Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer, Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen eines Vaters, die mit der Ablegung der Meisterprüfung seines bei ihm als Gesellen arbeitenden Sohnes zusammenhängen, gehören zu den Lebensführungskosten des Vaters, wenn die übernahme der Kosten in erster Linie auf familiären überlegungen beruht und betriebliche Gründe nur mitbestimmend sind.
Die Zurechnung der Aufwendungen zu den Lebensführungskosten verstößt in dem Fall nicht gegen die Art. 3 und 6 GG.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1, § 33a/1, § 33a/2/1, § 33a/4; GG Art. 3, 6
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -), ein Schneidermeister, betreibt eine Maßschneiderei. Im Streitjahr 1960 beschäftigte er 20 Angestellte, darunter seinen damals 29 jährigen verheirateten Sohn, der das Geschäft später einmal übernehmen soll. Vom 4. Januar bis 8. April 1960 nahm der Sohn an einem auswärtigen Vorbereitungslehrgang für die Meisterprüfung teil. Die Kosten dieses Lehrgangs und der abschließenden Prüfung trug der Stpfl., und verbuchte sie als Betriebsausgaben. Außerdem zahlte der Stpfl. seinem Sohn während der Lehrgangsdauer den Monatslohn weiter.
Der Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die Lehrgangs- und Prüfungskosten nicht als Betriebsausgaben an, weil es sich nicht um betriebsbedingte Aufwendungen, sondern um Ausbildungskosten gehandelt habe, bei denen verwandtschaftliche Erwägungen im Vordergrund gestanden hätten. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG, dessen Entscheidung in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1964 S. 319 abgedruckt ist, trat der Auffassung des FA bei, sah aber auch die Lohnzahlungen nicht als betrieblich veranlaßt an, da sie aus dem gleichen Grund wie die Lehrgangskosten geleistet worden seien. Andererseits gestand das FG dem Stpfl. einen Abzug für außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 EStG zu.
Mit der Rb. (Revision) rügt der Stpfl. falsche Rechtsanwendung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanz hat in freier Beweiswürdigung festgestellt, daß der Betrieb des Stpfl. nach seiner Größe keine zwei Meister benötigte und deshalb kein betriebliches Bedürfnis für die Ausbildung des Sohnes zum Meister bestanden habe. Daraus konnte die Vorinstanz folgern, daß der Stpfl. einem fremden Arbeitnehmer die Vorbereitung und Ablegung der Meisterprüfung nicht finanziert hätte. Sie konnte ferner mit berücksichtigen, daß es im allgemeinen bei mittleren Handwerksbetrieben auch nicht üblich ist, einen fremden Arbeitnehmer auf Betriebskosten zum Nachfolger heranzubilden. Diese Umstände sprechen in hohem Masse gegen eine betriebliche Veranlassung für die Kostenübernahme. Die Würdigung der Vorinstanz, im Streitfall seien in erster Linie familiäre überlegungen maßgebend gewesen, ist deshalb nicht zu beanstanden, so daß sie für den Senat bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Fehlte es aber an der betrieblichen Veranlassung für die Aufwendungen, so waren diese keine Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 S. 1 EStG 1960).
Dem Stpfl. ist zuzugeben, daß der Unternehmer in der Regel nach freiem Ermessen zu entscheiden hat, ob und welche Aufwendungen er im betrieblichen Interesse machen will. Dabei kommt es im allgemeinen nicht darauf an, ob die Aufwendungen objektiv notwendig oder üblich sind. Die Entscheidungsbefugnis des Unternehmers findet aber ihre Grenze, wo die Aufwendungen auch die Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren. Da Lebensführungskosten nach § 12 Ziff 1 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte nicht abgezogen werden können, ist die Grenze objektiv zu bestimmen. Es kommt also nicht auf die Auffassung und das Ermessen des Steuerpflichtigen an, ob und in welchem Umfang gewisse Aufwendungen mit betrieblichen Erwägungen oder mit der privaten Lebensführung zusammenhängen. über den Zusammenhang ist vielmehr unter Würdigung aller Umstände des Falles zu entscheiden. (Vgl. u. a. Urteile des BFH VI 128/61 U vom 1. Dezember 1961, BStBl 1962 III S. 184 Slg. Bd. 74 S. 489, und IV 220/63 S vom 6. Dezember 1963, BStBl 1964 III S. 134 Slg. Bd. 78 S. 344).
Aufwendungen eines Vaters, die mit der Ablegung der Meisterprüfung seines Sohnes zusammenhängen, gehören im allgemeinen zu den Lebenshaltungskosten des Vaters, da es sich um Ausgaben für die Ausbildung des Sohnes zu einem Beruf handelt (Urteil des BFH VI 118/61 U vom 13. Oktober 1961, BStBl 1962 III S. 48 Slg. Bd. 74 S. 124). Das gilt auch dann, wenn für den Vater der Wunsch oder die Notwendigkeit, dadurch einen geeigneten Vertreter für sein Geschäft heranzubilden, mitbestimmend gewesen ist. Nach § 12 Ziff. 1 EStG dürfen Ausgaben für die Lebensführung bei der Ermittlung der Einkünfte auch dann nicht abgezogen werden, wenn sie zur Förderung des Berufs des Steuerpflichtigen erfolgen. Eine Aufteilung der Kosten nach familiärer und betrieblicher Veranlassung läßt sich im Streitfall mangels eines geeigneten Maßstabs nicht durchführen. Den Betriebsausgaben hätten die Aufwendungen nur dann zugerechnet werden können, wenn ganz überwiegend betriebliche Gründe maßgebend gewesen wären. Diese Voraussetzung fehlte jedoch nach der den Senat bindenden Feststellung der Vorinstanz im Streitfall.
Es ist dem Stpfl. darin zuzustimmen, daß Aufwendungen, die ein Handwerksgeselle für die Ablegung der Meisterprüfung aus eigenen Einkünften macht, für diesen Fortbildungskosten darstellen und von ihm als Werbungskosten bei der Ermittlung seiner Einkünfte abgesetzt werden können (§ 9 EStG). Werden die Kosten aber vom Vater aufgebracht, so stellen sie beim Vater Kosten für die Berufsausbildung seines Sohnes dar (Urteil des BFH VI 118/61 U). Der Auffassung des Stpfl., die Kosten würden, auch wenn der Vater die Mittel zur Verfügung stellt, vom Sohn getragen und seien deshalb Fortbildungskosten, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Diese Auffassung würde aber auch zu keiner anderen Beurteilung führen. Im Streitfall geht es nicht um die Besteuerung des Sohnes, sondern des Vaters. Für diesen handelt es sich um Unterhaltsleistungen an seinen Sohn, die nach § 12 Ziff. 1 EStG nicht als Betriebsausgabe abgesetzt werden können.
Es mag sein, daß das Arbeitsverhältnis durch die Teilnahme des Sohnes an dem Lehrgang nicht unterbrochen wurde. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses schließt aber nicht notwendig aus, daß der Stpfl. während dieser Zeit Unterhaltszahlungen statt Arbeitslöhne leistete. Die Vorinstanz durfte sich darauf stützen, daß bei derartigen Beurlaubungen im Handwerksgewerbe üblicherweise kein Lohn fortgezahlt wird. Es entspricht der Rechtsprechung des BFH, bei der Prüfung der Angemessenheit der Arbeitsvergütungen an Kinder, die im elterlichen Betrieb mitarbeiten, in der Regel von einem Vergleich mit fremden Arbeitnehmern auszugehen und den unangemessenen Teil der Bezüge als nicht durch den Betrieb, sondern durch familiäre Erwägungen veranlaßt zu behandeln (vgl. Urteil des BFH IV 303/58 S vom 8. Februar 1962, BStBl 1962 III S. 412, Slg. Bd. 75 S. 394). Die Feststellung der Vorinstanz, der Stpfl. habe keine Arbeitsvergütung, sondern Unterhalt gewährt, ist deshalb rechtlich möglich. Ob auf Grund dieser Beurteilung Lohnsteuererstattung in Betracht kommt, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Ein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) liegt nicht vor. Der Stpfl. sieht einen solchen Verstoß darin, daß die Kosten für den Lehrgang und die Meisterprüfung als Betriebsausgaben anerkannt worden wären, wenn es sich nicht um den Sohn, sondern um einen fremden Arbeitnehmer gehandelt hätte. Bei dieser Betrachtung werden die vorhandenen Unterschiede im Sachverhalt außer acht gelassen. Für die Annahme von Betriebsausgaben ist Voraussetzung, daß die Aufwendungen durch den Betrieb veranlaßt sind. Es ist dabei rechtlich einerlei, ob die Ausgaben an ein im elterlichen Betrieb arbeitendes Kind oder an einen fremden Betriebsangehörigen fließen. So fallen z. B. an das Kind gezahlte angemessene Arbeitsvergütungen unter den Begriff Betriebsausgaben. Sind andererseits Ausgaben nicht durch den Betrieb veranlaßt, so bilden sie nicht nur beim Kind, sondern auch bei einem fremden Arbeitnehmer keine Betriebsausgaben. Aus diesen Grundsätzen folgt aber nicht, wie der Stpfl. offenbar meint, daß vergleichbare Ausgaben, die bei einem fremden Arbeitnehmer Betriebsausgaben darstellen, auch notwendig bei einem im Betrieb beschäftigten Kind Betriebsausgaben sein müssen. Sachverhaltsmäßig wird die betriebliche Veranlassung für Ausgaben bei einem fremden Arbeitnehmer in der Regel gegeben sein, beim Kind kann sie hingegen fehlen. Hier handelt es sich dann um unterschiedliche Rechtsfolgen, die sich aus der Verschiedenheit der Sachverhalte ergeben. Dadurch wird weder der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt, noch der Schutz der Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG beeinträchtigt.
Aber auch die Feststellung des - verglichen mit einem fremden Arbeitnehmer - abweichenden Sachverhalts im Streitfall begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zur Abgrenzung der abzugsfähigen von den nichtabzugsfähigen Ausgaben bestimmt § 12 Ziff. 1 Satz 1 EStG, daß die für den Haushalt des Stpfl. und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge unter die nichtabzugsfähigen Ausgaben fallen. Der Belastung durch den Familienunterhalt trägt das EStG u. a. in § 32 (Kinderfreibetrag) und § 33a (außergewöhnliche Belastungen) Rechnung. Die Regelung geht von der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen aus und liegt im Rahmen des Ermessens des Gesetzgebers (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - 1 BvL 20/61 vom 20. März 1963, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 15 S. 328, 333). Das trifft ebenso zu auf die Bestimmung des § 12 Ziff. 1 Satz 2 EStG, wonach Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Stpfl. mit sich bringt, zu den nichtabzugsfähigen Ausgaben gehören, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Diese Vorschrift gilt für alle Steuerpflichtigen, ohne Rücksicht auf den Familienstand. Sie soll die Schwierigkeit lösen, die sich daraus ergibt, daß es in derartigen Fällen oft an einem geeigneten Aufteilungsmaßstab fehlt. Verstößt danach die gesetzliche Vorschrift des § 12 Ziff. 1 EStG nicht gegen die Art. 3 und 6 Abs. 1 GG, so kann auch die von der Vorinstanz im Streitfall daraus zutreffend abgeleitete Rechtsfolge nicht das GG verletzen.
Fundstellen
Haufe-Index 412108 |
BStBl III 1966, 490 |
BFHE 1966, 297 |
BFHE 86, 297 |
BB 1966, 1012 |
DB 1966, 1257 |
DStR 1966, 544 |