Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zuordnung eines Wohngebäudes zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen
Leitsatz (NV)
1. Die Zuordnung einer Wohnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Wohnung nicht im Eigentum des die Land- und Forstwirtschaft betreibenden Landwirts steht. Entscheidend ist vielmehr, ob die Wohnung einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt ist.
2. Eine wirtschaftliche Einheit i. S. des § 2 BewG kann nur aus Wirtschaftsgütern ge bildet werden, die derselben Vermögensart angehören.
Normenkette
BewG §§ 2, 33 Abs. 1-2, § 34 Abs. 3, § 70 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zwei Brüder, erwarben im Jahre 1986 das Grundstück A-Weg in B, das mit einem zweigeschossigen Wohnhaus und mit Wirtschaftsgebäuden bebaut ist. Das Grundstück hatte der Vater der Kläger, ein Landwirt, bis zu diesem Zeitpunkt gepachtet und von hier aus eine Landwirtschaft betrieben. Nach dem Erwerb des Grundstücks durch die Kläger bewohnte der Vater zusammen mit dem Kläger zu 2 die Wohnung im Erdgeschoß des Wohnhauses. Der Kläger zu 1 bewohnt mit seiner Familie die Wohnung im Obergeschoß.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) stellte für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft A-Weg in B auf den 1. Januar 1987 im Wege der Nachfeststellung mit Bescheid vom 21. Oktober 1987 einen Einheitswert in Höhe von 48 400 DM fest. Dabei ging das FA von einer Hof- und Gebäudefläche von 1 890 qm aus und ermittelte den Wirtschaftswert aufgrund eines Zuschlags wegen verstärkter Tierhaltung in Höhe von 40 001 DM; die Wohnung im Erdgeschoß erfaßte das FA mit einem Wohnungswert in Höhe von 8 421 DM. Der Einheitswert wurde dem Kläger zu 1 in Höhe von 4/5, dem Kläger zu 2 in Höhe von 1/5 zugerechnet.
Außerdem bewertete das FA die vom Kläger zu 1 und dessen Familie bewohnte Obergeschoßwohnung durch eine weitere Nachfeststellung auf den 1. Januar 1987 als Mietwohngrundstück (Grundvermögen) und stellte mit Bescheid vom 21. Oktober 1987 den Einheitswert in Höhe von 14 000 DM fest. Davon wurde ein Anteil von 4/5 dem Kläger zu 1 und ein Anteil von 1/5 dem Kläger zu 2 zugerechnet.
Die nach erfolglosem Einspruch gegen beide Nachfeststellungsbescheide erhobenen, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen hatten Er folg. Das Finanzgericht (FG) bewertete das Grundstück der Kläger unter Aufhebung der angefochtenen Nachfeststellungsbescheide als Zweifamilienhaus, da es zwei Wohnungen enthalte und eine Zuordnung der Erdgeschoßwohnung zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Vaters der Kläger ausgeschlossen sei.
Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klagen abzuweisen. Das FA rügt sinngemäß die Verletzung der §§ 2, 33 und 34 des Bewertungsgesetzes (BewG). Das FG habe verkannt, daß Grundbesitz, der ausschließlich land- und forstwirtschaftlichen Zweken diene, dem land- und forstwirtschaft lichen Vermögen auch dann zuzurechnen sei, wenn er nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehe.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das FG hat die Zuordnung des gesamten streitbefangenen Grundstücks zum Grundvermögen nach rechtlich unzutreffenden Kriterien bestimmt. Der zu einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehörende Wohnteil (§ 34 Abs. 1 BewG) umfaßt die Gebäude und Gebäudeteile, soweit sie dem Inhaber des Betriebs, den zu seinem Haushalt gehörenden Familienangehörigen und den Altenteilern zu Wohnzwecken dienen (§ 34 Abs. 3 BewG). Die Zuordnung der Erdgeschoßwohnung der Kläger zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil diese Wohnung nicht im Eigentum des die Land- und Forstwirtschaft betreibenden Vaters steht. Entscheidend ist vielmehr, ob diese Wohnung einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft wirtschaftlich dauernd zu dienen bestimmt ist (§ 33 Abs. 1 und 2 BewG). Diese Frage ist vorrangig zu prüfen, da eine wirtschaftliche Einheit i. S. des § 2 BewG nur aus Wirtschaftsgütern gebildet werden kann, die derselben Vermögensart angehören (vgl. § 33 Abs. 1 und § 70 Abs. 1 BewG); denn die wirtschaftliche Einheit bezieht sich immer nur auf eine Vermögensart (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. Dezember 1975 III R 51/74, BFHE 118, 71, BStBl II 1976, 281). Eine Bewertung des streitbefangenen Grundstücks als Zweifamilienhaus, wie sie vom FG vorgenommen wurde, ist nur dann möglich, wenn eine Zuordnung der Erdgeschoßwohnung zum Betrieb der Land- und Forstwirtschaft deshalb ausscheidet, weil sie -- abweichend von dem bis zum Erwerb des Grundstücks durch die Kläger bestehenden Zustand -- am Bewertungsstichtag nicht mehr einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt ist. In diesem Falle wäre jedoch zu prüfen, ob und inwieweit der angegriffene Nachfeststellungsbescheid für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft lediglich den verbleibenden Teil des Grundstücks mit den Wirtschaftsgebäuden erfaßt. Nur insoweit käme auch ein Zuschlag am Vergleichswert wegen verstärkter Tierhaltung nach § 41 BewG in Betracht, da bei den (gepachteten) Stückländereien ein entsprechender Zuschlag gemäß § 41 Abs. 3 BewG ausscheidet.
Die von anderen Grundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen zu der nach Auffassung des Senats entscheidungserheblichen Frage getroffen, ob der Vater der Kläger am Bewertungsstichtag 1. Januar 1987 in der Erdgeschoßwohnung einen eigenen Haushalt -- ggf. zusammen mit seinem Sohn -- führte und von dort aus einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geleitet hat. Ob und in welchem Umfang der im Haushalt des Vaters lebende Kläger zu 2 im Betrieb mitarbeitet, wäre in diesem Falle unerheblich (vgl. BFH-Urteil vom 25. Au gust 1972 III R 144/71, BFHE 106, 557, BStBl II 1972, 848).
Einer Zuordnung der Erdgeschoßwohnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen stünde nicht entgegen, wenn von der Hofstelle, die die Wirtschaftsgebäude sowie den Wohnteil umfaßt, nur gepachtete landwirtschaftliche Nutzflächen bewirtschaftet würden, solange die Hofstelle der Bewirtschaftung der Pachtgrundstücke -- und nicht überwiegend einem Wohnzweck oder einem gewerblichen Betrieb -- dient (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 12. März 1931 III A 446/30, RStBl 1931, 627). In diesem Fall lägen mehrere wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vor: Zum einen die im Eigentum der Kläger stehende Hofstelle, die einen eigenen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft darstellt (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Be wertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 33 BewG Anm. 5; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 16. Aufl., § 34 BewG Anm. 34); zum anderen die dem jeweiligen Verpächter zuzurechnenden Stückländereien (§ 34 Abs. 7 BewG).
Fundstellen
Haufe-Index 420447 |
BFH/NV 1995, 583 |