Leitsatz (amtlich)
Eine Hinterbliebene, die selbst kriegsbeschädigt ist, hat sowohl Anspruch auf den Pauschbetrag als Hinterbliebene als auch auf den Pauschbetrag als Kriegsbeschädigte.
Normenkette
LStDV § 26; LStR Abschn. 40 Abs. 1 Ziff. 1; LStR Abschn. 40/1/4; LStR Abschn. 40 Abs. 6-7; LStR Abschn. 40/10/4
Tatbestand
Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich dagegen, daß das Finanzgericht für 1953 der Beschwerdegegnerin (Bgin.), die Kriegerwitwe und selbst kriegsbeschädigt ist, neben dem auch vom Finanzgericht gewährten Pauschbetrag von 600 DM als Hinterbliebene noch den Pauschsatz von 360 DM wegen ihrer eigenen Kriegsbeschädigung (30 % Erwerbsminderung) zuerkannt hat.
Das Finanzgericht sieht in Abschn. 40 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1952 nicht wie das Finanzamt gleichzeitig auch eine Begrenzung des § 26 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV), sondern eine rechtsgültige Erweiterung auf weitere Gruppen von steuerbegünstigten Arbeitnehmern über § 26 LStDV hinaus. Der Freibetrag für Kriegsbeschädigung lasse weder einen äußeren noch inneren Zusammenhang mit dem Pauschbetrag für Hinterbliebene erkennen. Der Pauschbetrag für Kriegsbeschädigte solle in erster Linie dazu dienen, die der Bgin. aus ihrer eigenen Verletzung erwachsenden besonderen Aufwendungen abzugelten.
Der Vorsteher des Finanzamts stützt seine Ansicht auf die als rechtsgültig anzusehende Bestimmung des Abschn. 40 Abs. 7 LStR 1952, der die Vergünstigung dahin einschränke, daß ein Arbeitnehmer, der aus verschiedenen Gründen nach Abschn. 40 Abs. 1 LStR einen Anspruch auf den Pauschbetrag habe, nur einmal einen Pauschbetrag, und zwar den höchsten ihm nach Abschn. 40 LStR zustehenden Pauschbetrag erhalten solle.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Der Senat hat in der Entscheidung VI 2/54 U vom 22. November 1957 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1958 III S. 42) die Vorschriften des Abschn. 40 LStR 1952, soweit sie auf frühere Anordnungen zurückgehen, die erlassen sind, bevor die Gesetzgebung im Rahmen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) einsetzen konnte, als fortgeltende Milderungserlasse angesehen.
Der Senat tritt der Auffassung des Finanzgerichts bei, daß die Einschränkung in Abschn. 40 Abs. 7 LStR 1952 nicht auf Hinterbliebene anwendbar ist.
§ 26 LStDV 1952 (BStBl 1952 I S. 113), Abschn. 40 Abs. 6 LStR 1952 staffelt die Pauschbeträge für körperbeschädigte Arbeitnehmer in acht Gruppen, anfangend bei 25 % und endend bei 100 % Minderung der Erwerbsfähigkeit, und verdoppelt die Vergünstigung der 8. Gruppe (95% bis 100 % Minderung der Erwerbsfähigkeit) bei Gruppe 9: Blinde und besonders pflegebedürftige Körperbeschädigte. Die Staffelung nach neun Gruppen nach dem Maßstabe der Minderung der Erwerbsfähigkeit und der Pflegebedürftigkeit weist schon darauf hin, daß jeder Körperbeschädigte in eine Gruppe und nicht in mehrere Gruppen einzuordnen ist. Abschn. 40 Abs. 7 LStR 1952 zieht aus der vorgesehenen Gruppeneinteilung die naheliegende Folgerung, daß jeder Körperbeschädigte nach dem Maßstabe seiner Gesamterwerbsbeschränkung in eine Gruppe fällt und nur den Pauschsatz dieser Gruppe erhält. Die Einordnungsmerkmale des Abs. 7 treffen aber bei Hinterbliebenen nicht zu. Die Hinterbliebenen-Vergünstigung ist auf die Eigenschaft als Hinterbliebene abgestellt, unabhängig davon, ob ein Hinterbliebener zufällig auch kriegsbeschädigt ist oder nicht. Die Hinterbliebenen-Eigenschaft ist somit ein steuerbegünstigter Sondertatbestand, dessen Verwirklichung in keiner Beziehung mit einer Körperbeschädigung steht. Die Steuervergünstigung für eine eigene Kriegsbeschädigung kann nicht dadurch verlorengehen, daß eine vorher oder nachher erlangte Eigenschaft als Hinterbliebener Anspruch auf eine besondere Vergünstigung gewährt. Der Wortlaut des Abs. 7 zwingt zu keiner anderen Auslegung. Es ist sinnvoll, einer kriegsbeschädigten Hinterbliebenen neben ihrer Hinterbliebenen-Vergünstigung einen Ausgleich für ihre Aufwendungen wegen ihrer Kriegsbeschädigung zu geben. Für eine ausdehnende Auslegung des Wortlautes des Abs. 7 besteht kein Anlaß, zumal auch manche Länder einem kriegsbeschädigten Hinterbliebenen beide Pauschbeträge gewähren (Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. Oktober 1952, Lohnsteuer-Kartei der Oberfinanzdirektionen Düsseldorf, Köln und Münster Nr. 2 zu § 26 LStDV).
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann daher keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 409100 |
BStBl III 1958, 319 |
BFHE 1959, 123 |
BFHE 67, 123 |