Aufteilung des Ersatzwirtschaftswerts bei Ermittlung des gewerbesteuerrechtlichen Kürzungsbetrags
Hintergrund: Gesetzliche Regelungen
Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt (sogenannte einfache Kürzung); maßgebend ist der Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes vor dem Ende des Erhebungszeitraums.
In den neuen Bundesländern wird jedoch kein Einheitswert des Betriebsvermögens festgestellt, sondern es werden nach § 125 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 BewG für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft abweichend von § 19 Abs. 1 BewG Ersatzwirtschaftswerte anstelle der Einheitswerte für das in § 125 Abs. 3 BewG bezeichnete Vermögen ermittelt und ab 1.1.1991 der Besteuerung zugrunde gelegt. Diese Ersatzwirtschaftswerte gelten nicht nur für die Grundsteuer (§ 126 Abs. 1 BewG). Gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 BewG ist auch für andere Steuern bei demjenigen, dem Wirtschaftsgüter des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens zuzurechnen sind, der Ersatzwirtschaftswert oder ein entsprechender Anteil an diesem Wert anzusetzen. Die Eigentumsverhältnisse und der Anteil am Ersatzwirtschaftswert sind im Festsetzungsverfahren der jeweiligen Steuer zu ermitteln (§ 126 Abs. 2 Satz 2 BewG).
Sachverhalt: Streit um Berechnung des Kürzungsbetrags
Die Klägerin unterhält als GmbH einen landwirtschaftlichen Betrieb. Im Streitzeitraum standen die zu ihrem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgebäude sowie alle stehenden und umlaufenden Betriebsmittel in ihrem Eigentum. Die von ihr zur Führung des Betriebes genutzten Flächen umfassten hingegen sowohl in ihrem Eigentum stehende als auch gepachtete Grundstücke.
Die Klägerin teilte den vom Finanzamt (FA) festgestellten Ersatzwirtschaftswert für gewerbesteuerliche Zwecke entsprechend Anlage 1 zu Abschn. 59 Abs. 4 der GewStR 1998 auf und ging davon aus, dass der Anteil von Grund und Boden am Ersatzwirtschaftswert 64 %, der Anteil der Wirtschaftsgebäude 17 %, der Anteil der stehenden Betriebsmittel 14 % und der Anteil der umlaufenden Betriebsmittel 5 % betrug. Aus dem Anteil der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke sowie den auf die Wirtschaftsgebäude sowie die umlaufenden und stehenden Betriebsmittel jeweils entfallenden Anteil am Ersatzwirtschaftswert errechnete die Klägerin den Kürzungsbetrag nach § 9 Nr. 1 GewStG.
Das FA berechnete den Kürzungsbetrag nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG abweichend hiervon nach dem Verhältnis der verpachteten zu den im Eigentum der Klägerin stehenden Flächen und berücksichtigte den auf die im Eigentum der Klägerin stehenden Wirtschaftsgebäude sowie Betriebsmittel jeweils entfallenden Teil des Ersatzwirtschaftswerts nicht.
Nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens hat die Klägerin Klage erhoben. Das FG vertrat die Auffassung, dass neben den im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücken auch die in ihrem Eigentum stehenden Wirtschaftsgebäude und Betriebsmittel ihres landwirtschaftlichen Betriebes bei der Anpassung des Ersatzwirtschaftswertes nach § 126 Abs. 2 BewG zu berücksichtigen seien.
Entscheidung: BFH hebt Urteil des FG auf und weist Klage ab
Der BFH hat entschieden, dass das FG für die Bestimmung des Kürzungsbetrags nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG zwar dem Grunde nach eine Anpassung des Ersatzwirtschaftswerts an die Eigentumsverhältnisse zutreffend bejaht habe. Allerdings ergebe sich der Ersatzwirtschaftswert des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes i. S. d. § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG allein aus dem prozentualen Anteil der Eigentumsfläche an der Gesamtfläche (eigene und zugepachtete Flächen).
Die zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, wie die Höhe des Eigentumsanteils am Ersatzwirtschaftswert im Rahmen der (einfachen) gewerbesteuerrechtlichen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG zu ermitteln ist, sei in dem Sinne zu beantworten, wie es das FA getan habe.
Die Kürzung sei ausgehend vom Gesetzeswortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG pauschaliert vom Einheitswert beziehungsweise „Ersatzwirtschaftswert“ (Ersatzbemessungsgrundlage) vorzunehmen. Einen besonderen Aufteilungsmaßstab gäben weder § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG noch § 126 BewG vor. Aus § 126 Abs. 2 Satz 1 BewG ergebe sich lediglich, dass für andere Steuern – wie hier für die Gewerbesteuer – der Ersatzwirtschaftswert oder ein entsprechender Anteil an diesem Wert anzusetzen sei. Mangels eines besonderen Aufteilungsmaßstabs seien die in fremdem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter daher spiegelbildlich mit dem Wert auszuscheiden, mit dem sie auf der Grundlage des vereinfachten Ertragswertverfahrens gemäß § 125 Abs. 4 bis 7 BewG in den Ersatzwirtschaftswert eingeflossen seien. Sei dabei der in Ansatz gebrachte Wert je Hektar für die gepachteten und die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehenden Flächen identisch, folge daraus, dass der Ersatzwirtschaftswert nach dem Verhältnis der Größe der gepachteten und der im Eigentum stehenden Flächen aufzuteilen sei.
Entgegen der Ansicht der Klägerin und des FG erfolge zur Ermittlung des Eigentumsanteils am Ersatzwirtschaftswert (§ 126 Abs. 2 BewG) daher zunächst keine Aufteilung der bewirtschafteten Flächen in eigenen Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude sowie Anlagevermögen und Umlaufvermögen. Ausgangspunkt für die Berechnung der gewerbesteuerrechtlichen Kürzung sei nicht ein angepasster (fiktiver) Ersatzwirtschaftswert, sondern der für die Gesamtfläche einheitlich berechnete Wert.
Hintergrund der Schaffung von Ersatzwirtschaftswerten
Bei der Festlegung, welche Vermögensgegenstände zum Ersatzwirtschaftswert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens in den Beitrittsgebieten zu zählen sind, werde von einer Nutzungseinheit ausgegangen. Nach § 125 Abs. 2 Satz 2 BewG handele es sich hierbei um die dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen dienenden Wirtschaftsgüter, auch wenn der Nutzer nicht der Eigentümer sei. Insoweit hätten bei der Ermittlung des Ersatzwirtschaftswerts die Eigentumsverhältnisse der Flächen und Wirtschaftsgüter keine Bedeutung. Hintergrund der Schaffung von Ersatzwirtschaftswerten für land- und forstwirtschaftliches Vermögen im Beitrittsgebiet seien die ungeklärten Eigentumsverhältnisse sowie die noch fehlenden verwaltungsmäßigen Voraussetzungen bei der Vermessungsverwaltung und der erst im Aufbau befindlichen Finanzverwaltung gewesen.
Die Ersatzbemessungsgrundlage des Ersatzwirtschaftswerts werde nach dem Bewertungsgesetz als ein von der Fläche abhängiger Ertragswert ermittelt, der sich am Hektarwert orientiere und allein durch Multiplikation der genutzten Fläche mit einem pauschaliert nach der Ertragskraft des Grund und Bodens bestimmten ha-Satz berechnet werde. Dabei sei bei der Ableitung der Ansätze für die Vergleichswerte bei der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung eine Ertragsfähigkeit unterstellt worden, die unter dem mittleren Niveau der jeweiligen Nutzung im Bundesgebiet liege. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich in § 125 Abs. 4 BewG vorgegeben, welche Vorschriften des Bewertungsgesetzes bei der Ermittlung des Ersatzwirtschaftswerts sinngemäß anzuwenden seien.
Danach seien die tatsächlichen Verhältnisse (§ 38 Abs. 2 Nr. 1 BewG) nicht zu berücksichtigen (§ 125 Abs. 4 Satz 2 BewG), auch nicht etwaige Korrekturmöglichkeiten von Ab- und Zuschlägen nach § 41 BewG. Darüber hinaus verweise § 125 Abs. 4 BewG auch nicht auf § 142 BewG, der den Betriebswert teilweise wieder korrigiere. Weder Gebäude noch Betriebsmittel gingen bei diesem Ertragswertverfahren mit einem gesonderten Wert in die Berechnung des Ersatzwirtschaftswerts ein. Wirtschaftsgebäude und Betriebsmittel – unabhängig vom Eigentum – beeinflussten den Ersatzwirtschaftswert somit nicht. Das bedeute zugleich, dass durch die Bewirtschaftung der gepachteten Flächen mit eigenen Betriebsmitteln weder der Wert für die eigenen Flächen erhöht noch jener für die gepachteten Flächen vermindert werde. Die im Eigentum der Klägerin stehenden Flächen und die gepachteten Flächen würden daher mit demselben Wert je Hektar in den Ersatzwirtschaftswert eingehen. Mangels abweichender gesetzlicher Regelungen in § 126 BewG oder § 9 GewStG ergebe sich der Ersatzwirtschaftswert des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG daher allein aus dem prozentualen Anteil der Eigentumsflächen.
BFH, Urteil v. 12.10.2023, III R 34/21; veröffentlicht am 30.11.2023
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