Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
In dem Verfahren über ein Rechtsmittel, das ein Steuerpflichtiger gegen den Einkommensteuerbescheid eingelegt hat, ist bei der Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes weder die Abgabe Notopfer Berlin noch die Kirchensteuer zu berücksichtigen.
Normenkette
AO § 286 Abs. 1; FGO § 115/1
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) wurde vom Finanzamt für 1952 zur Einkommensteuer mit 915 DM, zur Abgabe Notopfer Berlin mit 115,05 DM und zur römisch-katholischen Kirchensteuer mit 86,90 DM veranlagt.
Das Finanzgericht ermäßigte auf die Sprungberufung des Bg. die Einkommensteuer 1949 auf 445 DM und die Abgabe Notopfer Berlin auf 101,85 DM, während es im Hinblick darauf, daß die römisch-katholische Kirchensteuer nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens war, insoweit von einer Entscheidung absah.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Vorsteher des Finanzamts die Festsetzung der Einkommensteuer auf 627 DM, der Abgabe Notopfer Berlin auf 115,05 DM und der römisch-katholischen Kirchensteuer auf 59,55 DM. Der Beschwerdeführer (Bf.) macht geltend, daß bei der Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes für die Rb. sowohl die Abgabe Notopfer Berlin als auch die römisch-katholische Kirchensteuer einzubeziehen sei. Es ergebe sich dann als Wert des Streitgegenstandes ein Betrag von 212,50 DM (Einkommensteuer 182 DM, Abgabe Notopfer Berlin 13,20 DM, römisch-katholische Kirchensteuer 17,30 DM), der die für die Rb. vorgesehene Wertgrenze von 200 DM übersteige.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unzulässig.
Nach § 286 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 6 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - S. 257) ist das Rechtsmittel der Rb. gegen Urteile der Finanzgerichte nun gegeben, wenn der Wert des Streitgegenstandes höher ist als 200 DM, oder wenn das Finanzgericht die Rb. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen hat.
Der Unterschiedsbetrag zwischen dem vom Finanzgericht festgesetzten, für die Streitwertfeststellung allein zu berücksichtigenden Einkommensteuerbetrag und der vom Beschwerdeführer begehrten Erhöhung beläuft sich auf 182 DM. Daneben kann bei der Streitwertfeststellung weder die Abgabe Notopfer Berlin noch die Kirchensteuer berücksichtigt werden, ganz abgesehen davon, daß diese infolge Beschränkung der Berufung des Bg. auf den Einkommensteuerbescheid nicht einmal Gegenstand der Vorentscheidung gewesen ist. In den Gutachten des Großen Senats Gr.S. D 3/38 vom 28. Mai 1938, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1938 S. 554, und Gr.S. D 5/40 vom 26. Oktober 1940, RStBl. 1940 S. 924, hat der Reichsfinanzhof die Auffassung vertreten, daß bei einem Rechtsmittel, das sich gegen die Heranziehung zu einer bestimmten Steuerart richtet, die sich anschließenden Reichs- und Landessteuern nicht in den Streitwert einzubeziehen seien. Als Streitwert gelte nur das, was für die Steuer, über die unmittelbar zu entscheiden sei, erstrebt werde. Unmittelbar entschieden werde aber die Einkommensteuersache nur über die Einkommensteuer der streitigen Jahre und über etwaige Zuschläge, die lediglich in einer tarifmäßigen Erhöhung der Einkommensteuer beständen. Dementsprechend sei bei einem Rechtsmittel, das gegen einen Einkommensteuerbescheid eingelegt werde, die Kirchensteuer bei der Bemessung des Streitwerts ebensowenig zu berücksichtigen, wie eine andere Steuer besonderer Art, die eine selbständige Steuer mit eigener Bemessungsgrundlage (dem Einkommen) darstelle. Entsprechend diesen, vom Reichsfinanzhof entwickelten Grundsätzen, an denen der erkennende Senat festhält, kann weder die Abgabe Notopfer Berlin noch die Kirchensteuer bei der Feststellung des Streitwerts berücksichtigt werden. Die Abgabe Notopfer Berlin stellt ihrem Wesen nach nicht lediglich eine tarifmäßige Erhöhung der Einkommensteuer dar. Es handelt sich vielmehr bei dieser Abgabe um eine Steuer besonderer Art mit dem Einkommen als eigener Bemessungsgrundlage und einem eigenen Tarif. Das gleiche gilt für die Kirchensteuer. Auch nach der in dem Gesetz über die Erhebung von Kirchensteuern im Lande Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 1950 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1950 S. 32) getroffenen Neuregelung ist die Kirchensteuer im Land Nordrhein-Westfalen weiterhin eine selbständige Steuer mit eigener Bemessungsgrundlage geblieben, selbst wenn die Erhebung und Beitreibung der Kirchensteuer nunmehr in weitgehendem Maße von den Behörden der Finanzverwaltung im Auftrag der kirchlichen Körperschaften wahrgenommen wird. Daß die Kirchensteuer eine Steuer besonderer Art im vorerwähnten Sinne geblieben ist, ergibt sich auch daraus, daß der Rechtsmittelweg in Kirchensteuerangelegenheiten im Lande Nordrhein-Westfalen eine Regelung erfahren hat, die im Instanzenzug von dem für die übrigen Bundes- und Landessteuern geltenden Berufungsverfahren der AO abweicht. Gemäß § 6 des Gesetzes vom 15. Februar 1950 ist gegen Kirchensteuerbescheide nach erfolgloser Beschwerde bei der kirchlichen Aufsichtsbehörde lediglich die Berufung an das Finanzgericht Düsseldorf als letzter Instanz zulässig, ohne daß insoweit noch die Rb. gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts Düsseldorf an den Bundesfinanzhof gegeben ist (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs IV 323/53 U vom 6. Mai 1954, Slg. Bd. 58 S. 764, BStBl. III S. 203).
Da der Streitwert der Rb. demnach unter 200 DM liegt, und das Finanzgericht die Beschwerde auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen hat, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, ohne daß zu den Einwendungen des Bf. sachlich Stellung genommen werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 408255 |
BStBl III 1955, 298 |
BFHE 1956, 261 |
BFHE 61, 261 |