Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Rückerstattung ehemals jüdischen Vermögens ist entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 134/52 S vom 6. Oktober 1953, Slg. Bd. 58 S. 125, BStBl. III 1953 S. 339 = StRK EinkStG § 5 Rechtsspruch 27, im Einzelfall zu prüfen, ob nach allgemeinen einkommensteuer- und bilanzrechtlichen Grundsätzen eine Verpflichtung für die Bildung einer Rückstellung in der DM-Eröffnungsbilanz besteht.

Die Nachzahlung auf ein der Rückerstattung unterliegendes Grundstück stellt grundsätzlich aktivierungspflichtige nachträgliche Erwerbskosten dar, auch wenn in der DM-Eröffnungsbilanz der Höchstwert angesetzt ist.

Eine Aktivierung kommt jedoch nur insoweit in Betracht, als das Wirtschaftsgut, für das die Nachzahlung geleistet wird, noch vorhanden ist, und der Teilwert nicht überschritten wird.

 

Normenkette

EStG §§ 4-5

 

Tatbestand

Die buchführenden Beschwerdeführer (Bf.) haben im Jahre 1950 auf Grund des im Rückerstattungsverfahren abgeschlossenen Vergleichs vom 10. August 1950 für das aus jüdischem Besitz im Jahre 1938 für 30.500 RM erworbene Grundstück, auf dem ein altes baufälliges leerstehendes Magazin- und Werkstattgebäude stand, 10.000 DM nachbezahlt. Den Abzug dieses in der Verlust- und Gewinn-Rechnung abgesetzten Betrages haben die Vorinstanzen nicht zugelassen.

Der Kauf erfolgte seinerzeit in der Absicht, die auf dem Grundstück stehenden Gebäude abzubrechen und darauf ein Kino zu errichten. Das ist geschehen. Das neuerbaute, mehrstöckige Gebäude (Filmtheater, Theatergaststätte, Wohnung) ist in der DM-Eröffnungsbilanz mit 122.740 DM angesetzt, und zwar ausgehend von dem Einheitswert von 144.400 DM abzüglich 21.660 DM für Grund und Boden. Finanzamt und Steuerausschuß haben die Auffassung der Bf., es handele sich um keine nachträglichen Kaufkosten, vielmehr um eine Gegenleistung für die Freigabe aus der Vermögenskontrolle, nicht anerkannt, sondern in der Nachzahlung aktivierungspflichtige Anschaffungskosten gesehen. Es sind deshalb 8.895 DM dem Gewinn zugerechnet worden, die in Anwendung des Erlasses des Finanzministers Württemberg-Baden vom 20. Mai 1950 (Amtsblatt des Finanzministeriums Württ.-Baden - WBFBl - 1950 S. 280) wie folgt ermittelt wurden:

Zahlung ----------------------- 10.000 DM auf Grund und Boden ------------ 1.500 DM Gebäude ------------------------ 8.500 DM.Absetzung für Abnutzung 1 % für 13 Jahre (ab 1938) 85 x 13 1.105 DM; 10.000 DM - 1,105 DM = 8.895 DM.

Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, daß die Rückerstattungsverpflichtung nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 134/52 S vom 6. Oktober 1953, Slg. Bd. 58 S. 125, Bundessteuerblatt (BStBl) 1953 III S. 339 = Steuerrecht in Karteiform (StRK), EinkStG § 5 Rechtsspruch 27, zu passivieren gewesen sei. Solche Verpflichtungen hätten schon am Währungsstichtag vielfach bestanden, wie aus zahlreichen seit 1945 auf diesem Gebiet ergangenen zivilrechtlichen Urteilen hervorgehe. Da sich die Verpflichtung auf ein bestimmtes Wirtschaftsgut beziehe, müsse dieses zugleich um die auf ihm ruhende Last höher angesetzt werden. Die Höchstwertbestimmung des § 16 Abs. 1 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) werde dadurch nicht verletzt. Der tatsächliche Bilanzwert ergebe sich aus der Saldierung beider Werte; das sei der angesetzte Einheitswert. Hiervon müsse die Absetzung für Abnutzung vorgenommen werden. Gründe für eine Sonder- oder Teilwertabschreibung lägen angesichts der Tatsache, daß der Kaufpreis damals nur 165 % des Einheitswerts betragen habe, nicht vor. Eine Aufteilung der Rückerstattungsverpflichtung, um die sich bei richtiger Bilanzierung der für die Absetzung für Abnutzung in Betracht kommende Wert erhöht hätte, auf Gebäude und Grund und Boden erscheine unberechtigt, da letztere bereits ausreichend im Einheitswert enthalten sei. Unter Anwendung des in § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) vorgesehenen Zinssatzes ergebe sich für den 21. Juni 1948 ein Wert von 9.880 DM, von dem die ab diesem Tage zulässige Mehrabschreibung von 1 % = insgesamt 257 DM - richtig 247 DM - im Steuerabschnitt 1950 zu berücksichtigen sei. Der dadurch sich um 848 DM erhöhende Gewinn (1.105 DM - 257 DM) führe zu einem steuerpflichtigen Einkommen von 28.547 DM und zu einer Einkommensteuer (Steuerklasse II) von 11.165 DM.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich gegen eine Passivierungspflicht, da die Bf. angesichts des zu einem angemessenen Preise erfolgten freihändigen Verkaufes mit einer Nachzahlungspflicht nicht hätten zu rechnen brauchen. Eine Aktivierung in der DM-Eröffnungsbilanz sei im übrigen wegen der Höchstwertvorschrift des § 16 Abs. 1 DMBG wie auch nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen nicht zulässig. Mit der Nachzahlung habe Vermögenskontrolle, d. h. etwas Lästiges beseitigt werden sollen, der Betrag von 10.000 DM müsse daher sofort in vollem Umfange als Betriebsausgabe abgesetzt werden.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel ist begründet.

Es ist zwar zutreffend, daß in den Fällen der Rückerstattung ehemals jüdischen Vermögens nach allgemeinen einkommensteuerlichen und bilanzrechtlichen Grundsätzen, wie sie im Urteil des Bundesfinanzhofs I 134/52 S vom 6. Oktober 1953 dargelegt sind, zu prüfen ist, ob für die DM-Eröffnungsbilanz eine Rückstellung für bereits bestehende Rückerstattungsverpflichtungen vorzunehmen ist. Das Finanzgericht hat es aber unterlassen, zu untersuchen, wie am Stichtage (21. Juni 1948) die Verhältnisse bezüglich der Rückerstattung gelegen haben. Die allgemeinen Hinweise des Finanzgerichts genügen nicht; es fehlt an der Feststellung von Tatsachen, auf Grund derer geprüft werden kann, ob ein vorsichtig und die Umstände objektiv abwägender Kaufmann zur Bildung einer Rückstellung verpflichtet war. Dieser Mangel der Vorentscheidung beruht auf einem weiteren, der darin besteht, daß im Berufungsverfahren die Frage der Rückstellung erstmalig in dem Berufungsurteil behandelt ist, ohne daß dem Beteiligten vorher Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äußern. In diesem, bei Bejahung der Passivierung der Rückerstattungsverpflichtung eine Steuererhöhung bewirkenden Vorgang liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und ein als ausreichend gerügt anzusehender wesentlicher Verfahrensmangel. Die beteiligten haben daher auch erst im Rechtsbeschwerdeverfahren in dieser Beziehung Angaben gemacht und machen können, die jedoch der Nachprüfung bedürfen. Die Bf. berufen sich auf Art. 3 Abs. 2 und 3 des Rückerstattungsgesetzes (Gesetz der Militärregierung Nr. 59 für die amerikanische Zone); es sei ein angemessener Kaufpreis freihändig vereinbart worden, über den die damaligen Verkäufer hätten uneingeschränkt verfügen können. Demgegenüber behauptet das Finanzamt, das Grundstück habe bereits vor 1948 unter Vermögenskontrolle gestanden und sei bei der Soforthilfeabgabe als Sondervermögen nach Art. 52 der Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes (StDVO-SHG) behandelt worden; letzteres ist nach den vorliegenden Soforthilfeakten richtig. Nicht ersichtlich ist jedoch, wann die Vermögenskontrolle angeordnet, und der Sperrvermerk in das Grundbuch eingetragen ist. Gegen die Bf. spricht ferner das von ihrem damaligen Vertreter an die Militärregierung gerichtete Schreiben vom 14. Januar 1946. Nach dem Schriftsatz vom 29. Mai 1954 des jetzigen Bevollmächtigten handelte es sich bereits damals um die Rückerstattungsangelegenheit. Ist das richtig, so geht daraus hervor, daß die Verkäufer bereits vor dem Stichtag Rückerstattungsansprüche erhoben haben, die nach dem Vergleich auch im übrigen rechtzeitig, d. h. bis 31. Dezember 1948 angemeldet worden sind. Ergeben die noch vorzunehmenden Ermittlungen, daß eine Rückstellung in der DM-Eröffnungsbilanz zu bilden war, so ist es aber nicht möglich, zugleich eine Aktivierung vorzunehmen. Die dahingehenden Ausführungen in der Vorentscheidung sind rechtsirrig; sie verkennen das Wesen der Rückstellungen. Mit diesen sollen dem Grunde nach vorliegende Verpflichtungen, deren Höhe nicht oder nicht ausreichend bekannt ist, oder drohende Verluste, mit deren Eintritt am Bilanzstichtag mit einiger Wahrscheinlichkeit gerechnet werden kann oder muß, bilanzmäßig berücksichtigt werden. Für eine gleichzeitige Aktivierung ist kein Raum, da keinerlei aktive bewertungsfähige Wirtschaftsgüter vorhanden sind. Im Streitfall bleibt daher der in der DM-Eröffnungsbilanz angesetzte Wert der Grundstücke unverändert. Die spätere Zahlung führt zur Auflösung der Rückstellung und wirkt, wenn sich beide der Höhe nach decken, erfolgsneutral. Die Darlegungen des Finanzgerichts über die auch im Hinblick auf § 16 Abs. 1 DMBG von ihm bejahte Zulässigkeit der Aktivierung und Berechnung des Wertes der Verpflichtung sind überflüssig und in dem gegebenen Zusammenhang nicht richtig, wobei zudem ersichtlich ist, weshalb eine Absetzung für Abnutzung in Betracht kommen kann, wenn wie die Vorentscheidung ausführt, eine Saldierung der beiden Werte (Aktivierung und Passivierung des gleichen Betrages) vorgenommen wird. Für eine solche ist angesichts der sich gegenseitig aufhebenden Beträge kein Raum.

Was - bei Bejahung der Verpflichtung zur Bildung einer Rückstellung - deren Höhe anlangt, so muß diese unter objektiver Berücksichtigung der gesamten am Bilanzstichtage obwaltenden Verhältnisse geschätzt werden; dabei können die Anträge der Rückerstattungsberechtigten, etwa bereits vorliegende Angebote usw., einen Anhalt geben.

Liegen dagegen die Voraussetzungen für die Passivierung der Rückerstattungsverpflichtung in der DM-Eröffnungsbilanz nicht vor, so handelt es sich bei der Nachzahlung der 10.000 DM um eine Erhöhung der Anschaffungskosten, die grundsätzlich zu aktivieren sind. Das gilt auch dann, wenn in der DM-Eröffnungsbilanz der Höchstbetrag für das in Betracht kommende Wirtschaftsgut angesetzt ist. Für die Aktivierung der tatsächlichen Anschaffungskosten gelten die allgemeinen Grundsätze, deren Anwendung durch das DMBG nicht ausgeschlossen ist.

Die Auffassung der Bf., die Nachzahlung stelle eine Gegenleistung für die Freigabe der Vermögenskontrolle dar, wird bereits durch den Inhalt des Vergleichs widerlegt. Danach ist der Betrag zur Abgeltung der Rückerstattungsansprüche, die aus dem seinerzeitigen Verkauf des Grundbesitzes bestehen, gezahlt worden. Die 10.000 DM sind hiernach nachträgliche Erwerbskosten, nicht aber eine Gegenleistung für die Freigabe der Vermögenskontrolle, diese war vielmehr nur die Folge der geleisteten Zahlung. Anhaltspunkte dafür, daß es sich um im Jahre der Verausgabung sich verbrauchende Aufwendungen oder um solche handelt, denen kein Gegenwert gegenübersteht (z. B. Abwehrkosten), liegen nicht vor (siehe hierzu die zur Veröffentlichung bestimmte Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 110/54 U vom 15. Februar 1955).

Zweifelhaft erscheint jedoch die vom Steuerausschuß bestätigte Aktivierung auf das Gebäude. Eine solche kann nur insoweit in Betracht kommen, als das Wirtschaftsgut, für das die Nachzahlung geleistet wird, im Betrieb noch vorhanden ist. Das ist bezüglich der seinerzeit gekauften Gebäude nicht der Fall. Diese sind nach dem Erwerb abgebrochen worden, lediglich der Grund und Boden ist noch vorhanden, auf dem die jetzt in der Bilanz ausgewiesenen neu errichteten Gebäude stehen. Nach der durch die eidesstattliche Erklärung des damaligen Vermittlers bestätigten Angabe der Bf. haben diese als Grundstück von vornherein in der Absicht gekauft, die alten Gebäude niederzulegen und ein neues Betriebsgebäude zu errichten. Die Gebäude hatten danach für die Bf. keinen Wert mehr, sonst wären sie nicht abgerissen worden. Den Bf. war der Grund und Boden mit den Gebäuden ebensoviel wert wie ohne diese. Bei richtiger Bilanzierung mußte daher der damalige Kaufpreis für den Bodenwert allein angesetzt werden; wenn das nicht geschehen ist, so war mindestens bei Neuerrichtung der jetzigen Gebäude der etwaige Buchwert der abgerissenen Gebäude dem Grund- und Bodenwert zuzuschlagen (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs VI 266/38 vom 26. Oktober 1938, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1939 S. 155 Mrozek-Kartei, EinkStG 1938, 9 6 Ziff. 1 Satz 3, Rechtsspruch 11, und die darin aufgeführte weitere Rechtsprechung). Ist hiernach bereits der frühere Kaufpreis steuerlich als nur für den Grund und Boden gezahlt zu behandeln, so kann es wegen der Gleichheit des Wirtschaftsguts mit der Nachzahlung nicht anders gehandhabt werden. Abgesehen davon, daß der Vergleich keine Gesichtspunkte für eine andere Beurteilung enthält, wird diese noch durch den im Schriftsatz vom 1. April 1950 von den Bf. gemachten Vergleichsvorschlag, der allein auf der Grundfläche der gekauften Grundstücke aufgebaut ist, sowie dadurch bestätigt, daß sich die Vermögenskontrolle allein auf den Grund und Boden erstreckt hat, und nur dieser als Sondervermögen nach § 52 StDVO-SHG behandelt worden ist. Die Nachzahlung von 10.000 DM kann daher nur mit dem Grund und Boden in Beziehung gesetzt werden. Eine Aufteilung auf das Gebäude muß ausscheiden; es braucht daher auch nicht untersucht zu werden, ob die Nachholung der versäumten Absetzung für Abnutzung rechtens ist und den Gewinn des streitigen Steuerabschnitts beeinflussen darf. Die hierdurch nur auf dem Grundstückskonto mögliche Aktivierung der Nachzahlung hat aber ihre Grenze im Teilwert. Bei der erneuten Prüfung muß dieser ermittelt werden; nur soweit der Teilwert des Grund und Bodens über den bisher berücksichtigten Betrag von 21.660 DM hinausgeht, ist eine Aktivierung der Nachzahlung begründet.

Die Vorentscheidung war demnach wegen mehrfachen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das unter Beachtung der dargelegten Grundsätze erneut zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408147

BStBl III 1955, 138

BFHE 1955, 361

BFHE 60, 361

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