Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelbewertung für Gebäude und den zugehörigen Grund und Boden; keine anschaffungsnahen Herstellungskosten bei verdeckten Mängeln
Leitsatz (NV)
1. Bei bebauten Grundstücken sind zunächst sowohl der Bodenwert- als auch der Gebäudewertanteil gesondert zu bewerten und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile aufzuteilen.
2. Verdeckte Mängel können einer Beurteilung von Instandsetzungsaufwendungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten entgegenstehen.
Normenkette
EStG §§ 6-7, 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7; HGB § 255 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit Vertrag vom 2. März 1984 ein landwirtschaftliches Anwesen, das aus Wohnhaus, Zwischentrakt und Wirtschaftsgebäuden sowie umliegenden Wald- und Weideflächen in einer Größe von 3,44 ha bestand. Der Kaufpreis von 360 000 DM entfiel nach dem Kaufvertrag in Höhe von 170 000 DM auf die Gebäude und in Höhe von 190 000 DM auf den Grund und Boden. Das Wohnhaus bewohnte der Kläger gemeinsam mit seiner mit ihm zur Einkommensteuer zusammen veranlagten Ehefrau (der Klägerin und Revisionsbeklagten -- Klägerin --). Zur Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden, die sich auf die Innenwände, den Innenputz der Außenwände, den Holzfußboden und die Holzdecken zwischen Erd- und Obergeschoß erstreckten, ließen die Kläger von April 1984 bis Februar 1985 umfangreiche Bau- und Instandsetzungsarbeiten an dem Wohnhaus durchführen. Im Zuge dieser Arbeiten wurde der Zwischentrakt zum Wirtschaftsgebäude zu einer Empore ausgebaut, eine Kläranlage errichtet sowie eine neue Ölheizungsanlage installiert. Der Kosten aufwand betrug insgesamt 380 066 DM. Im Anschluß an eine Außenprüfung ermittelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Wohnhaus nach § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FA beurteilte sämtliche Aufwendungen für Baumaßnahmen an dem Wohnhaus, die im Revisionsverfahren im wesentlichen streitig sind, als Herstellungskosten und nahm Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 EStG vor.
Mit der nach insoweit erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrten die Kläger u. a. mit Rücksicht auf ein eingereichtes Sachverständigengutachten, einen höheren Anteil für das Gebäude an den Anschaffungskosten zu berücksichtigen sowie die Aufwendungen für das Wohngebäude als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand zu beurteilen und nach § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zu verteilen. Außerdem sei ein Teil der dem Wohngebäude zugeordneten Kosten als Erhaltungsaufwand für die Wirtschaftsgebäude abzuziehen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage für die Streitjahre teilweise statt. Zur Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage legte es nicht die Aufteilung des Kaufpreises nach dem Kaufvertrag zugrunde, sondern setzte als Wert für den Grund und Boden den vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert von 146 853 DM an. Dieser unterschritt den im Kaufvertrag zugrunde gelegten Wert für den Grund und Boden (190 000 DM) um 43 147 DM. Um diesen Differenzbetrag erhöhte das FG den Gebäudeanteil nach dem Kaufvertrag, so daß sich ein Gebäudewert von 213 147 DM ergab. Die Instandsetzungsaufwendungen für das Wohnhaus beurteilte das FG grundsätzlich als Herstellungskosten, weil sie zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs geführt hätten. Die Aufwendungen seien jedoch sofort als Werbungskosten abziehbar, soweit sie auf versteckte Mängel entfielen, die den Klägern beim Erwerb nicht bekannt gewesen seien. Es könne offenbleiben, ob anschaffungsnaher Aufwand oder eine sog. Generalüberholung vorliege. In jedem Falle seien Kosten für versteckte Mängel sofort abziehbar. Seine Überzeugung, daß die Bauaufwendungen im wesentlichen durch verdeckte Mängel verursacht worden seien, stützte das FG auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund von Zeugenaussagen. Die danach als Erhaltungsaufwendungen abziehbaren Kosten für die Beseitigung verdeckter Mängel, die die Kläger mit 256 684 DM beziffert hatten, berücksichtigte das FG im Wege der Schätzung lediglich in Höhe von 75 v. H. dieses Betrages und rechnete die Kosten für die Ölheizung (42 850 DM) hinzu. Ferner ordnete das FG neun Rechnungsbeträge, die bisher dem Wohnhaus zugeordnet waren, den Wirtschaftsgebäuden zu. Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensmängel.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA den Einkommensteuerbescheid 1985 mit Bescheid vom 6. April 1995 hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge für vorläufig erklärt. Dieser Änderungsbescheid ist auf Antrag der Kläger nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
1. Die Vorentscheidung verstößt gegen den Grundsatz der Einzelbewertung (§ 6 EStG), weil das FG bei der Aufteilung der Anschaffungskosten nur den Bodenwertanteil ermittelt hat, während es den Wert des Gebäudeanteils hiervon lediglich abgeleitet hat. Es hat nämlich den Teil der Anschaffungskosten, der den festgestellten Bodenwertanteil übersteigt, als Anschaffungskosten des Gebäudes beurteilt. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung hätte das FG jedoch zunächst sowohl den Bodenwert- als auch den Gebäudewertanteil gesondert bewerten und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Bodenanteil und Gebäudeanteil aufteilen müssen (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, 64f., BStBl II 1985, 252). Schon aus diesem Grund ist die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann die zur Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits erforderliche gesonderte Ermittlung des Gebäudewerts nicht selbst vornehmen. Dies ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. Es wird die entsprechenden Ermittlungen nachzuholen und den Gebäudewert -- notfalls im Wege der Schätzung -- gesondert bestimmen müssen.
Im zweiten Rechtszug wird das FG auch erneut zu entscheiden haben, ob das erworbene Wohnhaus verdeckte Mängel aufgewiesen hat, die einer Beurteilung der strittigen Instandsetzungsaufwendungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten (vgl. dazu BFH-Urteile vom 11. August 1989 IX R 44/86, BFHE 158, 240, BStBl II 1990, 53; vom 30. Juli 1991 IX R 123/90, BFHE 165, 253, BStBl II 1992, 30; vom 29. Oktober 1991 IX R 117/90, BFHE 166, 203, 205, BStBl II 1992, 285; vom 23. September 1992 X R 10/92, BFHE 169, 331, BStBl II 1993, 338) entgegenstehen können. Dabei wird es auch die Tatsache zu würdigen haben, daß den Klägern nach ihrem eigenen Vorbringen das Anwesen bereits zum 31. Dezember 1983 übergeben worden war. Ferner wird das FG eine abschließende Entscheidung nicht treffen können, ohne die städtischen Bauakten und -- wie vom FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG beantragt -- die Akten der beteiligten Architekten beizuziehen. Dies erübrigt sich entgegen der Auffassung des FG nicht deshalb, weil dem Kläger nach Abschluß des Kaufvertrages noch fast neun Wochen blieben, um die Mängel zu entdecken. Dieses Argument des FG beruht offenbar auf der Annahme, daß den genannten Akten keine Angaben zum Zeitpunkt der Entdeckung der Mängel entnommen werden könnten. Das bedeutete jedoch eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 1977 VII R 4/74, BFHE 121, 152, BStBl II 1977, 310).
Fundstellen
Haufe-Index 420737 |
BFH/NV 1996, 116 |