Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Rente ohne Rechtsanspruch ist bei der Vermögensteuer mit dem Kapitalwerte anzusetzen, wenn der Empfänger am Stichtage auf die fortdauernde Zahlung sicher rechnen kann.
Witwengelder einer Versorgungskasse deutscher Künstler gehören mit ihrem Kapitalwerte nicht zu den nach § 67 Abs. 1 Ziff. 5 begünstigten Urheberrechten.
Normenkette
BewG § 67 Abs. 1 Ziff. 4, § 110/1/4, § 67 Abs. 1 Ziff. 5, § 110/1/5
Tatbestand
Streitig ist die Heranziehung des Kapitalwertes einer Rente zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1953.
Die Bfin. ist Witwe eines im Jahre 1938 verstorbenen Textdichters, dessen Urheberrechte die deutsche Urheberrechtsgesellschaft GEMA, vormals Stagma, wahrnahm. Die dort zusammengeschlossenen Textdichter hatten die rechtsfähige Versorgungsstiftung der deutschen Textdichter gegründet, die nach ihrer Satzung die Gewährung eines Witwengeldes ohne Rechtsanspruchs vorsah. Seit dem Tode ihres Ehemannes erhielt die Bfin., abgesehen von einer kurzen Unterbrechung nach dem Kriege, neben den von der GEMA aus der Verwaltung der Urheberrechte eingezogenen Beträgen von der Stiftung Witwengeld. Das Finanzamt zog den kapitalisierten Wert nach § 67 Abs. 1 Ziff. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) zur Vermögensteuer heran.
Die Bfin. machte geltend, durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom Jahre 1950 sei die Kapitalisierung des Witwengeldes auf den 1. Januar 1946 abgelehnt worden, da sie, die Bfin., wegen der damaligen unsicheren Verhältnisse nicht mit Sicherheit auf die fortlaufende Zahlung habe rechnen können. Daran habe sich nichts geändert. Die GEMA habe im Jahre 1956 die Errichtung einer Sozialkasse für ihre Mitglieder beschlossen, die die Versorgungsstiftungen habe ablösen sollen. Danach erhielten nur noch die wirtschaftlich bedürftigen Witwen, zu denen sie, die Bfin., nicht zu rechnen sei, Leistungen der Sozialkasse. Sie habe keinen Rechtsanspruch auf Weiterzahlung des Witwengeldes. Diese Neuregelung müsse nach Bilanzgrundsätzen bereits bei der Vermögensteuerveranlagung zum 1. Januar 1953 berücksichtigt werden. Außerdem seien die Witwengelder Erträgnisse des Urheberrechtes ihres verstorbenen Ehemannes und gehörten daher nach der Befreiungsvorschrift des § 67 Abs. 1 Ziff. 5 BewG nicht zum sonstigen Vermögen.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht bejahte den tatsächlichen Bestand einer Rentenforderung am 1. Januar 1953, auf deren Zahlung die Bfin. damals mit Sicherheit habe rechnen können. Die spätere Regelung durch die GEMA im Jahre 1956 sei für die Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1953 unbeachtlich. Bei dem Witwengeld aus der Stiftung handle es sich nicht um Urheberrechte im Sinne des § 67 Abs. 1 Ziff. 5 BewG, sondern um Versorgungsleistungen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der Kapitalwert des Witwengeldes auf den 1. Januar 1953 gehört zum sonstigen Vermögen, das der Vermögensteuer unterliegt. Das Witwengeld stellt eine Rente auf Grund eines Stammrechtes dar, die der Bfin. damals schon länger als 10 Jahre zugestanden hatte. Für einen bewertungsfähigen Kapitalwert genügt es, daß der Empfänger mit Sicherheit auf die fortdauernde Zahlung rechnen kann, auch wenn es an einem klagbaren bürgerlich-rechtlichen Anspruche fehlt (Urteil des Reichsfinanzhofs III A 192/36 vom 8. Januar 1937, RStBl 1937 S. 347). Somit liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 67 Abs. 1 Ziff. 4 BewG vor. Die tatsächlichen Betrachtungen und die rechtlichen Erwägungen hierüber sind nach dem das Bewertungsrecht beherrschenden Stichtagsprinzip auf den 1. Januar 1953 abzustellen. Damals war der von der GEMA im Jahre 1956 gefaßte Beschluß über Ablösung der Versorgungsstiftung durch die Errichtung einer anders gestalteten Sozialkasse nicht voraussehbar. Bei der Bewertung sind die Verhältnisse am Stichtage maßgebend; die spätere bessere Erkenntnis kann nicht verwertet werden. Wenn der erkennende Senat in dem Urteil III 200/55 S vom 13. Januar 1956 (BStBl 1956 III S. 62, Slg. Bd. 62 S. 165) ausgeführt hat, bei der Ermittlung des Wertes ungewisser Nutzungen gemäß § 17 BewG könnten ausnahmsweise auch nach dem Stichtage eingetretene, aber bereits voraussehbare Umstände berücksichtigt werden, die "nicht allzulange" danach lägen, so kann die Bfin. damit nicht die Berücksichtigung der über zwei Jahre später erfolgten und am Stichtage noch nicht voraussehbaren Umwandlung der Versorgungsstiftung begründen.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom Jahre 1950 ist für die hier streitige Bewertung ohne rechtliche Bedeutung und geht in tatsächlicher Hinsicht von den besonderen Zeitumständen des Jahres 1946 aus.
Schließlich hat das Finanzgericht zutreffend den von der Bfin. hilfsweise geltend gemachten Einwand, das Witwengeld sei ein Erträgnis des Urheberrechts an Werken des Schrifttums oder der Tonkunst ihres verstorbenen Ehemannes und gehöre daher nach § 67 Abs. 1 Ziff. 5 BewG nicht zum sonstigen Vermögen, als unbegründet zurückgewiesen. Das Witwengeld gehört nicht zu den begünstigten Urheberrechten, die im Eigentum der Bfin. stehen und einem Dritten gegen Beteiligung zur Ausnutzung übertragen sind (vgl. hierzu Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 1. und 2. Aufl., § 67 Anm. 6 Abs. a und b). Unter diese Vorschrift dürften die von der GEMA gesondert an die Bfin. abgeführten Beträge aus der Verwaltung der Urheberrechte des verstorbenen Ehemannes, die hier nicht zur Erörterung stehen, fallen. Das Witwengeld ist eine Versorgungsleistung auf anderer rechtlicher und tatsächlicher Grundlage und hängt mit den Urheberrechten nur insoweit mittelbar zusammen, als Bezüge aus Urheberrechten die Zugehörigkeit zu der Versorgungskasse ermöglichten. Dadurch wird jedoch nicht die kapitalisierte Rente aus der selbständigen Versorgungskasse ihrerseits zu einem Urheberrecht.
Fundstellen
Haufe-Index 409799 |
BStBl III 1961, 18 |
BFHE 1961, 43 |
BFHE 72, 43 |