Entscheidungsstichwort (Thema)

Geldschenkung in Verbindung mit Kaufpreisaufrechnung mißbräuchlich

 

Leitsatz (NV)

Verpflichtet sich der Veräußerer eines Grundstücks in einer notariell beurkundeten Vereinbarung, dem Erwerber einen Geldbetrag zu schenken, und rechnet der Erwerber mit der Forderung aus dieser Vereinbarung gegen die Grundstückskaufpreisforderung des Veräußerers auf, so liegen in Höhe des aufgerechneten Kaufpreisanteils keine Anschaffungskosten vor.

 

Normenkette

EStG § 7b; AO 1977 § 42 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger erhielt mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom November 1980 von seiner Mutter ein Einfamilienhausgrundstück übertragen. Der Kaufpreis betrug . . . DM. In Anrechnung auf ihn übernahm der Kläger eine Grundschuld mit den zugrunde liegenden Verbindlichkeiten, wobei deren tatsächlicher Stand für die Anrechnung maßgeblich sein sollte. Der Restkaufpreis war bis längstens 1. Februar 1981 fällig. Der Kläger räumte seinen Eltern als Gesamtberechtigten auf Lebenszeit das dinglich zu sichernde unentgeltliche Wohnungsrecht an der gesamten 1. Etage des Hauses, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Diele, Bad-WC, ein.

In zwei weiteren notariell beurkundeten Vereinbarungen vom selben Tag verpflichtete sich die Mutter des Klägers, diesem und dessen Schwester bis zum 1. Februar 1981 jeweils einen Betrag von . . . DM zu schenken. Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr gingen am 1. Februar 1981 auf den Kläger über. Dieser bewohnte in den Streitjahren in dem Einfamilienhaus das Erdgeschoß (51,64 qm), seine Eltern das Obergeschoß (52,91 qm).

In seinen Einkommensteuererklärungen machte der Kläger erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt (- FA -) gewährte diese Absetzungen nicht, da der Kläger das Grundstück im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung und damit unentgeltlich erworben habe. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben und erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG von . . . DM anerkannt. Es führt im wesentlichen aus, es könne dahinstehen, ob eine vorweggenommene Erbfolgeregelung gegeben sei, jedenfalls habe der Kläger das Grundstück entgeltlich erworben. Er habe auf den vereinbarten Kaufpreis am 27. November 1981 . . . DM auf das Konto seiner Eltern überwiesen und darüber hinaus - wovon der Senat aufgrund der Bestätigung der Mutter auf einer Ablichtung des Kontoauszugs vom 27. Januar 1981 überzeugt sei - . . . DM in bar an seine Mutter geleistet. Er habe vor Fälligkeit des an seine Mutter zu entrichtenden Kaufpreises mindestens über einen Betrag von . . . DM verfügt, wie sich aus den Kreditunterlagen der Bank ergebe. In Höhe eines weiteren Betrages von . . . DM habe der Kläger den Kaufpreis durch - zumindest stillschweigende - Aufrechnung mit seiner Forderung aus dem Schenkungsversprechen geleistet. Er habe auch unstreitig die der Grundschuld zugrunde liegende Forderung der Bausparkasse ausgeglichen. Ihm seien einschließlich des Kapitalwerts des den Eltern eingeräumten Wohnrechts und der Aufwendungen für den Notar sowie der Gerichtsgebühren, Anschaffungskosten entstanden. Ausgehend von dem lt. Gutachten vom 20. Januar 1982 festgestellten Gesamtwert des Grundstücks und des darin enthaltenen Anteils des Grund und Bodens von 18,15 % betrügen die Anschaffungskosten für das Gebäude . . . DM. Hiervon bilde ein Betrag von . . . DM die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG; denn der Kläger erfülle unter Zugrundelegung der von ihm und seinen Eltern genutzten Wohnflächen nur zu 49,4 % den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 21 Abs. 2, 21 a, 9 i. V. m. § 7 b EStG. Dem Kläger seien keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen, da nach den Feststellungen im Gutachten vom 20. Januar 1982 naheliege, daß er keine abgeschlossene Wohnung bewohnt habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handle es sich bei der vorweggenommenen Erbfolge um eine Schenkung unter Auflage, die nicht zu Anschaffungskosten führe. Jedenfalls stellten aber weder das vorbehaltene Wohnrecht noch der Betrag von . . . DM (= Forderung aus dem Schenkungsversprechen) Gegenleistungen für die Übertragung des Grundstücks dar. Die vom FG den erhöhten Absetzungen zugrunde gelegten Gebäudeanschaffungskosten überstiegen den Höchstbetrag berücksichtigungsfähiger Anschaffungskosten für Einfamilienhäuser von 150 000 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG zu Unrecht den Kapitalwert des Wohnrechts und den mit der Forderung aus dem Schenkungsversprechen aufgerechneten Kaufpreisteil den Anschaffungskosten des Grundstücks zugerechnet hat.

Mit dem FG ist davon auszugehen, daß unabhängig davon, ob in den Kaufvertrag und die Schenkungsverträge eine vorweggenommene Erbfolgeregelung gekleidet war, der Kläger das Grundstück teilentgeltlich erworben hat. Auch bei Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge führen Abstandszahlungen an den Übergeber und die Übernahme von Verbindlichkeiten beim Übernehmer zu Anschaffungskosten (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Das gilt jedoch nicht für den Vorbehalt eines unentgeltlichen Nutzungsrechts. Dieses mindert von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteile vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378, und vom 5. Juli 1984 IV R 36/81, BFHE 141, 325, BStBl II 1984, 711 unter 2.; vgl. auch den Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C II 1. c). Der Senat vermag sich im Hinblick auf diese gefestigte Rechtsprechung der gegenteiligen Auffassung des FG nicht anzuschließen. Sieht man im übrigen die Einräumung des Nutzungsrechts als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks an, so ist auch die Nutzungsüberlassung nicht unentgeltlich, sondern entgeltlich mit der Folge, daß dem Nutzungsverpflichteten insoweit Einnahmen nach § 21 Abs. 1 EStG zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 54/74, BFHE 125, 535, BStBl II 1979, 332).

Der Senat läßt offen, ob die Würdigung des FG, der Kläger habe . . . DM des Kaufpreises durch stillschweigende Aufrechnung mit seiner Forderung aus dem Schenkungsversprechen geleistet, der revisionsrechtlichen Überprüfung standhält. Tatsächliche Feststellungen des FG dazu fehlen; darüber hinaus ist zweifelhaft, ob bürgerlich-rechtlich wirksam stillschweigend aufgerechnet werden kann. Nach § 388 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil aufzurechnen, wobei hierfür allerdings auch eine schlüssige Handlung genügt (BFH-Urteil vom 4. Oktober 1983 VII R 143/82, BFHE 139, 487, BStBl II 1984, 178).

Es kann auch offenbleiben, ob der Kaufvertrag und das Schenkungsversprechen nicht bereits bürgerlich-rechtlich als einheitliches Rechtsgeschäft dahin auszulegen sind, daß die Mutter des Klägers von vornherein auf Zahlung von . . . DM des vereinbarten Kaufpreises verzichtet hat. Selbst wenn bürgerlich-rechtlich ein selbständiges Schenkungsversprechen mit anschließender Aufrechnung gegen . . . DM des Kaufpreises anzunehmen wäre, könnte diese Gestaltung als rechtsmißbräuchlich i. S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

Ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i. S. des § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607 mit weiteren Hinweisen). Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären.

Dies tritt deutlich hervor, wenn die Rechtsgestaltung überhaupt keinem wirtschaftlichem Zweck dient, also ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund nicht zu entdecken ist (Urteil in BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607 mit weiteren Hinweisen). So liegt es hier; die gewählte Gestaltung der Kaufpreisvereinbarung und des Schenkungsversprechens mit anschließender Aufrechnung sollte ausschließlich dazu dienen, die Anschaffungskosten für das Grundstück ohne entsprechenden Aufwand des Klägers hochzuschrauben, damit dieser ein höheres Abschreibungsvolumen erhält. Dies widerspricht dem Zweck des § 7 b EStG. Die Vorschrift setzt Aufwendungen des Steuerpflichtigen in Gestalt von Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten für das Gebäude voraus. Ein wirtschaftlich beachtlicher Grund für die umständliche Konstruktion ist nicht erkennbar. Als wirtschaftlich angemessene Gestaltung (§ 42 Satz 2 AO 1977) ist die Ermäßigung des Kaufpreises um . . . DM anzusehen, mit der Folge, daß in Höhe dieses Betrags keine Anschaffungskosten gegeben sind.

Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Es erscheint fraglich, ob der Kläger den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfüllt hat. Nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG ist ein Nutzungswert beim Eigentümer nur anzusetzen, wenn dieser eine Wohnung, d. h. eine Zusammenfassung von Räumen, die die Führung eines Haushalts ermöglichen, nutzt. Eine Wohnung setzt grundsätzlich auch Nebenräume wie Küche, zumindest einen Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder Dusche und eine Toilette voraus (BFH-Urteile vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660; vom 7. April 1987 IX R 140/84, BFHE 150, 16, BStBl II 1987, 567, und vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171). Da das Grundstück als Einfamilienhaus bewertet ist, sich aber die Eltern das Wohnrecht an einer Wohnung im ersten Geschoß vorbehalten haben, ist zweifelhaft, ob auch der Kläger eine Wohnung genutzt hat. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt und erneut entscheidet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418052

BFH/NV 1992, 448

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