Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Anordnung von Anschlußprüfungen bei Großbetrieben; Übergang von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage
Leitsatz (amtlich)
1. Der Übergang von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage ist im Revisionsverfahren auch dann zulässig, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage erledigt hat.
2. Die Anordnung einer sog. Anschlußprüfung bei Großbetrieben ist grundsätzlich rechtmäßig. § 4 Abs.1 Satz 1 BpO(St) 1978 beruht auf sachgerechten Erwägungen. Aus dem Gleichheitsgebot (Art.3 Abs.1 GG) folgt für Großbetriebe im Hinblick auf die unterschiedliche Prüfungspraxis bei Mittel- und Kleinbetrieben kein Anspruch auf Verkürzung des Prüfungszeitraums.
Orientierungssatz
1. Der Übergang von der Anfechtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage ist im Revisionsverfahren auch dann zulässig, wenn bei dem Gericht erster Instanz ein an sich unzulässiger Anfechtungsantrag gestellt worden ist.
2. Hat sich ein Rechtsstreit wegen Betriebsprüfungsanordnung nach Beendigung der Prüfung in der Hauptsache erledigt, so besteht für eine Anfechtungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Möglichkeit, eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu erheben, schließt die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage aus (vgl. BFH-Beschluß vom 4.2.1988 V R 57/83).
3. An der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Prüfungsanordnung hat der Kläger ein berechtigtes Interesse, wenn er damit die Auswertung der durch die Prüfung erlangten Kenntnisse durch das FA verhindern kann. Haben die Prüfungsfeststellungen aber bereits Eingang in Steuerbescheide gefunden, müssen zur Beseitigung der aus den Prüfungsfeststellungen gezogenen Folgerungen zusätzlich die Steuerbescheide angefochten werden (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.1986 VIII R 123/86). Werden die Steuerbescheide mangels Anfechtung bestandskräftig, so wird die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig. Der Wegfall des berechtigten Interesses nach Einlegung der Revision führt zur Unbegründetheit der Revision (vgl. BFH-Rechtsprechung).
4. Bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten, ist eine Außenprüfung ohne weiteres zulässig. Das FA kann den Prüfungszeitraum grundsätzlich nach seinem Ermessen festlegen (vgl. BFH-Rechtsprechung und BVerfG-Rechtsprechung). Allerdings muß das FA die Bestimmungen in der BpO (St) beachten.
5. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, daß der Staat die vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten einzelner möglichst verhindert. Die Verpflichtung der Finanzbehörden, einen Steuerfall im Interesse einer gesetzmäßigen Besteuerung zu überprüfen, wird nicht dadurch beseitigt, daß andere ebenfalls prüfungsbedürftige Betriebe nicht geprüft werden (vgl. BFH-Rechtsprechung, FG-Rechtsprechung; Literatur).
6. Art. 3 Abs. 1 GG erfordert Gleichheit vor dem Gesetz, also Gleichheit im Recht. Eine Gleichheit im Gesetzesbruch kann es nicht geben (vgl. Rechtsprechung und Literatur).
7. Es gibt keinen Gleichheitssatz des Inhalts, daß bestimmte Versäumnisse der Verwaltung allen Betroffenen in gleicher Weise zugute kommen müßten (vgl. BFH-Rechtsprechung). Insbesondere kann eine solche Forderung nicht auf den Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit gestützt werden.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4, § 123; GG Art. 3 Abs. 1; AO 1977 § 193 Abs. 1, § 194 Abs. 1 S. 2; BpO (St) § 4 Abs. 1 S. 1; BpO (St) § 4 Abs. 2 S. 1; AO 1977 § 85
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Entscheidung vom 08.12.1982; Aktenzeichen V 235/82) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war eine KG, an der die Fa. R GmbH als Komplementärin und der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und Hans R als Kommanditisten beteiligt waren. Der Kläger war Hauptgesellschafter der Klägerin.
Die Klägerin betrieb in A einen Groß- und Einzelhandel mit ... Dieser Betrieb, der vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) in die Größenklasse Großbetrieb gemäß § 3 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) --BpO(St)-- vom 27.April 1978 (BStBl I 1978, 195) eingeordnet ist, war im Jahre 1976 für den Zeitraum 1973 bis 1974 einer Außenprüfung unterzogen worden.
Mit Verfügung vom 29.Oktober 1981 ordnete das FA bei der Klägerin für die Jahre 1975 bis 1980 eine weitere Außenprüfung an, die sich auf die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer sowie die Einheitsbewertung und die Investitionszulage erstrecken sollte. Dabei war das Kalenderjahr 1980 auf Antrag der Klägerin in den Prüfungszeitraum einbezogen worden.
Darüber hinaus ordnete das FA bei dem Kläger, der noch an anderen Gesellschaften beteiligt war und zudem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen erzielte, mit Verfügung ebenfalls vom 29.Oktober 1981 eine Außenprüfung an, die die Einkommen- und Umsatzsteuer 1975 bis 1980 sowie die Vermögensteuer auf den 1.Januar 1976 bis 1.Januar 1981 umfassen sollte.
In den Prüfungsanordnungen war als Rechtsgrundlage § 193 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) angegeben. Rechtsbehelfsbelehrungen enthielten sie nicht.
Die Außenprüfungen wurden dementsprechend durchgeführt und am 11.Februar 1982 beendet.
Mit Schreiben vom 11.März 1982 legten die Kläger gegen die Prüfungsanordnungen Beschwerden ein.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerden der Kläger mit Entscheidungen vom 14.Mai 1982 und 6.Juli 1982 als unbegründet zurück. Sie führte aus, gemäß § 4 Abs.1 Satz 1 BpO(St) solle bei Großbetrieben, zu denen der Betrieb der Klägerin gehöre, der Prüfungszeitraum an den vorhergehenden anschließen. Ein Ermessensfehlgebrauch lasse sich nicht erkennen.
Die von den Klägern gegen die Prüfungsanordnungen am 18.Juni 1982 erhobenen Klagen hatten keinen Erfolg.
Mit der am 11.Februar 1983 eingegangenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie tragen vor, daß die Klägerin als Großbetrieb durch einen sechsjährigen Prüfungszeitraum, der auf dem Prinzip der Anschlußprüfung beruhe, offensichtlich gegenüber Mittelbetrieben benachteiligt werde. § 4 Abs.1 Satz 1 BpO(St) sei ermessenswidrig, verstoße gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes --GG--). Der Rechtsschutz, der sich daraus ergebe, daß der Prüfungszeitraum bei anderen Betrieben gemäß § 4 Abs.2 BpO(St) nur die letzten drei Besteuerungszeiträume umfasse, werde Großbetrieben verwehrt. Von der Vergünstigung prüfungsfreier Zeiträume dürften sie aber nicht ohne sachlichen Grund ausgenommen werden. Der Grundsatz der Steuergerechtigkeit sei verletzt. Die Unternehmensgröße sei kein sachgerechter Grund für eine Differenzierung bei der Prüfungstätigkeit, wie der zahlenmäßige Vergleich zeige.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts (FG) festzustellen, daß die Prüfungsanordnung vom 29.Oktober 1981 in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung der OFD vom 14.Mai 1982 rechtswidrig war.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG festzustellen, daß die Prüfungsanordnung vom 29.Oktober 1981 in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung der OFD vom 6.Juli 1982 rechtswidrig war.
Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Die im Rahmen der bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung getroffenen Feststellungen haben zu geänderten Feststellungsbescheiden für 1975 bis 1980 geführt. Diese Bescheide sind noch nicht bestandskräftig.
Die aufgrund der bei dem Kläger getroffenen Prüfungsfeststellungen ergangenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide für 1975 bis 1980 sind während des Revisionsverfahrens bestandskräftig geworden.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind zwar zulässig, aber nicht begründet.
I. Es liegt keine gemäß § 123 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässige Klageänderung vor.
Die Kläger haben ihren im Rechtsbehelfsverfahren gestellten Anfechtungsantrag zulässigerweise in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag i.S. des § 100 Abs.1 Satz 4 FGO umgestellt. Der Übergang von der Anfechtungsklage zur sog. Fortsetzungsfeststellungsklage im Revisionsverfahren ist keine unzulässige Klageänderung gemäß § 123 FGO (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.April 1980 VI R 7/77, BFHE 130, 388, BStBl II 1980, 512; BFH-Beschluß vom 4.Februar 1988 V R 57/83, BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413).
Hat sich ein mit der Klage angefochtener Verwaltungsakt erledigt, so spricht danach das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die Rechtsprechung des BFH hat diese Feststellungsmöglichkeit auf solche Verwaltungsakte ausgedehnt, die sich schon vor Klageerhebung und vor Einleitung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erledigt haben (vgl. BFH-Urteile vom 5.April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790; vom 7.November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435). Die Prüfungsanordnungen hatten sich vor Klageerhebung in der Hauptsache erledigt. Die Prüfungen waren nach den nicht mit Revisionsrügen angefochtenen Feststellungen des FG am 11.Februar 1982 beendet worden.
Die Erledigung in der Hauptsache hatte zur Folge, daß für eine Anfechtungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Die gegebene Möglichkeit, eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu erheben, schließt die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage aus (vgl. Beschluß in BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413). Demzufolge hätte das FG auf eine entsprechende Änderung des Klageantrages hinwirken oder die Anfechtungsklage umdeuten müssen. Daß dies nicht geschehen ist, macht den im Revisionsverfahren gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht unzulässig. Der Übergang vom Anfechtungs- zum Feststellungsbegehren ist auch im Revisionsverfahren zulässig (vgl. Beschluß in BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413). Da eine Fortsetzungsfeststellungsklage auch in dem Fall zulässig ist, in dem sich der strittige Verwaltungsakt schon vor Klageerhebung erledigt hat, muß der Übergang zu einer Klage gemäß § 100 Abs.1 Satz 4 FGO auch dann zulässig sein, wenn bei dem Gericht erster Instanz ein an sich unzulässiger Anfechtungsantrag gestellt worden ist.
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die von ihm erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage im Revisionsverfahren unzulässig geworden ist.
Die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage setzt voraus, daß der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat (§ 100 Abs.1 Satz 4 FGO). An der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Prüfungsanordnung hat der Kläger ein berechtigtes Interesse, wenn er damit die Auswertung der durch die Prüfung erlangten Kenntnisse durch das FA verhindern kann. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit hindert regelmäßig die Verwertung der Prüfungserkenntnisse. Haben die Prüfungsfeststellungen aber bereits Eingang in Steuerbescheide gefunden, müssen zur Beseitigung der aus den Prüfungsfeststellungen gezogenen Folgerungen zusätzlich die Steuerbescheide angefochten werden (vgl. BFH-Urteil vom 16.Dezember 1986 VIII R 123/86, BFHE 148, 426, BStBl II 1987, 248 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht für den Kläger kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Zwar war die Fortsetzungsfeststellungsklage im Zeitpunkt der Revisionseinlegung am 11.Februar 1983 zulässig. Das FA hat die bei dem Kläger getroffenen Prüfungsfeststellungen erst in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1975 bis 1980 vom 2.März 1983 ausgewertet. Die Klage ist jedoch mit dem Eintritt der Bestandskraft dieser Bescheide unzulässig geworden. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegenüber dem Kläger angeordneten Außenprüfung kann mithin die Auswertung der Prüfungsfeststellungen nicht verhindern.
Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, die Bestandskraft sei nicht maßgeblich, weil eine Änderung des Einkommensteuerbescheides über eine Änderung des Feststellungsbescheides erreichbar sei. Die Anfechtung der gegenüber dem Kläger ergangenen Prüfungsanordnung kann nicht zur Änderung des Feststellungsbescheides führen. Die den Gewinn der Klägerin beeinflussenden Feststellungen wurden im Rahmen der bei ihr durchgeführten Außenprüfung getroffen.
Der Wegfall des berechtigten Interesses i.S. des § 100 Abs.1 Satz 4 FGO nach Einlegung der Revision führt zur Unbegründetheit der Revision (vgl. BFH-Beschluß vom 29.März 1974 III B 43/73, BFHE 112, 239, BStBl II 1974, 463; BFH-Urteil vom 27.April 1982 VIII R 36/70, BFHE 135, 264, BStBl II 1982, 407; BFH-Beschluß vom 11.Oktober 1985 III B 59/84, BFH/NV 1986, 289).
III. Die Klage der Klägerin ist zwar zulässig, aber ebenfalls unbegründet.
1. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung durch das Gericht, ob die Prüfungsanordnung rechtmäßig war oder nicht (§ 100 Abs.1 Satz 4 FGO), ist zu bejahen. Mit einer entsprechenden Gerichtsentscheidung kann die Klägerin die Verwertung der getroffenen Prüfungsfeststellungen verhindern. Die aufgrund der gewonnenen Prüfungserkenntnisse geänderten Feststellungsbescheide sind noch nicht bestandskräftig.
2. Das FG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Es ist im Ergebnis ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß die gegenüber der Klägerin ergangene Prüfungsanordnung rechtmäßig ist und insbesondere nicht deshalb ermessensfehlerhaft ist, weil die Außenprüfung für einen Zeitraum von sechs Jahren angeordnet wurde.
Nach § 193 Abs.1 AO 1977 ist eine Prüfung ohne weiteres zulässig bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten (vgl. BFH-Urteil vom 2.September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4). Diese Voraussetzungen waren gegeben, weil die Klägerin im fraglichen Zeitraum Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hatte.
Die Prüfungsanordnung ist auch, was den zeitlichen Umfang der angeordneten Prüfung betrifft, rechts- und ermessensfehlerfrei.
a) Grundsätzlich kann das FA die zu prüfenden Besteuerungszeiträume nach seinem Ermessen festlegen (§§ 196, 194 Abs.1 Satz 2 AO 1977; BFH-Urteile vom 23.Juli 1985 VIII R 48/85, BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433; vom 30.März 1989 IV R 41/88, BFHE 156, 369, BStBl II 1989, 592; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 13.September 1978 1 BvR 499/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1979, 203). Dabei steht ihm grundsätzlich auch die Möglichkeit offen, sämtliche Veranlagungszeiträume zu prüfen. Allerdings muß das FA die Bestimmungen in der BpO(St) beachten. Mit diesen Verwaltungsregelungen hat die Finanzverwaltung ihrem Ermessen selbst Grenzen gesetzt. In der Verwaltungsvorschrift ist vorgesehen, daß der Prüfungszeitraum bei Großbetrieben an den vorhergehenden Prüfungszeitraum anschließen soll --§ 4 Abs.1 Satz 1 BpO(St)--, daß bei anderen Betrieben der Prüfungszeitraum aber nicht über die letzten drei Besteuerungszeiträume zurückreichen soll, für die vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung Steuererklärungen abgegeben wurden --§ 4 Abs.2 Satz 1 BpO(St)--.
In Befolgung dieser Richtlinien hat das FA den Prüfungszeitraum bis zum Jahre 1975 erstreckt. Der von der Klägerin unterhaltene Betrieb war, wie das FG in nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat und zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig ist, als Großbetrieb einzustufen und letztmalig für die Jahre 1973 und 1974 geprüft worden.
b) Die dem § 4 Abs.1 Satz 1 BpO(St) zugrunde liegenden Erwägungen, die das FA zur Grundlage seines Handelns gemacht hat, lassen Ermessensfehler nicht erkennen. Es ist sachgerecht, daß für Großbetriebe im Regelfall die sog. Anschlußprüfung vorgesehen ist. Das für die Anschlußprüfung maßgebliche Kriterium "Großbetrieb" ist nicht willkürlich, sondern orientiert sich an dem bei einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung zu berücksichtigenden Zweck der Ermächtigungsnorm (§ 5 AO 1977). § 194 Abs.1 Satz 2 AO 1977 bezweckt sicherzustellen, daß die steuerlichen Verhältnisse des der Außenprüfung unterliegenden Steuerpflichtigen in allen Jahren ermittelt werden können. Nur so können die Finanzbehörden ihren Auftrag, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze festzusetzen, erfüllen. Die Überprüfung der Steuererklärungen, insbesondere über die gewinnabhängigen Steuern durch die Veranlagungsstellen ist nicht hinreichend wirksam (vgl. BFH-Beschluß vom 17.September 1974 VII B 122/73, BFHE 113, 411, BStBl II 1975, 197; Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 193 AO 1977 Tz.8; Thiel, Steuerliche Betriebsprüfung im Rechtsstaat, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1986, 1 ff.; Wenzig, Die steuerliche Betriebsprüfung, Der Betrieb --DB--, Beilage Nr.17/1982). Angesichts dessen muß die regelmäßige Durchführung von Anschlußprüfungen bei Großbetrieben als sachgerecht angesehen werden, weil erfahrungsgemäß gerade bei ihnen die Verhältnisse so umfangreich sind, daß sie ohne eine Außenprüfung nicht mehr kontrolliert und zutreffend besteuert werden können (vgl. Beschluß in BFHE 113, 411, BStBl II 1975, 197; Frotscher, Die steuerliche Außenprüfung, 2.Aufl., S.55; Wittkowski, Der Prüfungszeitraum und seine Erweiterung, Buchführung, Bilanz und Kostenrechnung (Buchhaltungsbriefe) --BBK--, Fach 27, 2009; Erhard/Wenzig, Steuerliche Betriebsprüfung, 5.Aufl., S.38).
3. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das FA habe den Gleichheitssatz (Art.3 GG) nicht beachtet, weil nach der Prüfungspraxis der Finanzbehörden, wie sie in § 4 Abs.2 Satz 1 BpO(St) zum Ausdruck komme, andere Betriebe, insbesondere Mittelbetriebe in den Genuß erheblicher prüfungsfreier Zeiträume kämen und wegen der dadurch bedingten Steuerausfälle begünstigt würden. Denn es gibt keinen Gleichheitssatz des Inhalts, daß bestimmte Versäumnisse der Verwaltung allen Betroffenen in gleicher Weise zugute kommen müßten (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 14.September 1967 V 3/65, BFHE 90, 99, BStBl II 1968, 19; in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4; vom 20.Juni 1989 VIII R 82/86, BFHE 156, 543, 549, 550, BStBl II 1989, 836, m.w.N.). Insbesondere kann eine solche Forderung nicht auf den Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit gestützt werden.
Die Finanzbehörden sind gemäß § 85 AO 1977 verpflichtet, die Steuergesetze auf alle Steuerpflichtigen in gleicher Weise anzuwenden. Außerdem haben sie sicherzustellen, daß die Steuern nicht verkürzt werden. Diesem Zweck dient auch die in §§ 193 ff. AO 1977 geregelte Außenprüfung. Angesichts der einschneidenden Bedeutung, die die Besteuerung für den Staat, die Volkswirtschaft und für jeden Bürger hat, ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, daß der Staat die vorgesehene Besteuerung auch gegenüber jedermann gleichmäßig durchzusetzen versucht und dadurch Ungleichbehandlung und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten einzelner möglichst verhindert (vgl. BFH-Urteile vom 29.Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, 112; in BFHE 156, 543, 550, BStBl II 1989, 836).
Die Verpflichtung der Finanzbehörden, einen Steuerfall im Interesse einer gesetzmäßigen Besteuerung zu überprüfen, wird nicht dadurch beseitigt, daß andere ebenfalls prüfungsbedürftige Betriebe nicht geprüft worden sind (h.M., z.B. BFH-Urteile in BFHE 90, 99, BStBl II 1968, 19; BFHE 154, 425, 429, BStBl II 1989, 4; stillschweigend: BFH-Beschluß in BFHE 113, 411, BStBl II 1975, 197, und BFH-Urteil vom 26.Februar 1987 IV R 109/86, BFHE 149, 101, BStBl II 1987, 361; FG Bremen, Urteil vom 21.Januar 1982 II 50/81 K, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1982, 394; Offerhaus, Steuerliche Betriebsprüfung 1984, 215; Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 193 Anm.17; ders., Die steuerliche Außenprüfung, 2.Aufl., 1980, S.55; Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9.Aufl., § 193 AO 1977 Anm.304 und § 194 AO 1977 Anm.207; Papperitz, Finanz-Rundschau --FR-- 1979, 573, 574; derselbe, Die neue Betriebsprüfungsanordnung I., in Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 1989, 73, 74; Wittkowski, BBK, Fach 27, 2009, 2010; a.A. Tipke/Kruse, a.a.O., § 193 AO 1977 Tz.8; Hanke, Die steuerliche Betriebsprüfung und der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung, Betriebs-Berater --BB-- 1974, 1261, 1264). Art.3 Abs.1 GG fordert Gleichheit vor dem Gesetz, also Gleichheit im Recht. Eine Gleichheit im Gesetzesbruch kann es nicht geben (vgl. BVerfG-Urteil vom 4.April 1967 1 BvR 126/65, BVerfGE 21, 245, 261; Beschluß vom 12.Februar 1969 1 BvR 687/62, BVerfGE 25, 216, 229; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.Dezember 1969 VIII C 104/69, BVerwGE 34, 278; BFH-Urteile vom 20.Juli 1956 III 195/54 U, BFHE 63, 155, BStBl III 1956, 256; vom 5.Dezember 1963 IV 375/60 U, BFHE 78, 379, BStBl III 1964, 146; vom 24.Oktober 1985 IV R 75/84, BFHE 145, 302, 307, BStBl II 1986, 233; vom 4.Juni 1987 V R 9/79, BFHE 150, 192, BStBl II 1987, 653; in BFHE 156, 543, 551, BStBl II 1989, 836; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art.3 Abs.1 Rdnr.179; Gubelt in von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd.I, 3.Aufl., Art.3 Rdnr.36).
Fundstellen
Haufe-Index 63256 |
BFH/NV 1990, 57 |
BStBl II 1990, 721 |
BFHE 160, 409 |
BFHE 1991, 409 |
BB 1991, 682 |
BB 1991, 682-683 (LT1-2) |
DB 1990, 1849-1851 (LT) |
HFR 1990, 602 (LT) |
StE 1990, 293 (K) |