Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Vom Erwerber anteilig übernommene Straßenbaukosten als Teil der Gegenleistung.
Normenkette
GrEStG § 11 Abs. 1 Ziff. 1, § 11/2/2
Tatbestand
Der Bg. kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 30. Dezember 1955 ein in Bremen "an der projektierten Straße" belegenes Grundstück in einer Breite von ca. 60 m und in einer Tiefe von ca. 48 m. Die genaue Größe des Grundstücks - eine größere Grundfläche war in 17 Teilgrundstücke aufgeteilt worden - sollte durch die katasteramtliche Vermessung ermittelt werden.
Streitig ist, ob die anteiligen Kosten für Straßen- und Brückenbau usw. bei Berechnung der Grunderwerbsteuer als Teil der Gegenleistung anzusetzen sind. Dazu wurde in den §§ 4 und 5 des vorerwähnten Kaufvertrages vereinbart:
"... § 4 Der Ausbau der projektierten Straßen und Wege einschließlich Brücke, die im Konklusumsplan mit A - B und C - D eingezeichnet sind, wird vom Verkäufer beantragt werden. Die anteiligen Kosten für Straßen- und Brückenbau usw., Verlegung des Hauptwasserrohrs entsprechend den Vorschriften des Konklusumsplans sind von dem Käufer zu tragen und werden mit DM 4,50 je qm geschätzt. Sollten sich die tatsächlichen Kosten erhöhen, so ist der Käufer verpflichtet, im Verhältnis der Erhöhung eine Nachzahlung je qm der von ihm gekauften Fläche zu leisten. Die Unterlagen über die Kosten des Straßenbaues usw. können zu gegebener Zeit bei dem beurkundenden Notar eingesehen werden.
Der Käufer hat bei Abschluß dieses Vertrages einen Betrag von zunächst DM 11.000 zu Händen des beurkundenden Notars zu zahlen und ermächtigt den Notar, diese Summe an das Amt für Straßen- und Brückenbau weiterzuleiten.
§ 5 Nach Abs. 7 der Bestimmungen des Herrn Bausenators für die Anlegung der projektierten Straße werden die Grundstücke "an nicht fertiger Straße" verkauft. Die Erwerber haben für den endgültigen Ausbau der Straße die gesetzlichen Beiträge zu entrichten, soweit diese Kosten nicht durch den Betrag laut § 4 dieses Vertrages aufgebracht worden sind."
Die Genehmigung zum Straßenbau war dem Verkäufer am 12. September 1955 erteilt worden. Nachdem die 17 Teilgrundstücke fast sämtlich verkauft waren, wurde der Straßenbau am 23. August 1956 beantragt (der Bau der Brücke war schon am 20. März 1956 beantragt worden), und zwar vom Verkäufer im Namen der Käufer.
Im vorläufigen Steuerbescheid vom 13. Januar 1956 wurden 11.070 DM Straßenbaukosten zur Gegenleistung gerechnet. Der Steuerbescheid war vorläufig, weil das Grundstück nicht vermessen war und die genaue Höhe der Straßenbaukosten nicht feststand.
Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung wurde die Steuer - unter Verminderung der Gegenleistung um 11.070 DM Straßenbaukosten - ermäßigt.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist von Erfolg.
I. - Richtig ist, daß nach § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) "die auf dem Grundstück ruhenden dauernden Lasten" nicht zur Gegenleistung gehören. Zu Unrecht nimmt jedoch das Finanzgericht an, daß eine solche Last im Streitfall vorliegt. Als dauernde Lasten sind nur solche Lasten anzusehen, mit deren Wegfall der Eigentümer des Grundstücks oder sein Rechtsnachfolger in absehbarer Zeit nicht rechnen kann, so daß sie im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Grundstücken der in Betracht kommenden Art als eine dauernde wertmindernde Eigenschaft empfunden werden. Siehe das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 390/34 vom 18. Januar 1935 (RStBl 1935 S. 604) und das Urteil des Senats II 193/56 U vom 25. März 1958 (BStBl 1958 III S. 239, Slg. Bd. 66 S. 623). Daß die Last eine solche öffentlich-rechtlicher Art ist, wird nicht gefordert. In der Rechtsprechung sind auch privatrechtliche Belastungen als dauernde Lasten im Sinne des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG angesehen worden, z. B. immerwährende Grunddienstbarkeiten. Siehe die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 529/31 vom 13. Oktober 1931 (RStBl 1932 S. 90, Slg. Bd. 29 S. 348) und II A 560/31 vom 12. April 1932 (RStBl 1932 S. 880, Slg. Bd. 31 S. 243). In anderen Fällen sind umgekehrt öffentliche Lasten nicht den dauernden Lasten im Sinne des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG, sondern den nichtdauernden Lasten im Sinne des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG zugerechnet worden, z. B. Hauszinssteuerabgeltungsbeträge (Urteil des Reichsfinanzhofs II 36/43 vom 20. Dezember 1943, RStBl 1944 S. 445, Slg. Bd. 54 S. 24) und Hypothekengewinnabgaben (Urteil des Senats II 213/55 U vom 7. März 1956, BStBl 1956 III S. 132, Slg. Bd. 62 S. 358). Hiernach kann, wie keiner weiteren Erläuterung bedarf, in der Verpflichtung zur einmaligen Zahlung der Kosten für den vorläufigen Ausbau von Straßen usw. eine dauernde Last nicht erblickt werden. Eine andere Frage ist, ob die Verpflichtung zur Leistung laufender Beiträge zum Ausbau der Straße (ß 5 Satz 2 des Kaufvertrages vom 30. Dezember 1955) als dauernde Last zu gelten hat; diese Frage ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
II. - Aus dem Umstand, daß die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten für den vorläufigen Ausbau der Straßen usw. keine dauernde Last darstellt, kann andererseits nicht bereits gefolgert werden, daß diese Verpflichtung damit der Gegenleistung zuzurechnen ist. Dazu ist vielmehr erforderlich, daß sie eine sonstige Leistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG oder eine nicht-dauernde Grundstücksbelastung im Sinne des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG ist.
Als nicht-dauernde Grundstücksbelastungen im Sinne der letztgenannten Vorschrift kommen allerdings nicht nur Belastungen privatrechtlicher Art (Beispiele: Hypotheken, Grundschulden oder Rentenschulden), sondern auch solche öffentlich-rechtlicher Art (Beispiele: die bereits erwähnten Hauszinssteuerabgeltungsbeträge und die Hypothekengewinnabgaben) in Betracht. Die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG kann also nicht bereits deshalb verneint werden, weil die bezeichnete Verpflichtung im Verhältnis zur Stadt Bremen als öffentliche Last anzusprechen ist. Auf die Ausführungen des Finanzamts dahingehend, daß die Verpflichtung keine öffentliche Last darstellt, kommt es somit nicht an. Erforderlich ist jedoch, daß die Verpflichtung eine Grundstücksbelastung im Sinne der angeführten Vorschrift ist. Mit anderen Worten: Die Verpflichtung muß auf dem Grundstück ruhen - auch wenn sie als solche nicht im Grundbuch eingetragen ist -, ohne besondere Abrede kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen (siehe dazu das Urteil des Senats II 211/56 U vom 27. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 110, Slg. Bd. 64 S. 288) und bereits bei Entstehung der Steuerschuld (hier offenbar der 30. Dezember 1955; siehe dazu § 3 Abs. 5 Ziff. 5 des Steueranpassungsgesetzes in der Fassung des GrEStG 1940) bestanden haben. Zwar sind die zuerst genannten beiden Voraussetzungen gegeben. Siehe dazu § 185 Abs. 7 der bremischen Bauordnung vom 21. Oktober 1906 in der Fassung der späteren änderungsgesetze. Danach ruht die Beitragspflicht als öffentliche Last auf dem verpflichteten ganzen Grundstück; zahlungspflichtig ist derjenige, in dessen Eigentum das Grundstück am Tage der Fälligkeit eines Beitrags steht.
Das letztgenannte Merkmal ist jedoch im Streitfall nicht erfüllt. Wie das Finanzgericht unter Hinweis auf § 185 Abs. 1 der bremischen Bauordnung ausführt, entsteht die Zahlungspflicht erst bei der Bebauung; daraus folgt im Streitfall, daß die Zahlungspflicht bei Entstehung der Steuerschuld noch nicht bestand. Wäre dagegen anzunehmen - was jedoch der Senat verneint -, daß mit dem Abschluß des Kaufvertrages durch die Verpflichtungserklärung gemäß § 170 Abs. 1 Halbsatz 2 der bremischen Bauordnung eine öffentliche Last und damit eine Belastung auf Grund der Vorschrift des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG entstand, so müßte diese als Teil der Gegenleistung angesehen werden, zumal sogar die Neubegründung einer dauernden Last nach § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG zur Gegenleistung zu rechnen ist. Siehe das Urteil des Bundesfinanzhofs II 129/51 U vom 27. Februar 1952 (BStBl 1952 III S. 98, Slg. Bd. 56 S. 250); siehe außerdem Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., 1957, Bem. 43 Abs. 7 (S. 370). War aber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld eine öffentliche Last im Sinne des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG nicht vorhanden und wird außerdem angenommen, daß eine solche Last in diesem Zeitpunkt nicht zur Entstehung gelangte, so ergibt sich die weitere Frage, ob nicht die im § 4 des Kaufvertrages übernommene Verpflichtung als Verpflichtung privatrechtlicher Art eine "sonstige Leistung" im Sinne des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG darstellt. Dies ist im Hinblick auf die eindeutigen Erklärungen der Vertragsparteien unbedenklich zu bejahen. Es kann nicht darauf ankommen, welche sonstigen Gestaltungsmöglichkeiten bestanden hätten, insbesondere auch nicht darauf, daß der Veräußerer den Antrag auf Vornahme des Brücken- und Straßenbaus im Namen der Erwerber als deren Bevollmächtigter beantragt hat. Entscheidend ist ausschließlich, was im Streitfall tatsächlich geschehen ist; tatsächlich hat der Erwerber eine private, im Privatrechtsweg verfolgbare Verpflichtung übernommen; damit ist eine Gegenleistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG gegeben. Eine Verpflichtung im Kaufvertrag könnte nur dann nicht als Gegenleistung angesehen werden, wenn eine bereits bestehende dauernde Last im Sinne des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG übernommen worden wäre; diese Voraussetzungen sind jedoch, um es zu wiederholen, im Streitfall nicht gegeben.
Die Straßenbaukosten sind demnach, auch wenn im Zeitpunkt des Kaufabschlusses keine öffentliche Last zur Entstehung gelangte, in jedem Fall gemäß § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG Teil der Gegenleistung.
Die sowohl vom Finanzamt als auch vom Bg. angeführten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs stehen mit diesem Ergebnis im Einklang.
Die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 29/23 vom 20. Februar 1923 (RStBl 1923 S. 263, Slg. Bd. 11 S. 314) und II A 266/31 vom 5. Januar 1932 (Steuer und Wirtschaft 1932 Nr. 668 = Mrozek-Kartei, GrEStG 1919/1927, § 11 Rechtsspruch 72) betreffen laufende Straßenanliegerbeiträge. Derartige Beiträge fallen jetzt, wie bereits ausgeführt wurde, unter die Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG 1940. Vor dem GrEStG 1940 galt die ähnlich lautende Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1919/1927. Etwaige Zahlungsverpflichtungen gehörten also nach dem GrEStG 1919/1927 ebenso wie nach dem GrEStG 1940 nicht zur Gegenleistung. Demgegenüber betrafen die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 381/31 vom 19. April 1932 (Steuer und Wirtschaft 1933 Nr. 59) und II 135/41 vom 11. März 1943 (RStBl 1943 S. 397, Slg. Bd. 53 S. 45) Verpflichtungen, bei denen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1919/1927 (jetzt § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG 1940) nicht gegeben waren.
Das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg III 28/56 vom 23. Februar 1956 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1956 S. 203), auf das der Bg. hinweist, darf nicht mißverstanden werden. Es betrifft nicht die Grunderwerbsteuer, sondern die Einkommensteuer, und dort außerdem eine anders gelagerte Rechtsfrage.
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und in der spruchreifen Sache dahin zu erkennen, daß die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 409491 |
BStBl III 1959, 468 |
BFHE 1960, 558 |
BFHE 69, 558 |