Leitsatz (amtlich)
Bei den Sonderausgaben ist der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d EStG um die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten auch dann zu kürzen, wenn der versicherte Arbeitnehmer ein Altersruhegeld nicht erhalten wird, weil er die erforderlichen 180 Versicherungsmonate nicht erreicht.
Normenkette
EStG 1969 § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Facharzt und Chefarzt eines Städtischen Krankenhauses. Bei der Veranlagung des Klägers und seiner Ehefrau zur Einkommensteuer 1969 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) bei der Berechnung des Höchstbetrages für Sonderausgaben den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1 733 DM von dem Vorabbetrag des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d EStG ab und berücksichtigte demgemäß die beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben nicht mit 8 600 DM, sondern mit 6 867 DM.
Die dagegen erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG folgte der Auffassung der Kläger nicht, daß eine Kürzung des Sondersausgabenhöchstbetrages um den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung nicht erfolgen dürfe, weil der Kläger erst seit dem 1. Januar 1969 im Angestelltenverhältnis gestanden habe und deshalb nicht mehr in den Genuß eines Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung kommen könne, da er bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres die Mindestversicherungsdauer von 180 Beitragsmonaten nicht mehr erreichen könne. Das FG führte in dem in EFG 1972 S. 483 veröffentlichten Urteil aus: Die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d EStG sei durch das Steueränderungsgesetz 1961 vom 13. Juli 1961 - StÄndG 1961 - (BStBl I 1961, 444) eingeführt und durch Art. 1 Nr. 6 StÄndG 1964 vom 16. November 1964 (BStBl I 1964, 553) hinsichtlich der Höhe des Vorwegabzuges geändert worden; sie solle nach der amtlichen Begründung (Bundestagsdrucksache 2573, 3. Wahlperiode, S. 21; DB 1961, 852) den selbständig Tätigen einen Ausgleich dafür bieten, daß der gesetzliche Beitragsanteil des Arbeitgebers zur Rentenversicherung beim Arbeitnehmer als steuerfreier Arbeitslohn behandelt werde (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV 1968, § 2 Abs. 4 LStDV 1970). Diese Ausgleichsfunktion des zusätzlichen Höchstbetrages zugunsten der selbständig Tätigen würde beseitigt werden, wenn die steuerfreien Beiträge der Arbeitgeber zur gesetzlichen Rentenversicherung bei den Arbeitnehmern nochmals im Rahmen des Vorwegabzuges berücksichtigt werden könnten. Nicht nur der Wortlaut des Gesetzes sei eindeutig, sondern auch sein Zweck und die Absicht des Gesetzgebers.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragen die Kläger., das Urteil des FG aufzuheben und den Höchstbetrag für die beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben ohne die Kürzung um den Arbeitgeberanteil zu berücksichtigen. Sie rügen Verletzung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d zweiter Halbsatz EStG und machten geltend, die Vorschrift sei ihrem Sinn nach dahin auszulegen, daß die zusätzlichen Höchstbeträge lediglich um Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung zu kürzen seien, welche zur Zeit der Beitragsleistung als zur Alterssicherung des Arbeitnehmers geeignet erschienen. Es gehe hier nicht um die Frage, ob die steuerfreien Beiträge des Arbeitgebers nochmals im Rahmen des Vorwegabzuges als Sonderausgaben einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten, wie das FG meine; denn die Kläger machten hier nicht Leistungen des Arbeitgebers, sondern eigene Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben geltend. Die Auslegung der streitigen Vorschrift durch das FG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine ohne weiteres ihrem sachlichen Zweck entsprechende Auslegung der streitigen Vorschrift und damit eine verfassungskonforme Auslegung sei möglich, da nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland das sozialstaatliche Prinzip gelte. Durch die Arbeitgeberanteile habe der Kläger Nachteile in zweifacher Hinsicht. Einmal könnte sonst sein Gehalt um die Arbeitgeberanteile höher liegen bzw. könnte er diese zur Einzahlung in eine Lebensversicherung verwenden und außerdem würde ihm der zusätzliche Sonderausgabenhöchstbetrag um diese für ihn ohnehin nachteiligen Anteile nach der Ansicht des FG gekürzt, obwohl er sich selbst in vollem Umfang um seine eigene Altersversorgung kümmern müsse. Das könne unter dem "sozialstaatlichen Prinzip" nicht Rechtens sein.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das Urteil des FG verletzt nicht das geltende Recht, wenn es dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d EStG 1969 folgend die nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG abzugsfähigen Sonderausgaben um die vom Arbeitgeber geleisteten Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Angestelltenversicherung gekürzt hat. Die durch das Steueränderungsgesetz 1961 eingeführte Erweiterung der nur beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben durch Gewährung eines Vorwegabzugs für sog. Vorsorgeversicherungsprämien ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich insoweit nicht gegeben, als der Arbeitgeber eines Steuerpflichtigen nach §§ 112 Abs. 4, 118 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) diese ihm durch Gesetz auferlegten Leistungen zur Rentenversicherung seines Arbeitnehmers erbracht hat. Diese Arbeitgeberanteile sind immer dem Grunde und der Höhe nach auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers bezogen und haben auch ihre Bemessungsgrundlage in dem diesem gewährten Arbeitsentgelt (Lohn oder Gehalt). Dabei ist unerheblich, daß der Arbeitgeber mit seinem Beitrag eine eigene gesetzliche Verpflichtung erfüllt.
Die Kläger können auch nicht mit ihrer Auffassung durchdringen, eine sachgerechte und verfassungskonforme Auslegung der streitigen Vorschrift gegen ihren Wortlaut sei jedenfalls insoweit geboten, als Versicherungsbeiträge zur Rentenversicherung zu keinem Altersruhegeld führen könnten, weil das Versicherungsverhältnis zu kurzfristig sei, um die vom Angestelltenversicherungsgesetz geforderten 180 Beitragsmonate zu erfüllen. Das FG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß auch im Streitfall eine gewisse Vorsorge in Betracht komme, wenn nämlich 60 Beitragsmonate erreicht würden und damit für den Fall einer vorzeitigen Invalidität eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gewährt werden müßte, die auch nach dem 65. Lebensjahr weiterlaufen muß, weil sie nicht durch ein Altersruhegeld abgelöst wird. Der Senat ist aber unabhängig hiervon der Auffassung, daß der Wortlaut der streitigen Anrechnungsvorschrift des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d EStG es nicht zuläßt, auf die Auswirkung der Arbeitgeberbeiträge im Hinblick auf spätere Rentenansprüche abzustellen. Demgemäß hat der Senat in dem Urteil vom 10. Mai 1974 VI R 142/71 (BStBl II 1974, 634) dahin entschieden, daß der Vorwegabzug auch dann um die Arbeitgeberbeiträge zu kürzen ist, wenn diese für einen nach § 6 AVG versicherungsfreien Arbeitnehmer nach § 113 AVG entrichtet werden mußten, der bereits das 65. Lebensjahr erreicht hatte und Altersruhegeld bezieht. Nach der Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber seinen Ermessensspielraum nicht verletzt, wenn er bei der Erweiterung der abzugsfähigen Sonderausgaben um einen zusätzlichen Freibetrag für Versicherungsbeiträge eine Kürzung um die in der Regel zukunftsichernden Beiträge des Arbeitgebers zur gesetzlichen Rentenversicherung des Arbeitnehmers verlangt. Eine Willkür des Gesetzgebers liegt nicht bereits darin, daß er hier bei einer Regelung im sozialen Bereich keine Ausnahmeregelungen vorgesehen hat für Fälle, in denen die Beiträge des Arbeitgebers sich nur in beschränktem Umfang oder nicht zusätzlich als Vorsorgeleistungen auswirken.
Fundstellen
Haufe-Index 71011 |
BStBl II 1974, 672 |
BFHE 1975, 18 |