Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Steuerliche Behandlung von Zuführungen zu einem bei einem städtischen Viehmarkt - (Betrieb gewerblicher Art) gebildeten Seuchenstock.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Ziff. 6
Tatbestand
Die Stadt A. veranstaltet Nutz- und Zuchtviehmärkte. Der Betrieb dieser Märkte ist unbestrittenermaßen als Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.
Bei der Gewinnermittlung für den Zeitraum vom 1. April 1949 bis 31. März 1950 hat der Betrieb dem sogenannten Seuchenstock für den Viehmarkt über 60 000 DM zugeführt; dieser Betrag ist der gesamte überschuß des Betriebs in dem Veranlagungszeitraum. Das Finanzamt hat die Zuführung zum Seuchenstock als echte Rücklage behandelt, die nicht abzugsfähig sei.
Mit dem Seuchenstock hat es nach der Einspruchsbegründung und dem Schreiben der Stadt vom 22. August 1950 folgende Bewandtnis: Der städtische Viehmarkt sei der Natur der Sache nach stets von Seuchen bedroht. Die Stadt als Veranstalter des Marktes habe zwar keine rechtliche Verpflichtung, die Händler in solchen Fällen zu entschädigen, sei aber zur Verhütung der Abwanderung der Händler zu anderen Märkten dazu übergegangen, die Entschädigung bei Auftreten von Seuchen zu ermöglichen. Von der Sicherung durch Abschluß einer Viehversicherung sei wegen der verhältnismäßig hohen Kosten dieser Deckungsart abgesehen worden.
Aus den Mitteln der Stadt und der Händler werde ein sogenannter Seuchenstock gebildet. Dieser sei keine Rücklage der Stadt im Sinne der Rücklagenverordnung, erscheine nicht im Haushaltsplan. Die Stadt könne über die Mittel des Stocks nicht verfügen, vielmehr beschließe darüber ein Ausschuß, in dem die Stadt keine Mehrheit habe. Im Falle der Auflösung falle die Hälfte des Stocks an die Stadt zur Verwendung für gemeinnützige Zwecke, die andere an die Fachschaft. Die Mittel des Stocks würden nach der Satzung teils von den Händlern durch ein freiwilliges Aufgeld auf das Standgeld, teils von der Stadt durch Verzicht auf das ihr zustehende Stallgeld aufgebracht. In der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird hierzu noch angegeben, die Marktbesucher entrichteten das Aufgeld gemäß Vereinbarungen der Stadt mit den Organisationen der Marktbesucher. - Da die Mittel des Stocks durch die Währungsreform verlorengegangen seien, müßten dem Stock größere Mittel zugeführt werden. Das geschehe dadurch, daß der überschuß des Viehmarktes auf den Stock überführt würde.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg, ebenso die Berufung. Das Finanzgericht hat die Zuführungen zum Seuchenstock als Gewinnverwendung bezeichnet. Wenn die Stadt durch die Satzung für den Seuchenstock ihrem gewerblichen Betrieb die Abführung des Aufgeldes auf das Standgeld usw. an den Seuchenstock auferlege, so handele es sich bei den Zahlungen um die Verwendung von Betriebsgewinn, die den steuerpflichtigen Gewinn nicht mindern dürfe. Durch das Aufgeld auf das Standgeld und durch die Erhebung eines Aufgeldes für überstandsklauenvieh erhöhe der Viehmarkt seine Einnahmen und gleichzeitig seinen Gewinn. Es sei unzutreffend, daß das Vermögen des Seuchenstocks aus dem Vermögen der Stadt vollkommen ausgeschieden sei, weil die Hälfte des Bestandes der Stadt bei Auflösung zufalle. Die andere Hälfte falle zur gleichen Verwendung für gemeinnützige Zwecke an die Reichsfachschaft. Soweit von dem Viehmarktbetrieb aus dem Seuchenstock Entschädigungen zu zahlen seien, wären sie als Betriebsausgaben anzuerkennen. Dem Betrieb bleibe es unbenommen, abzugsfähige Betriebsausgaben durch Abschluß einer Versicherung herbeizuführen.
Mit der Rb. werden die früheren Einwendungen wiederholt. Insbesondere wird wiederum darauf verwiesen, daß das Vermögen des Seuchenstocks von dem der Stadt abgesondert sei. Der Stock sei keine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts. Er habe aber satzungsgemäß ein eigenes Organ, den Seuchenstockausschuß. Er sei zu selbständigem Handeln unabhängig von dem Willen der Stadtverwaltung fähig. Praktisch bilde er einen Versicherungsverein aus Marktbesuchern und der Stadt. Steuerpflichtige Selbstversicherung liege nicht vor. Es handle sich bei den Zuführungen nur um durchlaufende Posten.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes: Dem Senat erscheint die Sach- und Rechtslage hinsichtlich des Seuchenstocks noch nicht genügend geklärt, um endgültig Stellung nehmen zu können. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben; die Sache wird zur Ergänzung der Ermittlungen und neuerlichen rechtlichen Würdigung zweckmäßigerweise an das Finanzamt zurückverwiesen.
Das Finanzamt wird bei seiner Prüfung folgende Erwägungen berücksichtigen. 1. Wird festgestellt, daß der Seuchenstock, wie die Stadt behauptet, ein von dem Betrieb gewerblicher Art "Viehmarkt" sachlich und steuerlich verschiedenes Rechtssubjekt ist, dann sind die Ausführungen der Vorbehörden über die Nichtabzugsfähigkeit der Zuführungen an den Seuchenstock aus den überschüssen des Beschwerdeführers (Bf.) grundsätzlich zutreffend. Zweifelhaft bleibt dabei, ob dem Viehmarktbetrieb sämtliche Einnahmen zugerechnet werden können. Es wird der Einlassung der Stadt nachzugehen sein, nach der Satzung des Seuchenstocks seien gewisse Zahlungen der Marktbesucher ausschließlich für den Seuchenstock bestimmt, z. B. das Aufgeld auf das Standgeld usw., ebenso dem Einwand, die Satzungsbestimmungen über die Zuwendungen und die Art der Entschädigungsleistungen aus dem Seuchenstock beruhten auf Vereinbarungen zwischen der Stadt und den Organisationen der Marktbesucher. Die für die Zwecke des Seuchenstocks ausschließlich bestimmten Beträge, die in den Einnahmen des Viehmarktbetriebs enthalten sind, scheiden - unter der Voraussetzung der steuerrechtlichen Selbständigkeit des Seuchenstocks - aus den Einnahmen des Betriebs aus. Die zweckbestimmten Beträge, aber auch nur diese, sind entsprechend der Auffassung der Stadt durchlaufende Posten. Die darüber hinausgehenden Leistungen des Betriebs an den Seuchenstock sind keine Betriebsausgaben, sondern Gewinnverwendung und daher nicht abzugsfähig. Eine andere, hier nicht zu erörternde Frage ist die der Steuerpflicht des selbständigen Seuchenstocks. Für diesen dürfte die Behandlung als Zweckvermögen oder als Betrieb gewerblicher Art in Frage kommen, wenn man seine Tätigkeit als eine Art von Versicherung auffaßt, wie dies die Stadt tut. Als Zweckvermögen würde der Stock unter § 1 Abs. 1 Ziff. 5 in Verbindung mit § 3 KStG fallen. 2. Ist der Seuchenstock steuerlich als nicht selbständig zu betrachten, wie das die Vorbehörden anzunehmen scheinen, dann muß er steuerlich dem Betrieb gewerblicher Art "Viehmarkt" zugerechnet werden. Diese auf wirtschaftlicher Erwägung beruhende Beurteilung dürfte der Sachlage wohl mehr entsprechen als die oben angeführte Selbständigkeit. In diesem Falle aber kann sich die steuerliche Behandlung unter Umständen gegenüber dem seitherigen Verfahren ändern. Ergibt nämlich die Prüfung, daß die Entschädigungen aus dem Seuchenstock auf Grund von Vereinbarungen der Stadt mit den Marktbesucherorganisationen geleistet werden, die in der Satzung des Seuchenstocks ihren Niederschlag gefunden haben, so können sich die Leistungen als Erfüllung von Verpflichtungen auf Grund eines Vertragsverhältnisses besonderer Art darstellen, die steuerlich nicht unberücksichtigt bleiben können. Daß die Gründung des Seuchenstocks auf freiwilliger Entschließung der Beteiligten beruht, steht der Berücksichtigung nicht entgegen. Es braucht nur eine solche Verbindlichkeit zur Leistung bestehen, der sich der Seuchenstock, also der Viehmarktbetrieb, nicht zu entziehen vermag. Dem schwebenden Risiko kann allenfalls der Viehmarktbetrieb durch Rückstellungen nach Art derjenigen für schwankenden Jahresbedarf bei Versicherungsunternehmungen Rechnung tragen. Die Zulassung einer derartigen Rückstellung wird nicht verweigert werden können, wenn das Finanzamt zu der Feststellung kommt, daß der Seuchenstock wirtschaftlich betrachtet einer Versicherung gleichgestellt werden kann. Die Rückstellung ist nur in der Höhe zulässig, in der eine unmittelbar drohende Gefahr besteht. Daher geht es nicht an, in einem oder zwei Jahren durch hohe Zuwendungen die Verluste aus der Währungsreform auszugleichen.
Fundstellen
Haufe-Index 408177 |
BStBl III 1955, 176 |
BFHE 1955, 461 |
BFHE 60, 461 |
DB 1955, 547 |