Leitsatz (amtlich)
Errichtet der Vermieter eines Tankstellengrundstücks die Vertriebsanlagen selbst, so sind verlorene Baukostenzuschüsse des Mieters (Mineralölgesellschaft) nach Maßgabe des BFH-Urteils V 15/52 S vom 25. Februar 1954 (BFH 58, 601, BStBl III 1954, 140) in der Regel steuerfreie Mietentgelte, wenn der Mieter den Tankstellenvertrag mit einem Dritten abgeschlossen hat.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nr. 10; UStDB 1951 § 10
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), die im Veranlagungszeitraum 1960 ein Tankstellengrundstück an Mineralölgesellschaften vermietete und die Betriebsanlagen selbst erbauen ließ, mit den Zuschüssen von ... DM, die ihr die Mieterinnen ohne Auferlegung einer Rückzahlungspflicht zu den Baumaßnahmen gewährten, zur Umsatzsteuer herangezogen werden kann.
Dem Rechtsstreit liegen nach den Feststellungen des FG im wesentlichen folgende tatsächlichen Umstände zugrunde: Auf dem Grundstück befand sich schon früher eine Tankstellenanlage, die von den Vertriebsgesellschaften genutzt worden war. Diese Anlage mußte im Jahre 1959 wegen einer Straßenverbreiterung abgerissen werden. Schon im Jahre 1953 war das Grundstück zugunsten der Mineralölgesellschaften mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (b. p.D.) belastet worden. Diesem dinglichen Recht zufolge ist der Eigentümer bis zum 31. Dezember 1975 verpflichtet, auf dem Grundstück den Vertrieb von Motorentreib- und Schmierstoffen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen und eine Tankanlage zu errichten, zu unterhalten und zu betreiben mit der Maßgabe, daß die Ausübung der Dienstbarkeit auch einem Dritten überlassen werden kann. Daneben schlossen die Steuerpflichtige und die Vertriebsgesellschaften Tankstellenverwaltungs- und Vertriebsverträge und einen Wagenpflegevertrag sowie einen Mietvertrag, der sich auf die Grundstücksflächen bezieht, die für die Ausübung des Tankstellen- und Wagenpflegebetriebs in Anspruch genommen werden. Alle diese Verträge wurden nach Wiedererrichtung der Tankstelle im Jahre 1961 ohne wesentliche Veränderungen des früheren Inhalts erneut schriftlich erstellt. In dem dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Veranlagungszeitraum 1960 ruhten aber, wie schon seit dem Jahre 1957, die Tankstellen- und Wagenpflegeverträge mit der Steuerpflichtigen. Die Mineralölgesellschaften - von denen am 13. Oktober 1961 die eine ausschied, während die andere deren Rechte und Pflichten übernahm - beschränkten ihre vertraglichen Beziehungen zur Steuerpflichtigen auf die Miete und vergaben selbst unmittelbar ihren Vertrieb und die Wagenpflege an einen Dritten.
Das FA rechnete im Berichtigungsbescheid vom 1. August 1963 den Baukostenzuschuß von ... DM den Bemessungsgrundlagen für 1960 hinzu und forderte deshalb den Umsatzsteuerbetrag von ... DM nach. Die Steuerpflichtige begehrt die Aufhebung des Steuerbescheids in diesem Umfang. Sie trägt dazu sinngemäß vor: Die Zuschüsse seien ihr ohne Gegenleistung gewährt worden. Durch die Verträge von 1961 habe sie keine neuen Verpflichtungen übernommen. Sie habe, nachdem ihr durch den behördlichen Eingriff (Beseitigungsanordnung) die Erfüllung ihrer alten Vertragspflichten (Überlassung des Gebrauchs einer Tankstelle) unmöglich geworden sei, durch den Wiederaufbau lediglich die sachlichen Voraussetzungen für die Fortsetzung dieser Vertragserfüllung geschaffen. Wenn die Vertriebsfirmen auch die Gewährung des Zuschusses mit der Auflage verbunden hätten, daß sie (die Steuerpflichtige) selbst die abgebrochene Tankstelle wiederaufbaue, so sei damit kein Leistungsaustausch verbunden worden. Denn die Mineralölgesellschaften hätten die Anlagen aufgrund ihres dinglichen Rechts (b. p. D.) auch selbst bauen können. Ihre (der Steuerpflichtigen) Rolle als Bauherr sei eine bloße Formsache gewesen; jedenfalls stehe der gewährte Zuschuß der Höhe nach außer jedem vernünftigen Verhältnis zu der von ihr erbrachten geringen Leistung. Die Gesellschaften hätten die Zuschüsse im wesentlichen gegeben, "um ihre alten Rechte zu retten". Aber selbst wenn ein Umsatz stattgefunden hätte, so müsse dieser nach § 4 Nr. 10 UStG 1951 steuerfrei sein, da er als verlorener Baukostenzuschuß zu einem Mietobjekt zu beurteilen sei (Hinweis auf V 15/52 S vom 25. Februar 1954, BFH 58, 601, BStBl III 1954, 140).
Das FG hat die Berufung (jetzt Klage) als unbegründet zurückgewiesen und dazu im wesentlichen ausgeführt: Aus der bei der Zuschußgewährung übernommenen Verpflichtung, die Tankstelle selbst wieder zu errichten, ergebe sich die Leistung der Steuerpflichtigen. Die früheren Verträge hätten diese Pflicht zur Wiedererrichtung der Anlagen nach einem Abbruch nicht enthalten. Für diese völlig neue vertragliche Leistung habe die Steuerpflichtige den Zuschuß erhalten. Dieser steuerbare Umsatz falle nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 UStG 1951. Denn das Interesse der Mineralölfirmen sei nur auf eine Anlage zum Vertrieb ihrer Produkte gerichtet gewesen; die nähere Gestaltung des Vertriebs - ob im eigenen Auftrag oder im Auftrag der Steuerpflichtigen - sei für sie von sekundärer Bedeutung gewesen.
Gegen dieses Urteil legte die Steuerpflichtige Rb. ein. Sie rügt die Verletzung des Steuerrechts, weil sie mit ihrer Rechtsauffassung nicht durchgedrungen ist.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Das Rechtsmittel, das seit dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln ist, ist begründet.
Der Senat ist zwar im Ergebnis mit dem FG der Auffassung, daß die strittigen Zuschüsse als Entgelte im Sinne des § 1 Nr. 1 UStG 1951 und des § 10 UStDB 1951 zu beurteilen sind: Nach den mit der Steuerpflichtigen abgeschlossenen obligatorischen und dinglichen Verträgen ist es offensichtlich, daß die Mineralölgesellschaften mit der Tankstelle eigene wirtschaftliche Interessen verfolgten. Ihnen war daran gelegen, daß die Steuerpflichtige die beseitigten Tankstellengebäude und Anlagen erneut errichtet, damit der Absatz ihrer Produkte seinen Fortgang nehme. Die Wiederherstellung eines für die Gesellschaften nutzbaren Zustandes auf dem der b. p. D. sowie dem Mietvertrag unterworfenen Grundstück und damit die Einräumung einer wirtschaftlich vorteilhaften Stellung ist die dem Zuschuß entsprechende steuerbare Leistung. Dabei ist aber mit Rücksicht auf die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 UStG 1951 zu bedenken, welcher Art der wirtschaftliche Vorteil war, den die Steuerpflichtige ihren Vertragspartnern aufgrund der gesamten Vertragsbeziehungen einzuräumen hatte. Hätte das Vertragswerk darauf abgestellt, daß die Steuerpflichtige den Gesellschaften, neben der Überlassung der Tankstellenfläche (Vermietung oder Verpachtung) insbesondere den agenturweisen Vertrieb von Treibstoffen im Namen und für Rechnung dieser Gesellschaften selbst oder durch Weiterverpachtung an einen Dritten zu besorgen habe (Tankstellenvertrag), so wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. das Urteil V 200/63 vom 21. April 1966, BFH 86, 178, BStBl III 1966, 415, und die dort angeführten Entscheidungen) Rechtsbeziehungen besonderer Art gegeben gewesen. Der darin enthaltenen, nach Dauer und Zweckbindung an den Tankstellenvertrag geknüpften Vermietung wäre dabei kein eigenständiges, steuerlich bedeutsames Gewicht zuzumessen gewesen. Der wirtschaftliche Vorteil, den die Steuerpflichtige mit der hier strittigen Leistung gegen den Zuschuß an die Gesellschaften gewährt hat, wäre dann seiner Art nach nicht die Leistung eines Vermieters, sondern die Leistung eines als Agent mit besonderen Aufgaben verpflichteten Unternehmers gewesen.
In dem zur Entscheidung stehenden Fall aber bestand zwar ein Tankstellenvertrag mit der Steuerpflichtigen, dieser ruhte jedoch nach den Feststellungen des FG seit dem Jahre 1957. Die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien beschränkten sich deshalb auf den Mietvertrag vom 17. November 1953, der mit gewissen Änderungen am 3. Mai/6. Juli 1961 erneuert worden war. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich auch, daß die Vertragsparteien an eine Änderung dieser Lage bei der Gewährung der Zuschüsse nicht gedacht haben.
Die strittige Leistung der Steuerpflichtigen ist daher aus dem Mietverhältnis mit den Zuschußgebern erwachsen; sie war darauf gerichtet, den Gesellschaften den zweckgebundenen Gebrauch der Mietsache nach Beseitigung der alten Tankstellenanlagen erneut zu ermöglichen. Im Zusammenhang mit dieser Leistung haben die Vertragsparteien durch den Vertrag vom 3. Mai/6. Juli 1961 den Mietpreis, für den in den Verträgen des Jahres 1953 1 000 DM monatlich ausgeworfen waren, auf den monatlichen Betrag von 1 250 DM festgesetzt. Die - verlorenen - Zuschüsse waren im wesentlichen, und zwar in einer Höhe von ... DM bereits in der Zeit vom 20. Mai 1960 bis 3. Mai 1961 gewährt worden. Unter diesen Umständen ist nach der von der Steuerpflichtigen angeführten Rechtsprechung des Senats (Urteil V 15/52 S vom 25. Februar 1954, a. a. O.) davon auszugehen, daß die Höhe der Baukosten an sich eine Forderung nach einer höheren als der vereinbarten Miete gerechtfertigt hätte und dafür als Ausgleich die strittigen Zuschüsse gewährt worden sind. Diese verlorenen Zuschüsse in Höhe von ... DM haben deshalb die Eigenschaft eines zusätzlichen, im voraus gezahlten Mietzinses, so daß die strittige Leistung der Steuerpflichtigen gemäß § 4 Nr. 10 UStG 1951 steuerfrei bleiben muß.
Der tatsächlichen Feststellung des FG, für die Vertriebsgesellschaften habe die nähere Gestaltung des Vertriebs ihrer Produkte auf der Tankstelle "offenbar" sekundäre Bedeutung gehabt, es sei ihnen lediglich auf den Erfolg der Tankstelle, nicht aber auf die vertraglichen Grundlagen für ihren Vertrieb angekommen, ist für die Entscheidung ohne Belang. Denn die Umsatzsteuer ist nicht an den wirtschaftlichen Nutzen geknüpft, den der Emfpänger aus der Leistung des Unternehmers zieht, sondern an die tatsächliche Leistung des Unternehmers.
Ohne Einfluß auf die Entscheidung ist schließlich auch der Umstand, daß die Steuerpflichtige ihr Grundstück auch aufgrund der b. p. D. den Mineralölgesellschaften zur Nutzung zu überlassen hatte. Nach dem Urteil des Senats V R 33/67 vom 7. Dezember 1967 (BFH 90, 561, BStBl II 1968, 130) wird nämlich die Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 10 UStG 1951 nicht dadurch ausgeschlossen, daß auf einem Grundstück, auf dem eine Teilfläche vermietet wird, zur Ergänzung und Erweiterung der sich aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte des Mieters der Teilfläche, eine b. p. D. bestellt wird. Diese Entscheidung, an der der Senat festhält, trifft auf die Verhältnisse des vorliegenden Falles zu.
Die Revision ist nach diesen Erwägungen begründet....
Fundstellen
BStBl II 1968, 633 |
BFHE 1968, 461 |