Leitsatz (amtlich)

1. Zur Tarifierung von sog. „Maize grits”.

2. Die Übertragung von Befugnissen an die EVSt für Getreide und Futtermittel zur Errechnung und Bekanntgabe von Abschöpfungssätzen durch § 6 Abs. 1 und 2 DurchfG EWG Getr (in der maßgebenden Fassung) ist mit Art. 80 GG vereinbar.

 

Normenkette

GZT: Tarifstelle 11.02-A-III-b; AbT: Tarifstelle 11.02-(E)-I; DZT: Tarifstellen 11.02-A-III-b; DZT: Tarifstellen 21.07-B; Erläuterungen zum DZT: I (2) Nr. 21 zur Tarifnr. 21.07; GG: Art. 80; EWGVtr Art. 189 Abs. 4; EWGV 19/62 Art. 1 d und Anlage, Art. 2-3, 4 bis, Art. 8, 14, 15 Abs. 2, Art. 26; EWGV 55/62 Art. 5; EWGV 67/62; EWGV 89/62; DurchfG EWG Getr: § 5; DurchfG EWG Getr: § 6 Abs. 1; DurchfG EWG Getr: § 6 Abs. 2; ÄndG zum DurchfG EWG Getr: vom 19. Juli 1963; VO über die Änderung von Abschöpfungssätzen für eingeführtes Getreide und eingeführte Getreideerzeugnisse vom 25. März 1964

 

Tatbestand

I.

1. Die Klägerin beantragte am 23. März 1964 die Abfertigung von 249 988 kg und am 31. März 1964 von weiteren 359 538 kg einer Ware zum freien Verkehr, die in den Zollanmeldungen als „Maize grits, Lebensmittel für den menschlichen Genuß bestimmt, ohne Zucker” bzw. als „Maize grits, Lebensmittel, anderweitig weder genannt noch inbegriffen, bestimmt für den menschlichen Genuß, ungezuckert” bezeichnet wurde. Die Zollstelle wies die Ware, die aus Südafrika stammte, zunächst antragsgemäß als Lebensmittelzubereitung der Stelle 21.07-B des Deutschen Zolltarifs – DZT – (Außenzollsatz 25 %, Ausgleichsteuersatz 6 %) zu. Auf Grund des Ergebnisses der Untersuchung von Proben durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) X wies sie jedoch später die Waren als Maisgrieß der Stelle 11.02-A-III-b des DZT bzw. der Stelle 11.02-(E)-I des Abschöpfungstarifs zu und forderte unter Zugrundelegung des am Tage der Einfuhr gültigen Abschöpfungssatzes von 376,16 DM/1 000 kg unter Berücksichtigung des bereits erhobenen Zolls und der bereits erhobenen Ausgleichsteuer durch Bescheide vom 23. April und 8. Mai 1964 insgesamt 167 958,30 DM an Abschöpfung von der Klägerin nach. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Auch die als Klage behandelte Berufung blieb erfolglos.

Die Klägerin legte gegen die Vorentscheidung Revision ein mit dem Antrag, unter Änderung der Vorentscheidung die beiden Einspruchsentscheidungen vom 12. Juni 1964 und die Nachforderungsbescheide vom 23. April und 8. Mai 1964 aufzuheben.

Das Hauptzollamt (HZA) beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

2. Der Bundesfinanzhof (BFH) setzte durch Beschluß vom 12. Januar 1971 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 101 S. 185 – BFH 101, 185 –, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1971 S. 206 – HFR 1971, 206 –) das Verfahren aus und holte gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) eine Vorabentscheidung ein.

Der EGH entschied in seinem Urteil Rs 13/71 vom 14. Juli 1971 (Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 1971 S. 767 – Slg. EGH 1971, 767 –, HFR 1971, 497) über die vorgelegte Frage.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

1. Die Vorinstanz hat die Auffassung vertreten, daß die von der Klägerin eingeführte Ware ihrer Beschaffenheit nach ein Grieß von Mais im Sinne der Tarif stelle 11.02-A-III-b DZT ist und daher der Abschöpfung nach der Tarif stelle 11.02-(E)-I des Abschöpfungstarifs (AbT) unterliegt. Nach der Feststellung der Vorinstanz ist die Ware etwas gröber als handelsüblicher Grieß, so daß sie eher als Grütze zu bezeichnen wäre. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin stellt die Ware ein Mahlprodukt aus geschältem und entkeimtem Mais dar, das einen geringen Fettgehalt von 0,9 bis 1,5 % enthält. Entsprechend der Auslegung des Begriffs „Grobgrieß von Mais” im Sinne des Art. 1 Buchst. d der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 – VO (EWG) 19/62 – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1962 S. 933 – ABlEG 1962, 933 –) in Verbindung mit der Anlage dazu (Gemeinsamer Zolltarif – GZT –: Tarifstelle 11.02-A-III-b) durch den EGH in seinem Urteil Rs 13/71 vom 14. Juli 1971 handelt es sich bei der in Rede stehenden Ware um einen solchen Grobgrieß von Mais, weil sie aus Bruchstücken des Mehlkörpers besteht, die weniger grob und unregelmäßig sind als geschrotete Getreidekörner, jedoch eine gröbere Körnung aufweisen als Feingrieß, aus der müllerischen Verarbeitung des geschälten Maiskornes, dem der Maiskeim entzogen worden ist, hervorgegangen sind und deren Fettgehalt, bezogen auf die Trockenmasse, sehr gering ist.

Die Klägerin kann sich für ihre Tarifauffassung nicht darauf berufen, daß der Begriff „Maize grits” in den Erläuterungen I (2) Nr. 21 zu Tarifnr. 21.07 aufgeführt ist; denn dort ist dieser Begriff näher erläutert als ein Zwischenerzeugnis zur Herstellung von Corn flakes oder von ähnlichen Waren, bestehend aus zerkleinerten, in Wasser unter Druck gekochten, nur getrockneten Maiskörner, denen Malz-Auszüge, Zucker und Salz zugesetzt sind. Um eine derart beschaffene Ware handelt es sich aber im Streitfalle nicht. Wenn der Verordnungsgeber einen Begriff verwendet und diesen gleichzeitig dahin erläutert, wie er ihn verstanden haben will, kann es nicht entscheidend sein, wie dieser Begriff sonst im internationalen Handel verstanden wird. Demnach kann die Rüge der Klägerin, das FG habe gegen § 96 FGO insofern verstoßen, als es bei der Urteilsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt habe, nicht durchgreifen.

2. Zutreffend weist das FG darauf hin, daß die Nachforderung der Abgaben auch nicht gegen Treu und Glauben verstößt, weil die Klägerin nicht geltend machen kann, sie sei durch irreführende Erläuterungen zu falschen Dispositionen veranlaßt worden. Abgesehen davon kann sie sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auch deswegen nicht auf Treu und Glauben berufen, weil sie es unterlassen hat, über die Ware eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) einzuholen.

3. Der Senat hat auch keine Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Übertragung von Befugnissen an die EVSt zur Errechnung und Bekanntgabe der Abschöpfungssätze (§ 6 Abs. 1 und 2 DurchfG EWG Getr in der hier maßgebenden Fassung), wie sie in dem Vorlagebeschluß des FG Rheinland-Pfalz vom 14. Oktober 1970 geäußert sind.

a) Grundlage für die Abschöpfungserhebung für Getreide war die VO (EWG) 19/62. In Art. 2 sah sie für die Einfuhren aus Mitgliedstaaten die Erhebung einer innergemeinschaftlichen Abschöpfung vor, die dem Unterschied zwischen dem Preis frei Grenze des ausführenden Mitgliedstaates und dem Schwellenpreis des einführenden Mitgliedstaates entsprach, wobei der Unterschiedsbetrag noch um einen bestimmten Pauschbetrag verringert wurde.

Der genannte Frei-Grenze-Preis wurde von der Kommission der EWG nach festgelegten Kriterien bestimmt (Art. 3) und in Form einer Entscheidung den Mitgliedstaaten bekanntgegeben. Entscheidungen sind nach Art. 189 Abs. 4 EWGV zwar nur für den verbindlich, den sie bezeichnen. Dies hat aber in der Regel zur Bedeutung, wenn sie den betreffenden Mitgliedstaat zu einer Handlung verpflichten. Die Mitteilung eines bestimmten Preises verpflichtet für sich nicht zu einem Handeln, sondern stellt lediglich einen Bestandteil der Berechnung der innergemeinschaftlichen Abschöpfung dar. Hierbei kann dahinstehen, ob die Festsetzung des Frei-Grenze-Preises durch die Kommission lediglich ein deklaratorischer Feststellungsakt ist und die maßgebenden Rechtsetzungsakte in der VO (EWG) 89/62 vom 25. Juli 1962 (ABlEG 1962, 1899) bzw. in Art. 3 der VO (EWG) 19/62 enthalten sind oder ob die Entscheidung der Kommission als Rechtsetzungsakt anzusehen ist. In jedem Fall kann der Staatsbürger aus diesen Bestimmungen den Frei-Grenze-Preis als Berechnungsfaktor erkennen und die Abgabenbelastung insoweit vorhersehen. Er kann sich auch im Streitfall unmittelbar auf diesen Preis berufen. Die auf Art. 189 Abs. 4 EWGV gestützten Bedenken der Klägerin erscheinen nicht begründet, weil auch nach der Rechtsprechung des EGH Art. 189 Abs. 4 EWGV unmittelbaren Wirkung von Entscheidungen in diesem Sinne nicht entgegensteht (s. Rs 9/70 vom 6. Oktober 1970, Slg.EGH 1970, 825, BStBl I 1970, 1011, Bundeszollblatt 1970 S. 1290 – BZBl 1970, 1290 –).

Der Schwellenpreis wurde als weiterer Berechnungsfaktor auf Grund der Art. 4 bis 8 der VO (EWG) 19/62 von den Mitgliedstaaten festgesetzt. Die Ermächtigung in § 5 DurchfG EWG Getr stand mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG in Einklang (s. Entscheidung des BVerfG 2 BvR 618/68 vom 13. Oktober 1970, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 29 S. 198 – BVerfGE 29, 198 –, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1971 S. 19).

Die Berechnungsfaktoren für die Abschöpfungssätze standen somit auf Grund von Rechtsetzungsakten der EWG-Organe und der Bundesrepublik Deutschland (BRD) fest. Insofern war für eine Ermächtigung der EVSt zu Rechtsetzungsakten kein Raum. Die EVSt setzte die Abschöpfungssätze nicht etwa wie ein Gesetz- oder Verordnungsgeber fest, sondern hatte sie lediglich nach dem gesetzlich festgesetzten Berechnungsfaktoren zu errechnen und bekanntzugeben. Hierbei fehlte ihr auch jeder Ermessensspielraum. Diese Errechnung der Abschöpfungssätze auf Grund der Berechnungsfaktoren und ihre Bekanntgabe waren nach alledem Verwaltungsaufgaben wie etwa die Festsetzung der Abzüge vom Grundpreis bei der Übernahme von außerhalb des Brennrechts hergestellten Branntwein durch die Monopolverwaltung (siehe Entscheidung des BVerfG 1 BvR 301, 302/59 vom 22. Mai 1962, BVerfGE 14, 105, [113]).

Die EVSt hatte auch bis zum Inkrafttreten (29. März 1964) der Verordnung über die Änderung von Abschöpfungssätzen für eingeführtes Getreide und eingeführte Getreideerzeugnisse vom 25. März 1964 (BGBl I 1964, 227) mangels einer gesetzlichen Regelung keinen Ermessensspielraum für die Änderung der Abschöpfungssätze. Nach der ursprünglichen Fassung des § 6 Abs. 1 Satz 2 DurchfG EWG Getr hatte die EVSt die Abschöpfungssätze nach Maßgabe der Durchführungsbestimmungen der Kommission gemäß Art. 15 Abs. 2 der VO (EWG) 19/62 zu ändern. Auf Grund von Art. 15 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 26 der VO (EWG) 19/62 legte die Kommission in der VO (EWG) 67/62 vom 11. Juli 1962 (ABlEG 1962, 1860) die Kriterien für die Änderung der Abschöpfungssätze fest. Danach wurde der Abschöpfungsbetrag je Tonne geändert, sobald sich die Berechnungsfaktoren gegenüber den früheren Abschöpfungssätzen so stark verschoben hatten, daß sich hieraus eine Erhöhung oder Senkung um einen Mindestbetrag ergab, den jeder Mitgliedstaat für jedes der betreffenden Erzeugnisse zwischen der oberen Grenze von 0,75 RE und der unteren Grenze von 0,45 RE festsetzte. Der Abschöpfungssatz blieb dagegen unverändert, wenn die Veränderung der Berechnungsfaktoren eine Erhöhung oder Senkung gegenüber dem vorher geltenden Satz ergab, die diesen Mindestbetrag nicht erreichte. Solange dieser Mindestbetrag nicht in der BRD festgesetzt war, durfte die EVSt daher nach Maßgabe der VO (EWG) 67/62 die Abschöpfungssätze nur unter Zugrundelegung eines Mindestbetrages an der unteren Grenze, also bei 0,45 RE, ändern. Denn die EVSt war nicht ermächtigt worden, den Mindestbetrag von sich aus zu bestimmen. Offensichtlich konnte die am 11. Juli 1962 erlassene VO (EWG) 67/62 im Gesetzgebungsverfahren für das DurchfG EWG Getr nicht mehr rechtzeitig berücksichtigt werden, so daß in § 6 Abs. 1 Satz 2 DurchfG EWG Getr lediglich der in Art. 15 Abs. 2 Satz 2 der VO (EWG) 19/62 enthaltene Hinweis auf die Durchführungsbestimmungen wiederholt und der Verpflichtung zur Festsetzung des Mindestbetrages auf Grund der VO (EWG) 67/62 erst im nächsten Änderungsgesetz zum DurchfG EWG Getr vom 19. Juli 1963 (BGBl I 1963, 493) Rechnung getragen wurde. Gleichwohl war die EVSt nicht befugt, selbst den Mindestbetrag festzusetzen oder die Abschöpfungssätze auf Grund eines Margenspielraums von 0,75 RE und 0,45 RE nach eigenem Ermessen zu ändern.

b) Da bei der Abschöpfungserhebung für Grobgrieß aus Mais von dem Abschöpfungsbetrag für das Grunderzeugnis Mais auszugehen ist (Art. 14 VO (EWG) 19/62 in Verbindung mit Art. 5 VO (EWG) 55/62 – ABlEG 1962, 1583 –), gelten die vorstehenden Ausführungen hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 6 Abs. 1 und 2 DurchfG EWG Getr mit Art. 80 GG in gleicher Weise für die Errechnung und Bekanntgabe des Abschöpfungsbetrages für Grobgrieß aus Mais.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514780

BFHE 1972, 572

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