Leitsatz (amtlich)
Zur Zollwertbemessung bei behauptetem Minderwert der eingeführten Waren.
Normenkette
ZWVO Art. 1, 5, 9
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte am 14. November 1968 und 3. und 6. Januar 1969 Spargeln aus Formosa zum freien Verkehr abfertigen lassen. Der Zollwertbemessung waren antragsgemäß teilweise die Rechnungspreise, teilweise die angemeldeten Vergleichspreise zugrunde gelegt worden. Einige Wochen nach den Abfertigungen legte die Klägerin jeweils Gutachten eines Sachverständigen vor, die Minderwerte der eingeführten Partien zwischen 40 und 80 v. H. bestätigten. Die Verwaltung erkannte die Gutachten nicht an, ging aber auf Grund von Abladervergütungen in Höhe von 6 v. H. und Erlösschmälerungen beim Weiterverkauf in Höhe von 5,4 und 4,3 v. H. bei einigen Partien von einem dementsprechenden Minderwert aus.
Die Klage blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Die Rechtsauffassung der Vorinstanz hinsichtlich der Bewertung bei mit Mängeln behafteten Waren ist im Ergebnis zutreffend.
1. Zollwert der eingeführten Waren ist nach Art. 1 Abs. 1 ZWVO der normale Preis, d. h. der Preis, der für diese Waren im maßgebenden Zeitpunkt bei einem Kaufgeschäft unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs erzielt werden kann (Normalpreis). Der Rechnungspreis kann als Zollwert anerkannt werden, wenn er diesem Preis im wesentlichen entspricht oder entsprechend berichtigt worden ist (Art. 9 Abs. 1 ZWVO). Die eingeführten Waren sind zu bewerten. Eingeführt ist die zur Abfertigung gestellte Ware. Die Bewertung richtet sich also u. a. nach der Beschaffenheit dieser Ware im maßgebenden Zeitpunkt. Maßgebend ist bei Waren, die wie hier zum freien Verkehr abgefertigt worden sind, der Zeitpunkt, an dem der Zollantrag gestellt oder wirksam geworden ist (Art. 5 ZWVO i. V. m. § 35 Abs. 1 ZG).
Im vorliegenden Fall sind die eingeführten Waren entsprechend den Anträgen der Klägerin zum Teil nach dem Tagespreis (Normalpreis), zum Teil nach dem Rechnungspreis bewertet worden. Damit hat die Klägerin in einigen Fällen von dem ihr zustehenden Wahlrecht Gebrauch gemacht, die Bewertung nach dem Tagespreis zu beantragen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 22. Oktober 1974 VII R 21/72, BFHE 114, 126). Soweit die Klägerin solche Anträge gestellt hatte, mußte die Zollstelle von dem Preis ausgehen, der für die eingeführte Ware bei einem Zug-um-Zug-Geschäft im maßgebenden Bewertungszeitpunkt erzielbar war (vgl. Urteil VII R 21/72 mit weiterem Nachweis). Entsprechend verfuhren die Zollstellen im vorliegenden Fall. Im Fall der Bewertung nach dem Rechnungspreis erkannten sie den Rechnungspreis an und legten ihn der Berechnung zugrunde. Im Fall der Bewertung nach dem Normalpreis schätzten sie diesen anhand des von der Klägerin benannten Preises für einen vergleichbaren Kaufabschluß.
Sowohl Rechnungspreis als auch Vergleichspreis gingen von Waren einer bestimmten Beschaffenheit aus.
Bei den Rechnungspreisen ergibt sich diese Beschaffenheit aus den Kaufverträgen, die die Klägerin mit ihren taiwanesischen Abladern abgeschlossen hatte. Das FG hat festgestellt, daß diesen Kaufverträgen die Qualitätsnormen der Chinese National Standard Regulations (CNS) zugrunde gelegt waren. Das FG hat sich dabei insbesondere auf eine Auskunft des Waren-Vereins der Hamburger Börse gegenüber der Verwaltung gestützt, wonach Formosa-Spargeln den Anforderungen der CNS entsprechen müßten, wenn sie mit der Qualitätsbezeichnung „sound and usual merchandise” gekauft worden seien, was nach den Feststellungen des FG hier der Fall gewesen sei. Ferner hat das FG festgestellt, daß die eingeführten Dosen Deckelstanzen entsprechend den CNS aufgewiesen hätten.
Den der Normalpreisbewertung zugrunde gelegten Vergleichspreisen lagen die gleichen Beschaffenheitsanforderungen zugrunde. Die Vergleichspreise wurden der Bewertung deswegen zugrunde gelegt, weil sie nach Auffassung der Beteiligten den Preisen entsprachen, die für diese eingeführten Waren bei einem Kaufgeschäft unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zwischen voneinander unabhängigen Käufern und Verkäufern erzielt werden konnten (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZWVO). Die einem solchen Kaufgeschäft zugrunde liegenden Qualitätsnormen waren aber, wie sich aus den Feststellungen des FG mittelbar ergibt, ebenfalls jene der CNS.
Der Zollwertbemessung im vorliegenden Fall konnten die herangezogenen Rechnungspreise bzw. Vergleichspreise nicht mehr ohne weiteres zugrunde gelegt werden, wenn die Beschaffenheit der eingeführten Waren im maßgebenden Zeitpunkt nicht der Beschaffenheit entsprach, auf die sich die genannten Preise bezogen. Die konkret eingeführten Waren sind zu bewerten. Weisen sie eine gegenüber der Normbeschaffenheit andere (schlechtere) Beschaffenheit auf, so ist der übliche Wettbewerbspreis i. S. des Art. 1 Abs. 1 ZWVO für solche Waren anderer (schlechterer) Beschaffenheit festzustellen. Das kann im Regelfall nur im Wege der Schätzung geschehen. Dabei kann Grundlage für die Schätzung – falls nicht Vergleichspreise für solche Waren minderer Beschaffenheit vorliegen, was hier ausscheidet – nur der Rechnungspreis bzw. der Vergleichspreis abzüglich eines Faktors sein, der dem merkantilen Minderwert der eingeführten Ware – verglichen mit dem Wert von Waren normaler Beschaffenheit – entspricht.
Bei der Feststellung dieses Minderwerts sind zwei Komponenten zu unterscheiden eine, sie sich auf die Beschaffenheit der Ware bezieht, und eine, die den dadurch eingetretenen Minderwert betrifft.
a) Hinsichtlich der Beschaffenheit gilt folgendes: Wie ausgeführt, gingen die grundsätzlich zugrunde gelegten Rechnungs- bzw. Vergleichspreise von Waren aus, die den Qualitätsnormen der CNS entsprachen. Von Waren minderer Qualität kann also nur dann die Rede sein, wenn die eingeführten Waren in ihrer Qualität unter den Qualitätsnormen der CNS blieben. Maßstab dafür, ob Mängel vorlagen, kann also nicht die bestmögliche Qualität solcher Waren, die im Inland üblicherweise verkaufte Qualität oder die Qualitätsnorm von Kaufgeschäften für Waren aus anderen Ländern sein. Ob eine Ware von schlechterer Beschaffenheit vorlag, konnte vielmehr allein der Vergleich der tatsächlichen Beschaffenheit im maßgebenden Zeitpunkt mit den Qualitätsnormen der CNS ergeben.
b) Ergibt dieser Vergleich eine solche mindere Beschaffenheit, so ist damit die Frage nach der Wertminderung gegenüber dem Rechnungspreis bzw. Vergleichspreis noch nicht ohne weiteres beantwortet. Insbesondere gibt es keine Automatik in dem Sinne, daß – falls sich die beschaffenheitsmäßige Mangelhaftigkeit überhaupt in einem Prozentsatz ausdrücken läßt – die Wertminderung diesem Prozentsatz ohne weiteres entspricht. Es ist vielmehr maßgebend, welche Preise in einem dem Normalpreisbegriff entsprechenden Kaufgeschäft für solche wertgeminderten Waren zu erzielen sind (vgl. auch Avis XI des Brüsseler Zollwertausschusses, zitiert bei Zepf/Krockauer, Wertverzollung: 3. Aufl., Teil IV S. 11).
2. Das FG hat die Auffassung vertreten, daß Voraussetzung für die Anerkennung eines Rechnungspreises unter Abzug qualitätsbedingter Preisnachlässe als Zollwert sei, daß die gewährten Preisnachlässe handelsüblich seien. Das ist wegen der spezifischen Bedeutung, die dem Begriff „handelsüblich” zukommt, mißverständlich formuliert, aber im Ergebnis – richtig interpretiert – zutreffend. Im Zusammenhang mit Preisnachlässen für gelieferte Minderqualität ist es zwar verfehlt, auf die Frage der Handelsüblichkeit im eigentlichen Sinne abzustellen. Das wollte das FG auch nicht, wie sich aus seiner weiteren Begründung deutlich ergibt.
Was es damit zum Ausdruck bringen wollte, ist die richtige Erkenntnis, daß nur solche Preisermäßigungen anerkannt worden können, die mit dem Begriff des Normalpreises nicht im Widerspruch stehen, deren Anerkennung also zu einem Preis führt, der mit dem Begriff des Normalpreises übereinstimmt. Es können daher Preisermäßigungen nicht ohne weiteres zollwertmindernd berücksichtigt werden, die niedriger oder auch höher sind als jene, die der Verkäufer unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs jedem beliebigen Käufer gewähren würde.
3. Hat der Verkäufer dem Käufer wegen seines Minderwerts der Waren Preisnachlässe gewährt, so kann bei der Bewertung nach dem Rechnungspreis der Preis unter Abzug dieser Preisnachlässe normalerweise ohne Bedenken der Zollwertbemessung zugrunde gelegt werden (vgl. auch Avis XI). Denn es ist davon auszugehen, daß Waren einer bestimmten Qualität gekauft worden sind, der Verkäufer bei Lieferung minderer Qualität zu einer Preisreduktion verpflichtet ist und die – in der Tendenz gegenläufigen – Interessen beider Seiten an einem gerechten Ausgleich zu einer Preisermäßigung führen wird, die mit dem Normalpreisbegriff nicht in Widerspruch steht. Erhält der Käufer freilich keine Preisermäßigung bzw. keine so hohe Preisermäßigung, wie er begehrt hatte, so liegt der Schluß nahe, daß eine im Rahmen des abgeschlossenen Kaufvertrags wertmäßig zu berücksichtigende Minderqualität nicht vorlag bzw. nicht den Umfang hatte, den der Käufer ursprünglich für gegeben erachtete. Denn im Geschäftsverkehr pflegt niemand etwas zu verschenken.
Dieser Schluß ist freilich nicht zwingend (vgl. auch das Avis XI). Ein niedrigerer Preisnachlaß als der begehrte oder das Nichtgewähren eines Preisnachlasses überhaupt zwingt noch nicht ohne weiteres zu einer Bewertung aufgrund des Preises für nichtwertgeminderte Ware bzw. aufgrund dieses Preises abzüglich nur des gewährten, nach Ansicht des Käufers zu geringen Preisnachlasses. Begehrt der Zollbeteiligte in solchen Fällen jedoch die Anerkennung eines (höheren) Preisnachlasses, so bedarf es besonderer Ermittlungen, ob tatsächlich die Minderqualität größer war, als aus den Ausgleichsabmachungen der Vertragsparteien zu schließen ist, und aus welchen plausiblen Gründen dieser Ausgleich entgegen dem normalerweise zu erwartenden nicht gewährt worden ist (vgl. auch Avis XI). Nur im Rahmen dieser Erwägungen kann auch der beim inländischen Weiterverkauf der Waren eingetretene Mindererlös ein gewisses Indiz für den tatsächlichen Minderwert der eingeführten Waren sein. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß dieses Indiz nur einen sehr beschränkten Aussagewert besitzt, weil dem Weiterverkauf wesentlich andere Bedingungen zugrunde liegen (völlig anderer Markt, anderer Zeitpunkt, u.U. andere Qualitätsvereinbarungen, in der Regel Zugrundelegung inländischer Qualitätsnormen).
Die vorstehenden Ausführungen unter Nr. 3 gelten entsprechend auch bei einer Bewertung aufgrund von Vergleichspreisen. Auch hier geben tatsächlich gewährte Preisnachlässe bzw. Erlösschmälerungen beim Weiterverkauf im gleichen Rahmen eine plausible Grundlage für die Schätzung des Minderwertes ab.
4. Zu Recht hat das FG die Fragen der Verkehrsfähigkeit bei der Zollwertbemessung außer Betracht gelassen. Die Frage, ob eine Ware im Inland verkehrsfähig ist (verkauft werden darf), bestimmt sich nach den innerstaatlichen Vorschriften. Die Bewertung der eingeführten Waren orientiert sich dagegen an den Qualitätsnormen des nach der Zollwertnorm zugrunde zu legenden Kaufgeschäftes, hier also, wie oben ausgeführt, an den Qualitätsnormen der CNS.
II. Das FG ist bei seiner Entscheidung im Ergebnis von den vorstehend dargelegten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin nicht dadurch in ihren Rechten verletzt ist, daß es die Zollstellen im Rahmen dieser Bescheide abgelehnt haben, aufgrund der Gutachten des Sachverständigen X von einem höheren Minderwert der Waren auszugehen als jener, die sie in den Bescheiden jeweils zugrunde gelegt haben. Das FG hat seine Entscheidung dabei im wesentlichen darauf gestützt, daß die Gutachten des Sachverständigen X, die allein die von der Klägerin für richtig gehaltenen Wertminderungssätze festgestellt haben, als Grundlage für die Bewertung der eingeführten Waren nicht herangezogen werden können und daher – da die Klägerin sonst nichts vorgetragen hat, was ihre Behauptung, der Minderwert habe den vom Sachverständigen X bestätigten Umfang gehabt, stützen könnte – die Auffassung der Verwaltung nicht zu beanstanden ist, der Minderwert habe nur den aus den angefochtenen Bescheiden ersichtlichen Umfang gehabt. Diese Auffassung der Vorinstanz ist frei von Rechtsirrtum und beruht nicht auf der Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Das FG ist – von der Revision unwidersprochen – davon ausgegangen, daß der Sachverständige keinen Formosa-Spargel importierte und die Handelsgepflogenheiten bei der Gewährung von qualitätsbedingten Preisnachlässen bei solchen Geschäften nicht kannte. Das FG hat ferner festgestellt, daß der Sachverständige bei der Bewertung von einer selbstgefertigten Tabelle ausging, deren Wertminderungssätze nicht auf den Warenwert bezogen waren, sondern sich ausschließlich nach dem Ausfall der geprüften Muster und den dabei festgestellten Mängeln gerichtet hat. Auch diese Feststellung ist von der Revision nicht angegriffen worden. Daraus hat das FG ohne Rechtsirrtum den Schluß gezogen, daß eine so geartete Feststellung eines Minderwertes ohne zollwertrechtliche Bedeutung ist. Wie sich aus den obigen Ausführungen (B I 1 a und b) ergibt, kann ohne Bezug auf die im jeweiligen Fall zugrunde zu legende Qualitätsnorm schon die beschaffenheitsmäßige Qualitätsminderung nicht zutreffend erfaßt werden. Noch viel weniger kann aber das Ausmaß der Wertminderung automatisch orientiert werden am Ausmaß der ohne Bezugsnorm festgestellten Beschaffenheitsminderung, ohne daß auf die Frage eingegangen wird, welche Preisnachlässe zur Erreichung des üblichen Wettbewerbspreises i. S. des Art. 1 Abs. 1 ZWVO für solche wertgeminderte Waren angemessen waren. Der Sachverständige ist auf alle diese Fragen nicht eingegangen und konnte das auch nicht, weil er für diesen Handel nicht sachverständig war. Schon diese Umstände allein machten die Gutachten des Sachverständigen X als Grundlage für die Zollwertbemessung unbrauchbar.
Fundstellen
Haufe-Index 510516 |
BFHE 1979, 275 |