Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zuordnung eines nicht vom Betriebsinhaber bewohnten Anbaus an ein landwirtschaftliches Wohn gebäude zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen
Leitsatz (NV)
Führen Angehörige eines Landwirts in einem Anbau an dessen Wohngebäude einen eigenen Hausstand, kann der Anbau nur dann dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zugerechnet werden, wenn die Angehörigen nicht nur gelegentlich im Betrieb tätig sind. Die Zusammenfassung von Wohngebäude und Anbau zu einer wirtschaftlichen Einheit setzt voraus, daß beide Gebäudeteile derselben Vermögensart angehören.
Normenkette
BewG § 2 Abs. 1, § 33 Abs. 1-2, § 34 Abs. 1, 3, § 68 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der alleinige Rechtsnachfolger seines 1991 verstorbenen Vaters, des ursprünglichen Klägers. Dieser bewirtschaftete von seinem 2,1 ha großen Grundstück in X einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Größe von rund 9 ha. Wirtschaftlicher Schwerpunkt ist der ebenfalls auf dem Grundstück betriebene Viehhandel sowie eine Schlachterei, in der rund 400 Schlachttiere je Woche verarbeitet werden. Aufgrund einer für den Anbau einer Altenteilerwohnung beantragten Baugenehmigung wurde an das vorhandene Wohnhaus ein rechtwinklig sich anschließender eingeschossiger Anbau mit einer Wohnfläche von rund 107 qm errichtet. Seit Bezugsfertigkeit bewohnen der Kläger und seine Familie diesen Anbau. Altbau und Anbau sind -- infolge der Beseitigung einer Außenwand des Altbaus -- durch ein gemeinsames Wohnzimmer verbunden, das sich sowohl auf den Altbau- als auch auf den Neubaubereich erstreckt. Der Anbau wird über die Anschlüsse des Altbaus mit Elektrizität, Be- und Entwässerung sowie Heizung versorgt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) bewertete den Anbau als selbständige wirtschaftliche Einheit und stellte hierfür durch Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1983 die Grundstücksart "Mietwohngrundstück" mit einem Einheitswert von 27 000 DM fest. Der Altbau wurde demgegenüber mit seinem Wohnungswert im Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erfaßt.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte im wesentlichen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hob den Nachfeststellungsbescheid auf, da der Anbau nicht als neu entstandene selbständige wirtschaftliche Einheit bewertet werden könne. Gegen eine selbständige wirtschaftliche Einheit sprächen schon die baulichen Verhältnisse. Außerdem könne der Neubau nicht selbständig veräußert werden.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 i. V. m. § 68 Abs. 1, § 33 Abs. 1 i. V. m. § 34 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Bewertungsgesetzes -- BewG --).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das FG hat die Zuordnung des Anbaus an das Wohngebäude zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen nach rechtlich unzutreffenden Kriterien bestimmt.
1. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BewG gehören zum land- und forstwirtschaftlichen Ver mögen alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind. Hierzu rechnen gemäß § 33 Abs. 2 BewG auch die Gebäude und Gebäudeteile, soweit sie dem Inhaber des Betriebs und seiner Familie zu Wohnzwecken dienen (vgl. § 34 Abs. 3 BewG), wenn der Betriebsinhaber oder eines der zu seinem Haushalt gehörenden Familienmitglieder durch eine mehr als nur gelegentliche Tätigkeit an den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gebunden ist (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 28. März 1990 II R 125/87, BFHE 160, 276, BStBl II 1990, 727; vom 9. Mai 1990 II R 19/88, BFHE 161, 163, BStBl II 1990, 729, und vom 25. November 1983 III R 73/80, BFHE 140, 295, 297, BStBl II 1984, 292, 293 m. w. N.).
Nach den Feststellungen der Vorinstanz bildeten am Bewertungsstichtag der ebenfalls auf dem Anwesen betriebene Viehhandel und die Schlachterei den wirtschaftlichen Schwerpunkt. Es erscheint daher bereits zweifelhaft, ob die Hofstelle einschließlich des Wohngebäudes (Altbau) im Streitfall überhaupt einem land- und forstwirtschaftlichen Hauptzweck dienen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs -- RFH -- vom 12. März 1931 III A 446/30, RStBl 1931, 627). Denn bei dem von der Vorinstanz festgestellten Umfang der Schlachterei, die ebenso wie der Viehhandel einen Gewerbebetrieb bildet, ist nicht -- jedenfalls nicht von vorn herein -- auszuschließen, daß sich der Betriebsinhaber nur gelegentlich der Bewirtschaftung seiner landwirtschaftlichen Nutzflächen widmet (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1975 III R 51/74, BFHE 118, 71, BStBl II 1976, 281). In diesem Fall wäre aber das Wohngebäude insgesamt, d. h. Altbau und Anbau, nicht dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, sondern dem Grundvermögen zuzuordnen.
Geht man aber mit den Beteiligten davon aus, daß das vor dem Anbau bereits vorhandene Wohnhaus (Altbau) am Stichtag einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt war und deshalb gemäß § 33 Abs. 1 und 2, § 34 Abs. 3 BewG zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört, kommt es im Streitfall auf die Zuordnung des Anbaus entscheidend darauf an, in welchem Umfang der Kläger und/oder seine Ehefrau im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mitgearbeitet haben. Denn der Umstand, daß es sich bei dem Kläger um den Sohn des Betriebsinhabers handelt, rechtfertigt für sich allein nicht die Schlußfolgerung, daß die Wohnung des Klägers (Anbau) zusammen mit der Wohnung des Vaters (Altbau) ebenfalls dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Vaters "dauernd zu dienen bestimmt" ist. Dazu wäre nach § 34 Abs. 3 BewG Voraussetzung, daß der Kläger und seine Ehefrau zum Haushalt des Betriebs inhabers gehören. Davon kann jedoch entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht ausgegangen werden. Denn der Kläger und seine Ehefrau bewohnen nach den Feststellungen der Vorinstanz in dem Anbau seit 1982 eine vollständige, d. h. u. a. mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Wirtschaftsraum und Bad ausgestattete Wohnung. Sie führen folglich einen eigenen Hausstand und gehören damit nicht mehr zum Haushalt des Betriebsinhabers. Daran ändert -- entgegen der Auffassung des FG -- auch der Umstand des regelmäßigen gemeinsamen Kochens nichts.
Der vom Kläger und seiner Ehefrau bewohnte Anbau könnte -- vergleichbar den (fremden) landwirtschaftlichen Arbeitskräften zu Wohnzwecken überlassenen Gebäuden oder Gebäudeteilen -- nur dann zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gerechnet werden, wenn der Kläger und/oder seine Ehefrau am Bewertungsstichtag im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb tätig waren. Auch wenn es hierfür nicht erforderlich ist, daß der Wohnungs inhaber ganz in dem Betrieb tätig ist, reicht doch eine nur gelegentliche Tätigkeit des Klägers oder seiner Ehefrau nicht aus (vgl. BFH in BFHE 118, 71, BStBl II 1976, 281). Soweit es nach Abschn. 103 Abs. 4 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens genügt, daß eine Arbeitskraft wenigstens 100 Tage im Jahr mitzuarbeiten verpflichtet ist, hält der Senat dies für eine sachgerechte Abgrenzungsregelung.
Dagegen ist es unerheblich, daß der Anbau als Altenteilerwohnung beantragt und genehmigt worden ist. Denn eine Altenteilerwohnung gehört nur dann zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, wenn sie tatsächlich dazu bestimmt ist, dauernd Altenteilern zu Wohnzwecken zu dienen und gemäß § 34 Abs. 3 BewG tatsächlich von Altenteilern genutzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1987 III R 89/82, BFH/NV 1988, 52). Dies ist hier unstreitig nicht der Fall.
Soweit die Vorinstanz zur Begründung der Aufhebung des angegriffenen Nachfeststellungsbescheids entscheidend darauf abstellt, daß der Anbau aufgrund seiner bau lichen Verbindung mit dem Altbau sowie mangels selbständiger Veräußerbarkeit keine nachträglich entstandene wirtschaftliche Einheit i. S. des § 2 BewG sei, verkennt sie, daß eine wirtschaftliche Einheit nur aus Wirtschaftsgütern gebildet werden kann, die derselben Vermögensart ange hören (vgl. § 33 Abs. 1 und § 70 Abs. 1 BewG); denn die wirtschaftliche Einheit bezieht sich immer nur auf eine Vermögensart (vgl. BFH in BFHE 118, 71, BStBl II 1976, 281 m. w. N.). Das FG durfte daher die vorrangig zu prüfende Frage, ob der Anbau dauernd einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sei, im Streitfall nicht dahingestellt bleiben lassen.
2. Die von anderen Grundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen über die nach Auffassung des Senats entscheidungserhebliche Frage der Mitarbeit des Klägers oder seiner Ehefrau im elterlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb getroffen. War der Kläger, wie vom FA vorgetragen, in der Schlachterei seines Vaters tätig, in der nach den Feststellungen des FG wöchentlich etwa 400 Schlachttiere verarbeitet wurden, so spricht dieser Umstand dafür, daß der Kläger seine Arbeitskraft in dem Gewerbebetrieb und nicht im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters eingesetzt hat. Entsprechendes gilt bezüglich der Mitarbeit der Ehefrau des Klägers im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, falls diese, wie vom FA geltend gemacht, am Bewertungsstichtag als Sozialpädagogin eine nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 420371 |
BFH/NV 1995, 495 |