Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der verdeckten Gewinnausschüttung bei der Währungsumstellung von stillen Beteiligungen, die Gesellschaftern einer GmbH neben ihrer Stammeinlage zustehen.
DMBG in der Fassung vom 28. Dezember 1950 § 30 Abs. 3, § 35 Abs. 4, § 73 Abs. 1, § 74 Abs. 1;
Normenkette
KStG § 17 Abs. 1 Ziff. 1; DMBG § 30/3; DMBG § 35 Abs. 4; DMBG § 73/1; DMBG § 74 Abs. 1; AktG § 52
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin - Bfin. - (eine GmbH) hatte im Zeitpunkt der Währungsumstellung drei Gesellschafter, die sämtlich gleichzeitig stille Gesellschafter der GmbH waren. Noch vor Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz schied ein Gesellschafter aus und erhielt seine stille Einlage zurück. In der RM-Schlußbilanz stand die stille Einlage mit 118.642 RM zu Buch. Der Gesellschafter erhielt darauf 40.000 DM ausgezahlt. Des weiteren übernahm die GmbH den Lastenausgleich. Mit dem Betrag von 40.000 DM wurde die Einlage des Gesellschafters in der DM-Eröffnungsbilanz passiviert. Die beiden anderen Gesellschafter erhielten eine Umstellung ihrer stillen Beteiligung im Verhältnis 1:1. Sie wurde ihnen in den Wirtschaftsjahren 1948/1949 und 1949/1950 bar ausgezahlt.
Die Kapitalneufestsetzung bei der GmbH erfolgte im Verhältnis 1:1. Das Finanzamt hat in der höheren Umstellung der stillen Beteiligung als 10:1 bei allen Beteiligten verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe der über 10 % der RM-Beträge hinausgehenden Beträge angenommen. Da die GmbH ein Erfolgseinkommen für den Veranlagungszeitraum II/1948 und 1949 nicht hatte, hat das Finanzamt sie wegen verdeckter Gewinnausschüttung nach § 17 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zur Mindeststeuer herangezogen.
Im Berufungsverfahren berief sich die Bfin. auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. September 1951 II ZR 20/51 (Betriebs-Berater 1951 S. 849). Die stille Beteiligung sei kein Darlehen. Nehme man aber ein Darlehen an, so handle es sich um ein beteiligungsähnliches Darlehen. Es komme dann Abschn. 55 der steuerlichen Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz (DMBR) in der Fassung vom 28. Mai 1951 zur Anwendung.
Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Die Rückwirkung der Umstellungsvereinbarung in § 30 Abs. 3 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) habe nur Bedeutung für die Ermittlung des Erfolgseinkommens des Unternehmens. Im vorliegenden Falle handle es sich nicht um das Erfolgseinkommen. Das Finanzgericht halte sich für seine Beurteilung an das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 1952 II ZR 200/51 (Der Betrieb 1952 S. 183, Betriebs-Berater 1952 S. 154), wonach stille Beteiligungen in jedem Falle wie Eigenkapital umzustellen seien, gleichgültig, ob es sich um eine typische oder atypische stille Beteiligung handle. Wären sämtliche stillen Beteiligungen gleichmäßig wie das Kapital oder 1:1 umgestellt worden, so wäre der Fall einer verdeckten Gewinnausschüttung theoretisch konstruierbar, praktisch aber nicht nachweisbar. Im vorliegenden Falle sei aber der ausscheidende Gesellschafter ungünstiger behandelt worden. Hieraus ergebe sich, daß bei den beiden anderen Gesellschaftern eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege. Der ausscheidende Gesellschafter habe für seine stille Beteiligung 40.000 DM erhalten sowie die Befreiung vom Lastenausgleich, die das Finanzgericht wertmäßig mit 28.000 DM schätze. Dem Nominalbetrag seiner stillen Beteiligung von 118.642 RM stehe somit eine Auszahlung in Höhe von 68.000 DM gegenüber. Im gleichen Verhältnis umgerechnet ergebe sich für die beiden anderen Gesellschafter eine verdeckte Gewinnausschüttung von 24.000 DM. Es sei dies der Betrag, um den die ihnen zugebilligte Umstellung eine Umstellung übersteigen würde, die sich aus dem Verhältnis von 118:68 ergebe.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Firma stützt sich auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I I/52 S vom 29. Januar 1952 (Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 73, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - 1952 S. 350). Das Finanzamt trägt in seiner Stellungnahme vor, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs habe das Ausschüttungsverbot des § 35 Abs. 4 DMBG nicht gewürdigt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Nach § 74 Abs. 1 DMBG ist die ordnungsmäßig aufgestellte handelsrechtliche DM-Eröffnungsbilanz auch die steuerliche DM-Eröffnungsbilanz. Die Beurteilung der einzelnen Bilanzposten muß deshalb zunächst nach handelsrechtlichen Grundsätzen erfolgen. Die steuerliche Ablehnung eines Ansatzes der handelsrechtlichen DM-Eröffnungsbilanz setzt voraus, daß der Ansatz gegen zwingende Vorschriften des D-Markbilanzgesetzes verstößt. Für rechtliche Zweifelsfragen müssen die Grundsätze über die Bedeutung der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte für die steuerliche Beurteilung beachtet werden, wie sie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 10/52 vom 8. Februar 1952 (BStBl. 1952 III S. 71, Bay. FMBl. 1952 S. 390) zum Ausdruck kommen.
Nach § 30 Abs. 1 DMBG sind bei dem Wertansatz von Verbindlichkeiten die Vorschriften des Umstellungsgesetzes und dessen Durchführungsverordnungen zu berücksichtigen. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 DMBG ist bei dem Wertansatz in der DM-Eröffnungsbilanz zu berücksichtigen, wenn eine Verbindlichkeit durch Parteivereinbarung höher oder niedriger festgesetzt worden ist, als dem gesetzlichen Umstellungsverhältnis entsprechen würde. Sachlich bedeutet die Vorschrift, daß die Umstellung der RM-Verpflichtungen in die DM-Verpflichtungen ohne Rücksicht darauf, ob sie in den gesetzlichen Bestimmungen oder in Parteivereinbarungen begründet ist, als Vorgang DER Währungsumstellung das handelsrechtliche und steuerrechtliche Ergebnis der Wirtschaftsjahre nach dem 20. Juni 1948 nicht beeinflussen darf. Es soll die vom gesetzlichen Umstellungsverhältnis abweichende vertragliche Umstellung, auch soweit sie ausschließlich aus betrieblichen Gründen erfolgt, das steuerliche Ergebnis der folgenden Jahr weder erhöhen noch mindern. In der Literatur wird überwiegend angenommen, daß handelsrechtlich betrachtet, auch Verbindlichkeiten einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern durch Vertrag abweichend von den gesetzlichen Vorschriften geregelt werden können. Siehe Geiler-Stehlik-Veith, Kommentar zum D-Markbilanzgesetz § 35 Anm. V e.
Dem Finanzamt ist darin beizupflichten, daß für die Anerkennung einer höheren Umstellung einer Verbindlichkeit gegenüber einem Gesellschafter § 35 Abs. 4 DMBG von Bedeutung sein kann.
Die Umstellung von der RM- zur DM-Bilanz hat zur Folge, daß das Stammkapital neu festgesetzt werden muß. Es liegt zunächst kein Stammkapital vor und es entfällt damit der in dem Stammkapital liegende Gläubigerschutz. So darf nach § 30 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Ebenso § 52 des Aktiengesetzes (AktG). § 35 Abs. 4 DMBG will in ähnlicher Weise die Gläubiger schützen. Er verbietet Zahlungen an die Gesellschafter. Die Umstellung von RM-Verbindlichkeiten in DM-Verbindlichkeiten, auch gegenüber Gesellschaftern, ist ein Vorgang der Währungsumstellung. Nach der überwiegenden Auffassung, der sich der Senat anschließt, steht grundsätzlich § 35 Abs. 4 DMBG einer höheren vertraglichen Umstellung von Verbindlichkeiten einer Körperschaft gegenüber Gesellschaftern nicht entgegen. Die höhere Umstellung als 10:1 ist also nicht ohne weiteres eine "Zahlung" im Sinne dieser Vorschrift. Es ist aber denkbar, daß es sich im Einzelfalle um einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts handelt, durch den im Ergebnis Zahlungen im Sinne des § 35 Abs. 4 DMBG getätigt werden. Dies wird dann der Fall sein, wenn die höhere vertragliche Umstellung gegen berechtigte Gläubigerinteressen verstößt. Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung setzt im übrigen dort, wo nur Gutschriften und keine Auszahlungen an die Gesellschafter vorliegen, voraus, daß man die erhöhte Umstellung für die der DM-Eröffnungsbilanz folgende Bilanz anerkennt. Der Vorgang kann aber nur einheitlich gewürdigt werden. Hält man die erhöhte Umstellung als mit § 35 Abs. 4 DMBG vereinbar, so muß man den erhöhten Betrag sowohl in der DM-Eröffnungsbilanz wie in der ihr folgenden Bilanz ausweisen. Erkennt man sie nicht an, so wird man im allgemeinen die Verbindlichkeit in beiden Bilanzen nur mit dem Betrag, der der gesetzlichen Umstellung entspricht, ansetzen können. Für spätere Bilanzen kann die Rechtslage anders ein.
Auch für diese Frage wird der Rechtsprechung der bürgerlichen Gerichte wesentliche Bedeutung zuzumessen sein. Verstößt die vertragliche Umstellung einer Verbindlichkeit gegenüber einem Gesellschafter gegen die Bestimmungen des § 35 Abs. 4 DMBG, kann sie also für die DM-Eröffnungsbilanz nicht anerkannt werden, und sind die entsprechenden Vermögenswerte den Gesellschaftern tatsächlich zugeflossen, so bestehen gegen die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung keine Bedenken.
Im vorliegenden Falle ist, wie auch in dem Falle der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 1/52 S, das Kapital der Gesellschaft 1:1 umgestellt worden. Hierzu kommt noch, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Umstellung der stillen Beteiligung bereits nach den gesetzlichen Bestimmungen höher als 10:1, vermutlich 1:1 hätte erfolgen müssen (siehe auch die im Betriebs-Berater 1951 S. 624 und 1952 S. 154 veröffentlichten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs). Es handelt sich dann um keinen Vorgang, für den § 35 Abs. 4 DMBG in Frage kommen könnte. Aber auch, wenn man eine vertragliche Umstellung als Rechtsgrundlage annimmt, bieten die Unterlagen keinen Anhalt, daß gegen berechtigte Gläubigerinteressen verstoßen worden ist oder verstoßen werden sollte. Das Finanzamt hat keine Unterlagen erbracht, die dafür sprechen.
Das Finanzgericht stützt seine Entscheidung darauf, daß bei der Mindestbesteuerung, der keine Gewinnerrechnung zugrunde liege, § 74 Abs. 1 DMBG rechtlich nicht von Bedeutung sei. Dieser Ansicht kann, wie bereits in der Entscheidung I 1/52 S zum Ausdruck kommt, nicht beigepflichtet werden. Die Währungsumstellung, auch soweit sie auf vertraglicher Grundlage vorgenommen wird, ist ein Vorgang, der für die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag bereits in der DM-Eröffnungsbilanz seinen Ausdruck finden soll. Nach der rechtlichen Betrachtung spielt sich somit der Vorgang nicht in Wirtschaftsjahren ab, die nach dem 20. Juni 1948 zu laufen begonnen haben. Es ist somit, körperschaftsteuerlich betrachtet, auch in diesen Zeitabschnitten kein Gewinn ausgeschüttet worden.
Das Finanzgericht mißt weiterhin der Tatsache Bedeutung zu, daß die Gesellschaft ihren Gesellschaftern gegenüber nicht gleichmäßig verfahren sei. Auch diesen Erwägungen kann nicht gefolgt werden. Es muß dem Ermessen des Kaufmannes überlassen bleiben, wie er seine Verbindlichkeiten mit seinen Gläubigern regelt. Es würde auch schwer festzustellen sein, welche Gesichtspunkte ihn zu seinen Maßnahmen im Einzelfalle jeweils veranlaßt haben. Im allgemeinen wird davon auszugehen sein, daß die Vorgänge der Währungsumstellung nach dem Willen des Gesetzes das steuerliche Ergebnis der Körperschaften weder nach unten noch nach oben beeinflussen sollen.
Die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und der Steuerbescheid müssen, da die Firma mit Verlust abgeschnitten hat, ersatzlos aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407487 |
BStBl III 1952, 276 |
BFHE 1953, 719 |
BFHE 56, 719 |
BB 1952, 822 |
DB 1952, 942 |