Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die an einen vorzeitig ausscheidenden Gesellschafter für künftige Gewinnansprüche gezahlte Abfindung ist bei dem verbleibenden Gesellschafter, sofern sie nicht stille Reserven oder einen Geschäftswert abgelten soll, nicht zu aktivieren.
Zum Begriff des Geschäftswertes.
Bei gesonderter Gewinnfeststellung gemäß § 6 der Verordnung über die Zuständigkeit im Besteuerungsverfahren vom 3. Januar 1944 (RGBl 1944 I S. 11) ist die streitige Einkommensteuer Wert des Streitgegenstandes.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, §§ 5, 6/1/1, § 6/1/2; AO § 320 Abs. 4; HGB § 40; AktG § 133
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob die bei dem Ausscheiden von Gesellschaftern über deren Kapitalkonto hinaus geleisteten Beträge bei dem verbleibenden Gesellschafter als Betriebsausgaben abzugsfähig sind oder ob hierfür ein Geschäftswertekonto zu bilden ist.
Der Bg. schloß am 2. Juli 1949 mit dem Kaufmann X. und dessen Bruder Y. einen Vertrag, nach dem diese sich als "stille Gesellschafter" an dem Handelsgewerbe des Bg. mit einer Einlage von je 17 500 DM in der Zeit vom 1. Januar 1949 bis 1. Januar 1959 beteiligten. Nach dem Vertrag (§ 7) wurden jedem stillen Gesellschafter von dem errechneten Reingewinn 4 1/2 v. H. Zinsen für die geleisteten Einlagen und von dem Rest des Gewinnes je 1/6 zugestanden. Ferner sicherte der Bg. den stillen Gesellschaftern zu, daß er wichtige Geschäftsvorgänge mit ihnen besprechen und auf Verlangen Berichte über die Verhältnisse des Unternehmens erstatten werde. Zu Grundstückskäufen und Grundstücksverkäufen, zu Neu- und Umbauten, zur Errichtung von Filialen, zur Anschaffung von Geschäftseinrichtungen im Werte von mehr als 5000 DM, zur Erweiterung der Geschäftsgrundlage und zur Erteilung von Prokura sei die Zustimmung der stillen Gesellschafter erforderlich (§ 5 Abs. 1 und 2).
Im beiderseitigen Einvernehmen ist dieser Vertrag mit Wirkung vom 31. Dezember 1951 durch die Vereinbarung vom 14. Oktober 1952 außer Kraft gesetzt worden. Zur Abgeltung der Ansprüche aus dem bisherigen Gesellschafterverhältnis war nach dieser Vereinbarung den stillen Gesellschaftern für die Dauer von 10 Jahren bis einschließlich 31. Dezember 1961 eine Umsatzvergütung von 3 v. H. und für die Dauer von weiteren 10 Jahren eine Umsatzvergütung von 2 v. H. zu zahlen. Das Guthaben der ausscheidenden stillen Gesellschafter, das in der ergänzenden Vereinbarung vom gleichen Tage nach dem Stande vom 31. Dezember 1951 auf 193 000 DM beziffert wurde, sollte zinslos dem Bg. verbleiben und innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren in noch zu vereinbarenden Teilbeträgen zurückgezahlt werden. Durch weitere Vereinbarungen vom 31. Januar 1953 und 30. Juli 1954 wurde die Berechnung der Umsatzvergütung auf bestimmte Umsätze begrenzt und die Guthaben wurden nach dem Stande vom 30. Juli 1954 auf insgesamt 170 000 DM festgestellt.
Nach dem Vertrag vom 10. Dezember 1954 wurde die am 30. Juli 1954 getroffene Vereinbarung mit Wirkung vom 31. Dezember 1954 außer Kraft gesetzt. Die den beiden Herren X. und Y. zustehenden Ansprüche auf Umsatzvergütung wurden durch Zahlung einer Abfindungssumme von insgesamt 246 000 DM abgefunden. Das dem Bg. zinslos überlassene Darlehen, dessen Höhe nach dem Stande vom 10. Dezember 1954 auf nunmehr 168 000 DM festgestellt wurde, sollte in monatlichen Raten zurückgezahlt werden. Mit dieser Vereinbarung sollten alle Verpflichtungen, die der Bg. aus den vorherigen Verträgen übernommen hatte, endgültig abgegolten sein.
Das Finanzamt hat bei der Feststellung der Gewinne die entsprechend diesen Vereinbarungen in den Veranlagungszeiträumen 1952 bis 1955 als Umsatzvergütungen bzw. als Abfindung gezahlten Beträge nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben anerkannt. Es hat lediglich einen Kapitalertrag von 20 v. H. der jeweiligen Guthaben als Betriebsausgabe zugestanden. Die darüber hinaus gezahlten Abfindungsraten sind dann als Aufwendungen für einen inzwischen erwachsenen Geschäftswert behandelt und den jeweiligen Gewinnen hinzugerechnet worden. Die gegen die Einspruchsentscheidung betreffend die Veranlagungszeiträume 1952 und 1953 vom 10. Februar 1958 und die gegen die Bescheide 1954 und 1955 vom 13. bzw. 21. Februar 1958 eingelegten Berufungen bzw. Sprungberufungen begründete der Bg. damit, daß von einem Geschäftswert in seinem Unternehmen nicht die Rede sein könne, so daß die gezahlten Umsatzvergütungen und die später an ihrer Stelle geleisteten Abgeltungsraten in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden müßten.
Das Finanzgericht gab den Berufungen im vollen Umfang statt. Es ging bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen aus: Beide stille Gesellschafter seien mit Rücksicht darauf, daß sie nach § 10 Abs. 1 des Vertrages vom 2. Juli 1949 Anteil an dem im Anlage- und Umlaufvermögen enthaltenen stillen Reserven haben sollten, ebenso zu behandeln wie die Gesellschafter einer OHG und daher als Mitunternehmer anzusehen. Selbst wenn man mit dem Finanzamt annehme, daß nach der Rechtsprechung des früheren Reichsfinanzhofs die Beträge, die den ausscheidenden Gesellschaftern über das Auseinandersetzungsguthaben hinaus gezahlt werden, in der Regel nicht gewinnmindernd in Ansatz gebracht werden könnten, gelte dieser Grundsatz nur dann, wenn der verbleibende Gesellschafter gegen Entgelt Werte erworben habe, die als Aktiva in den Bilanzen angegeben werden müßten. Stille Reserven, für die eine Aktivierung in Frage kommen könne, seien - wie der Betriebsprüfer unter Textziffer 19 des Betriebsprüfungsberichts vom 29. August 1957 dargetan habe - nicht festgestellt worden.
Es sei aber auch kein ausreichender Anhalt gegeben, daß der Bg. den ausscheidenden Gesellschaftern einen Anteil an einem entstandenen Geschäftswert bezahlt habe. Unter dem Geschäftswert sei der Mehrwert eines lebenden Geschäfts im ganzen gegenüber den Werten der einzelnen zu dem Unternehmen gehörenden körperlichen Gegenstände und Rechte, vermindert um die Schulden, zu verstehen. Merkmale eines Geschäftswertes bildeten insbesondere der Aufbau des Unternehmens selbst, die Verbindung mit den Bezugsquellen, die Güte der Waren, die Gewandtheit der Verkäufer, die Preisberechnungen, der Stamm der Kunden, die werbende Kraft des Namens usw. In der Tatsache, daß der Bg. bei Beginn des Geschäftsbetriebes bei den Lieferanten gut bekannt war und Waren in Kommission beziehen konnte, könne ein Geschäftswert nicht erblickt werden. Aus dem gleichen Grunde müßten auch die persönlichen Eigenschaften des Bg., wie z. B. seine eingehenden Markt- und Branchenkenntnisse, sein Unternehmungsgeist, seine geschäftliche Gewandtheit und das ihm persönlich von den Lieferanten entgegengebrachte Vertrauen, für die Frage eines Geschäftswertes außer Betracht bleiben. Auch darin, daß er über das Kapital der stillen Gesellschafter verfügen konnte, könne in den zwei bis drei Jahren des Bestehens des Unternehmens ein Geschäftswert nicht erblickt werden. Der große Kreis der Kunden erkläre sich aus dem starken Bedarf in den Jahren unmittelbar nach der Währungsumstellung. Um einen etwa aktivierungsfähigen besonderen Ruf zu erwerben, genügten nicht zwei bis drei Jahre, wie dies unter Umständen bei einem Herstellungsbetrieb, der besondere Verfahren entwickelt habe und gegebenenfalls mit geschützten Rechten am Wirtschaftsleben teilnehme, der Fall sein könne. Dem Finanzamt könne auch darin nicht zugestimmt werden, daß etwa die erhöhten Gewinne in den Jahren 1954 einen Anhalt dafür geben könnten, daß bereits Ende 1951 bei Auflösung der stillen Gesellschaft ein Geschäftswert bestanden habe. Seit 1953 habe der Bg. eine Reihe von Zweiggeschäften eröffnet, die an den späteren Ergebnissen Anteil gehabt hätten. Nicht unberücksichtigt könne auch die Tatsache bleiben, daß die stillen Gesellschafter selbst, die in erster Linie interessiert gewesen wären, einen etwa vorhandenen Geschäftswert vergütet zu erhalten, keinen entsprechenden Wert in Rechnung gestellt hätten, wie sich aus der Bekundung des am 24. Juli 1959 als Zeugen vernommenen X. ergebe. Den stillen Gesellschaftern sei nach diesen Zeugenaussagen daran gelegen gewesen, in geldlicher Hinsicht im Vergleich zu dem bisherigen Vertrag weder besser noch schlechter gestellt zu werden.
Könne schon nach diesen Ausführungen das Vorhandensein eines Geschäftswertes nicht angenommen werden, so müsse außerdem noch folgender Gesichtspunkt berücksichtigt werden. Die im § 5 des Vertrages vom 2. Juli 1949 festgelegten Verpflichtungen des Bg. hätten den damaligen wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaft entsprochen. Seitdem aber der Bg. auf Grund der allein auf seine persönliche kaufmännische Tüchtigkeit zurückzuführenden erheblichen Gewinne mit einem Kapital von 246 947 DM den beiden stillen Gesellschaftern mit ihren Darlehen von 193 000 DM per 31. Dezember 1951 in wirtschaftlicher Hinsicht nicht mehr untergeordnet gewesen sei, habe sich das wirtschaftliche Schwergewicht zugunsten des Bg. verschoben. Sein Bestreben, sich von den hemmenden Rechten der beiden Gesellschafter zu befreien, habe daher der veränderten Wirtschaftslage entsprochen. Der Bg. habe deshalb die beiden Gesellschafter entgegen der Auffassung des Finanzamts als "lästig" ansehen können. Außerdem sei der Bg. durch die streitigen Zahlungen von der belastenden Verpflichtung zur Teilung des Gewinns nach dem Vertrag vom 2. Juli 1949 frei geworden. Ebensowenig wie für diese Belastung eine Passivierung hätte erfolgen müssen, sei durch ihren Wegfall ein der Aktivierung fähiges Wirtschaftsgut entstanden. Schließlich lasse auch die Höhe der für das Jahr 1954 ausgezahlten Umsatzvergütung erkennen, daß den ausgeschiedenen Gesellschaftern weniger zugeflossen sei, als ihrem vertraglichen Anteil am Gewinn entsprochen hätte.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts wendet sich gegen die Auffassung des Finanzgerichts, daß ein Geschäftswert nicht vorhanden gewesen sei. Den Ausführungen des Bg. sei zu entnehmen, daß dem Vertragsabschluß vom 14. Oktober 1952 "hartnäckige" und "schwierige" Verhandlungen vorausgegangen seien. Aus der Vernehmung der beiden Zeugen vom 24. Juli 1959 gehe eindeutig hervor, welches kaufmännische Wägen mit den Gedanken des Austritts verbunden war und welche Zugeständnisse seitens des Bg. erforderlich waren, um die Gebrüder X. und Y. zum Austritt aus der Gesellschaft zu bewegen. Es habe in Frage gestanden, die vertraglich festgelegten Rechte zu realisieren, wozu das Auseinandersetzungsguthaben mit den stillen Reserven und ohne Zweifel auch der Geschäftswert gehört hätten. Die Tatsache, daß der Bg. mit erheblichen Gewinnen für die Folgezeit gerechnet und daß er die objektiv fragwürdigen Geschäftsaussichten der Gesellschafter durch hohe Leistungen abgelöst habe, könne nur zu dem Schluß führen, daß der Bg. einen anteiligen Firmenwert erworben habe. Außerdem habe das Finanzgericht die ausgeschiedenen Gesellschafter zu Unrecht als "lästig" im Sinne des Steuerrechtes angesehen. Die Gesellschafter hätten ihre vertraglichen Verpflichtungen stets erfüllt und sich in keiner Weise schädigend dem starken geschäftlichen Bemühen des Bg. entgegengestellt.
Die Anschlußbeschwerde des Bg. richtet sich nur gegen die Feststellung des Streitwertes durch das Finanzgericht und beantragt, den vom Finanzamt ermittelten streitigen Steuerbetrag (einschließlich Abgabe Notopfer Berlin und Kirchensteuer) in Höhe von 277 302 DM als Streitwert festzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Wird ein Unternehmen im ganzen übernommen und dafür ein Gesamtanschaffungspreis bezahlt, so ist dieser auf die einzelnen Gegenstände des Betriebsvermögens zu verteilen; diese dürfen aber mit keinem höheren Wert angesetzt werden, als nach den Vorschriften des HGB (vgl. insbesondere § 40 HGB in Verbindung mit § 133 des Aktiengesetzes) oder nach den steuerlichen Vorschriften zulässig ist, also nur mit dem Teilwert, höchstens jedoch mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 6 EStG). Erreicht die Summe der für die einzelnen Bilanzposten zulässigen Werte nicht den Gesamtpreis, ist aber der erworbene Betrieb den gezahlten Preis wert, so ist ein entsprechender Bilanzposten als "Geschäftswert" in die Bilanz einzusetzen. Das gleiche gilt, wenn die an einen ausscheidenden Gesellschafter gezahlte Abfindung über die Teilwerte der anteilig übernommenen Wirtschaftsgüter hinausgeht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 235/30 vom 24. März 1931, RStBl 1931 S. 304). Hierbei ist jedoch zu beachten, daß die über das Kapitalkonto hinausgehende Abfindung sowohl für die in den verschiedenen Bilanzposten steckenden stillen Reserven wie auch für den in dem Unternehmen vorhandenen "Geschäftswert" gezahlt worden sein kann. Die Abfindung kann also die Realisierung eines Geschäftswertes darstellen; dies braucht aber nicht immer der Fall zu sein. Es ist daher zu prüfen, ob überhaupt ein Geschäftswert vorhanden ist.
Geschäftswert ist ein von den persönlichen Eigenschaften des Unternehmers losgelöster, dem Unternehmen solchem innewohnender, im Geschäftsleben als Wirtschaftsgut anerkannter Wert, der mit dem Unternehmen veräußerlich und übertragbar ist. Daher wird man bei einem auf die persönliche Tätigkeit und Tüchtigkeit eines Unternehmers abgestellten Betrieb im allgemeinen das Vorliegen eines Geschäftswertes nur dann annehmen können, wenn neben diesen persönlichen Eigenschaften besondere, dem Unternehmen als wirtschaftlich selbständigem Organismus anhaftende Umstände festgestellt werden können (so auch Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1495/31 vom 27. Januar 1932, RStBl 1932 S. 463).
Ob beim Ausscheiden eines Gesellschafters stille Reserven vorhanden sind, auf die der über das Kapitalkonto hinausgehende Betrag der Abfindung zu verteilen ist, oder ob ein Geschäftswert angesetzt werden muß, ist im Einzelfall unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse zu entscheiden. Es handelt sich also um eine tatsächliche Feststellung, die im Hinblick auf die im § 288 AO vorgesehenen Beschränkungen in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur dann nachgeprüft werden kann, wenn die Vorentscheidung auf einem Rechtsirrtum, auf einem Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten oder auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruht. Das Finanzgericht ist auf Grund einer eingehenden Prüfung der beim Ausscheiden der beiden Gesellschafter bei dem Unternehmen des Bg. vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse zu dem Ergebnis gelangt, daß weder stille Reserven vorhanden gewesen seien noch ein Geschäftswert festgestellt werden könne. Bei diesen Feststellungen ist das Finanzgericht von einer zutreffenden Beurteilung der Rechtslage, insbesondere in der Frage des Vorliegens eines Geschäftswertes, ausgegangen. Wenn der Vorsteher des Finanzamts sich darauf beruft, daß objektiv fragwürdige Geschäftsaussichten durch hohe Leistungen abgelöst worden seien, und daraus den Schluß zieht, daß der Bg. einen anteiligen Firmenwert gekauft habe, so handelt es sich hierbei um eine abweichende Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die allein die Rb. nicht gestützt werden kann. Im übrigen weist der Bg. demgegenüber darauf hin, daß alle Beteiligten auf Grund ihrer Geschäftserfahrung und entsprechend den bisherigen tatsächlichen Geschäftsergebnissen mit einer weiteren günstigen Geschäftsentwicklung gerechnet hätten. Daß die Richtigkeit dieser Auffassung nicht von der Hand zu weisen ist, ergibt sich auch aus der vom Vorsteher des Finanzamts selbst erwähnten Hartnäckigkeit und Schwierigkeit der Verhandlungen, die dem Vertragsabschluß vom 14. Oktober 1952 vorausgegangen waren.
Hat aber das Finanzgericht mit bindender Wirkung für den Senat festgestellt, daß weder stille Reserven noch ein Geschäftswert beim Ausscheiden der Gesellschafter vorhanden waren, so kann in der über die Kapitalkonten hinausgehenden Mehrabfindung für entgehende zukünftige Gewinnaussichten ein beim verbleibenden Gesellschafter zu aktivierender Geschäftswert ebenfalls nicht angenommen werden. Dieser erlangt ähnlich wie beim Ausscheiden eines lästigen Gesellschafters kein der Aktivierung fähiges Wirtschaftsgut, sondern lediglich die Befreiung von einer in der Bilanz nicht selbständig erscheinenden Verpflichtung, seine künftigen Gewinne mit anderen Gesellschaftern teilen zu müssen (so Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1203/32 vom 22. November 1933, RStBl 1934 S. 329). Der gegenteiligen Auffassung von Blümich- Falk, Einkommensteuergesetz, 8. Auflage, § 16 Anmerkung 5 a) Abs. 8, auf die sich der Vorsteher des Finanzamts beruft, vermag der Senat nicht zu folgen. Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht den Bekundungen der beiden ausgeschiedenen Gesellschafter besonderen Wert beigemessen hat, wonach sie bei den Verhandlungen überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen wären, für einen etwa vorhandenen Geschäftswert eine Abfindung zu fordern. Nach der Entwicklung der Verhältnisse und der Gewinnergebnisse der späteren Jahre haben die ausgeschiedenen Gesellschafter tatsächlich erheblich weniger erhalten, als ihnen nach den ursprünglichen Gewinnvereinbarungen zuzüglich ihres Kapitalkontos zugestanden hätte. Die vertraglichen Gewinnansprüche für die Jahre 1952 bis 1958 beliefen sich nach den unwidersprochenen Angaben des Bg. im Schriftsatz vom 22. August 1960 auf insgesamt 1 017 246 DM, während an Ablösungszahlungen nur 523 818 DM geleistet worden sind. Von ihren Kapitalkonten haben die Gesellschafter insgesamt 36 078 DM weniger erhalten. Wenn auch dieses Ergebnis im Zeitpunkt der Abfindung noch nicht übersehbar war, so liegt doch die Vermutung nahe, daß der Bg. als tüchtiger und geschäftserfahrener Kaufmann schon damals mit seinen Verhandlungen dahin gestrebt hat, den ausscheidenden Gesellschaftern keinesfalls mehr zu zahlen, als ihnen auf Grund ihrer vertraglichen Rechte zustand, so daß auch aus diesem Gesichtspunkt der Entscheidung des Finanzgerichts beizupflichten ist.
Die Rb. sieht eine unrichtige rechtliche Würdigung auch darin, daß das Finanzgericht die ausgeschiedenen Gesellschafter als "lästig" im Sinne des Steuerrechts angesehen habe. Es erübrigt sich jedoch, auf diese Frage einzugehen, da ohnehin die Voraussetzungen für die Aktivierung eines Geschäftswertes vom Finanzgericht mit zutreffender Begründung verneint worden sind.
Mit der Anschlußbeschwerde rügt der Bg., daß die Vorbehörden für das hier vorliegende gesonderte Gewinnfeststellungsverfahren gemäß § 6 der Verordnung über die Zuständigkeit im Besteuerungsverfahren vom 3. Januar 1944 (RGBl 1944 I S. 11) zu Unrecht die Grundsätze für das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren gemäß § 215 AO angewandt und den Streitwert nur auf 25 v. H. der streitigen Gewinne bemessen hätten. Außerdem müßten auch die von der Einkommensteuer abhängigen Kirchensteuern und die Abgabe Notopfer Berlin in den Streitwert einbezogen werden. Andernfalls könne ein Steuerpflichtiger entgegen der im § 316 Abs. 2 AO festgelegten Erstattungspflicht des Staates keine Kostenerstattung im vollen Umfang erreichen, da der Bevollmächtigte berechtigt sei, den gesamten Streitwert, also einschließlich Kirchensteuer und Abgabe Notopfer Berlin, seiner Gebührenrechnung zugrunde zu legen.
Streitgegenstand ist in einem zu einer Steuerfestsetzung führenden Verfahren der zwischen den Beteiligten streitige Steuerbetrag. Im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung ist zwar nicht unmittelbar ein bestimmter Steuerbetrag im Streit, sondern nur die Höhe des Gewinnes und seine Verteilung auf die an ihm beteiligten Steuerpflichtigen. Trotzdem kommt auch in diesem Verfahren als Streitwert der Betrag in Betracht, um den sich die Einkommensteuer bei den einzelnen Gesellschaftern insgesamt etwa vermindern würde. Da sich diese Beträge beim Vorhandensein zahlreicher am Gewinn beteiligter Steuerpflichtiger nur mit großem Aufwand genau feststellen lassen, so wird im allgemeinen der Wert des Streitgegenstandes in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes des streitigen Gewinnbetrages ermittelt. Dieser Vomhundertsatz beträgt zur Zeit 25, wobei dieser Satz angemessen zu erhöhen ist, wenn der Gewinnanteil der einzelnen Steuerpflichtigen mehr als 15 000 DM beträgt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 207/55 U vom 9. Oktober 1956, BStBl 1956 III S. 382, Slg. Bd. 63 S. 484). Für eine solche Schätzung des Streitwertes, die im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse bei der einheitlichen Gewinnfeststellung im Rahmen des § 320 Abs. 4 AO als vertretbar anzusehen ist, liegt aber im Verfahren der gesonderten Gewinnfeststellung keine Veranlassung vor, da hier der genaue Steuerbetrag feststeht. Daher ist der Anschlußbeschwerde insoweit zu folgen, als die für die streitigen Veranlagungszeiträume zwischen den Beteiligten streitigen Einkommensteuerbeträge als Streitwert festgestellt werden müssen. Soweit die Anschlußbeschwerde jedoch die Einbeziehung der Kirchensteuer und der Abgabe Notopfer Berlin verlangt, kann ihr nicht stattgegeben werden. Wie der erkennende Senat in der Entscheidung IV 410/55 U vom 25. August 1955 (BStBl 1955 III S. 298, Slg. Bd. 61 S. 261) ausgeführt hat, können weder die Kirchensteuer noch die Abgabe Notopfer Berlin bei der Feststellung des Streitwertes eines gegen die Einkommensteuer gerichteten Rechtsmittels berücksichtigt werden. Die Abgabe Notopfer Berlin stellt ihrem Wesen nach nicht lediglich eine tarifmäßige Erhöhung der Einkommensteuer dar. Es handelt sich vielmehr bei dieser Abgabe um eine Steuer besonderer Art mit dem Einkommen als eigener Bemessungsgrundlage und einem eigenen Tarif. Das gleiche gilt für die Kirchensteuer.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist daher nach den vorstehenden Ausführungen als unbegründet zurückzuweisen und auf die Anschlußbeschwerde des Steuerpflichtigen der Wert des Streitgegenstandes für das gesamte Rechtsmittelverfahren entsprechend der Höhe der in den einzelnen Instanzen streitigen Einkommensteuerbeträge für die Veranlagungszeiträume 1952 bis 1955 festzustellen. Da die Einkommensteuerakten des Bg. dem Senat nicht vorliegen, ist die Sache insoweit an das Finanzamt zur entsprechenden Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes und zur Entscheidung über die Kosten des gesamten Rechtsmittelverfahrens zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409862 |
BStBl III 1961, 95 |
BFHE 1961, 251 |
BFHE 72, 251 |
DB 1961, 187 |