Leitsatz (amtlich)
Die Absetzung für Abnutzung gemäß § 7 Abs.5 EStG 1977/79 setzt nicht voraus, daß das einheitlich geplante Gebäude insgesamt fertiggestellt ist. Es genügt, daß ein Teil des Gebäudes, der einem eigenständigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang dienen soll, abgeschlossen erstellt ist und genutzt wird. Abschreibungsgrundlage sind die gesamten bisher angefallenen Herstellungskosten des Gebäudes.
Orientierungssatz
Wer ein Gebäude errichtet, hat dieses grundsätzlich als einheitliches Wirtschaftsgut mit dem Gesamtbetrag der Herstellungskosten zu bewerten und einheitlich Absetzungen für Abnutzung der Nutzungsdauer entsprechend vorzunehmen. Abschreibungen von unselbständigen Teilen des Gebäudes sind unzulässig sofern es sich nicht um gesetzlich ausdrücklich zugelassene Sonderabschreibungen handelt. Eine Bewertungseinheit in diesem Sinn liegt regelmäßig auch in den Fällen des abschnittsweisen Innenausbaus vor. Die den noch im Bau befindlichen Gebäudeteilen zuzuordnenden Bauteile sind unselbständige Gebäudebestandteile der bereits fertiggestellten Bewertungseinheit. Zwar können verschiedene Nutzungszusammenhänge und Funktionszusammenhänge --auch im Fall eines abschnittsweisen Innenausbaus-- dazu führen, Teile eines Gebäudes als verschiedene Wirtschaftsgüter zu beurteilen. Voraussetzungen für die Annahme mehrerer Wirtschaftsgüter ist jedoch, daß der weitere Gebäudeteil bereits als selbstständiges Wirtschaftsgut entstanden ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 1977 § 7 Abs. 5; EStG 1979 § 7 Abs. 5, 1; EStG 1977 § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 27.05.1987; Aktenzeichen II (III) K 592/83) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein Gärtnermeister, ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmenüberschußrechnung gemäß § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er ist Eigentümer des Grundstücks ...straße 40 in A. Hierauf errichtete er im Jahre 1977 nach Abbruch eines baufälligen Wohngebäudes ein zweigeschossiges, unterkellertes Wohn- und Geschäftshaus. Nach der Bauplanung sollten im Erdgeschoß ein Laden, im ersten Obergeschoß und im Dachgeschoß jeweils eine Wohnung entstehen. Im Jahre 1977 stellte der Kläger außer dem Rohbau nur den Laden fertig, während der Innenausbau der Wohngeschosse zunächst unterblieb.
Bei den Einkommensteuerveranlagungen 1978 und 1979 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich des streitbefangenen Gebäudes jeweils Null DM an; für 1980 berücksichtigte er dagegen die erklärten negativen Einkünfte (Schuldzinsen, Abschreibung). Von den auf das Ladengeschäft entfallenden Gebäudeaufwendungen erkannte das FA antragsgemäß ein Drittel der in den Streitjahren 1978 bis 1980 aufgewendeten Gesamtbaukosten als AfA-Bemessungsgrundlage bei den gewerblichen Einkünften aus der Gärtnerei an.
Im Anschluß an eine Außenprüfung im Jahre 1982 versagte das FA bei den Vermietungseinkünften zwar die Abschreibungen hinsichtlich des streitbefangenen Gebäudes, ließ jedoch die mit den nicht ausgebauten Gebäudeteilen zusammenhängenden Finanzierungskosten (zu zwei Dritteln) antragsgemäß als negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1978 bis 1980 zum Abzug zu.
Der Einspruch, mit dem der Kläger weiterhin Abschreibungen gemäß § 7 Abs.5 EStG auf die gesamten in den Streitjahren angefallenen Herstellungskosten des Gebäudes begehrte, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Seiner Ansicht nach bilden die gesamten, jeweils bis zum Ende eines Streitjahrs angefallenen Herstellungskosten die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung gemäß § 7 Abs.1 Satz 1, § 7 Abs.5 EStG. Auch die übrigen Gebäudeaufwendungen sah es als Betriebsausgaben an. Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 614 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7 EStG.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs.5 EStG auf die gesamten Herstellungskosten gewährt.
1. a) Gemäß § 7 Abs.1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt. Bei Gebäuden, die nach dem 31.Dezember 1964 fertiggestellt wurden, kann der Bauherr, abweichend von § 7 Abs.4 EStG, gemäß § 7 Abs.5 EStG AfA in fallenden Jahresbeträgen geltend machen. Die Fertigstellung erfordert nicht, daß das Gebäude bereits insgesamt entsprechend der Bauplanung fertiggestellt ist; es genügt, daß ein Teil des Gebäudes, der einem eigenständigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang dienen soll (hier: das Ladengeschoß), abgeschlossen erstellt ist und genutzt wird. Der erkennende Senat weicht damit nicht von dem zu § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 ergangenen Urteil des III.Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.Dezember 1988 III R 186/83 (BFHE 155, 450, BStBl II 1989, 203) ab. Nach dieser Entscheidung ist es für die Gewährung der sog. Konjunkturzulage erforderlich, daß das einheitlich geplante und genehmigte Gebäude in all seinen wesentlichen Bereichen für den Betrieb nutzbar ist; das Fertigstellen nur eines Geschosses reicht nicht aus. Der III.Senat hat jedoch ausdrücklich dahinstehen lassen, ob eine Abschreibung auf das Gebäude zulässig war (Abschnitt 4 des Urteils).
b) Aus § 7 Abs.1 EStG folgt, daß Gegenstand der AfA das abnutzbare Wirtschaftsgut im ganzen ist. Wer ein Gebäude errichtet, hat dieses grundsätzlich als einheitliches Wirtschaftsgut mit dem Gesamtbetrag der Herstellungskosten zu bewerten und einheitlich AfA der Nutzungsdauer entsprechend vorzunehmen. Abschreibungen von unselbständigen Teilen des Gebäudes sind unzulässig, sofern es sich nicht um gesetzlich ausdrücklich zugelassene Sonderabschreibungen handelt (BFH-Urteil vom 28.Juni 1983 VIII R 179/79, BFHE 139, 509, BStBl II 1984, 196, m.w.N.).
Eine Bewertungseinheit im vorstehenden Sinn liegt regelmäßig auch in den Fällen des abschnittsweisen Innenausbaus vor, d.h., wenn zunächst nur der Rohbau und ein Teil des Innenausbaus betriebsbereit erstellt werden, das Gebäude im übrigen aber --wie im Streitfall-- erst zu einem späteren Zeitpunkt bauplangemäß fertiggestellt wird (vgl. BFH in BFHE 139, 509, 513, BStBl II 1984, 196 für das abschnittsweise Bauen). Die den noch im Bau befindlichen Gebäudeteilen zuzuordnenden Bauteile (vgl. hierzu Plückebaum in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Rz.B 80 zu § 4) sind unselbständige Gebäudebestandteile der bereits fertiggestellten Bewertungseinheit. Allein deren Nutzung ist maßgebend für die steuerliche Beurteilung; unerheblich ist insoweit die nach den Bauplanungen vorgesehene spätere Verwendung. Zwar können verschiedene Nutzungs- und Funktionszusammenhänge dazu führen, Teile eines Gebäudes als verschiedene Wirtschaftsgüter zu beurteilen (BFH-Beschluß vom 26.November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132). Dies gilt auch im Falle eines abschnittsweisen Innenausbaus. Voraussetzung für die Annahme mehrerer Wirtschaftsgüter ist jedoch, daß der weitere Gebäudeteil bereits als selbständiges Wirtschaftsgut entstanden ist, d.h., er muß der anderen Bestimmung gemäß nutzbar sein (vgl. § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung; BFH-Urteile vom 20.Februar 1975 IV R 241/69, BFHE 115, 133, BStBl II 1975, 412; vom 23.Januar 1980 I R 27/77, BFHE 130, 24, 28, BStBl II 1980, 365).
2. Danach war das vom Kläger in den Streitjahren errichtete Gebäude (Ladenteil und noch nicht fertiggestellter Rohbauteil) als einheitliches Wirtschaftsgut zu beurteilen, und zwar einschließlich der Gebäudeteile, die nach dem Fertigstellen einer nichtgewerblichen Nutzung zugeführt werden sollten. Das FG hat dementsprechend zu Recht sämtliche Gebäudeaufwendungen einschließlich der AfA nach § 7 Abs.5 EStG als Betriebsausgaben angesehen. Solange der Innenausbau der Obergeschosse noch aussteht und deren Nutzungsweise noch offen ist, bestimmt sich --unbeschadet des jeweiligen Fertigungszustandes-- die Zugehörigkeit des Gebäudes zum Betriebsvermögen nach der Nutzung des bereits fertiggestellten und in Gebrauch genommenen Ladengeschäfts. Die Höhe der Bemessungsgrundlage und der sich hieraus ergebenden AfA sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
Fundstellen
Haufe-Index 62860 |
BFH/NV 1989, 47 |
BStBl II 1991, 132 |
BFHE 158, 51 |
BFHE 1990, 51 |
BB 1989, 2309-2310 (LT) |
DB 1989, 2357 (LT) |
DStR 1989, 706 (KT) |
DStZ 1990, 100 (KT) |
HFR 1990, 75 (LT) |