hat der Kläger sich auch stets als alleinigen Betriebsinhaber gegenüber der Veranlagungsstelle des FA bezeichnet. Dabei handelte er in Kenntnis und mit zumindest stillschweigender Billigung seiner Ehefrau, wie aus folgenden Umständen hervorgeht: Noch in der Klageschrift vom 11. Juli 1983 - die Klage wurde auch im Namen und Auftrag der Ehefrau, deren Vollmacht beilag, erhoben - hielten die Eheleute an der Alleinunternehmerschaft des Klägers fest, obwohl ihnen die Eigentumsverhältnisse (Miteigentum seit 1968) am Hof bekannt waren. Auch vorher hat die Ehefrau dem Verhalten des Klägers gegenüber dem FA niemals widersprochen. - Der zuständigen Veranlagungsstelle des FA wurden die eine Mitunternehmerschaft begründenden Umstände erst im Laufe des Jahres 1976 bekannt. Nur die Bewertungsstelle hatte von der Gütergemeinschaft der Eheleute bereits im Jahre 1968 erfahren.
c) Die auch gegenüber der Mitunternehmerschaft rechtswirksam begründete Buchführungspflicht ist nach Übereignung des Betriebs an die Ehefrau im Oktober 1976 auf diese übergegangen, da sie schon bisher als Mitunternehmerin buchführungspflichtig war (BFH-Urteile vom 23. Februar 1978 IV R 166/74, BFHE 125, 1, BStBl II 1978, 477, und vom 20. April 1978 IV R 92/76, BFHE 125, 6, BStBl II 1978, 479).
Da der für die Streitjahre festgestellte Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft der Höhe nach unstreitig ist, war die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 415087 |
BFH/NV 1987, 622 |