Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit eines Gewerbesteuermeßbescheids einer atypisch stillen Gesellschaft - Freibetrag gemäß § 11 Abs. 1 GewStG für GmbH & Still - Anwendbarkeit des § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verwaltungsakt ist nicht nichtig, wenn ihm zwar eine unrichtige Rechtsauffassung zugrunde liegt, diese aber über längere Zeit und auch noch im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts praktiziert wurde, ohne daß die h.M. in Rechtsprechung, Verwaltung und Literatur dies für rechtsfehlerhaft hielt.
2. Ein Gewerbesteuermeßbescheid, der an die Gesellschafter einer atypisch stillen Gesellschaft adressiert ist und die Entscheidung enthält, Steuerschuldner sei die stille Gesellschaft, ist jedenfalls dann nicht nichtig, wenn er vor Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12.November 1985 VIII R 364/83 (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311) bekanntgegeben wurde.
3. Der Freibetrag gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 zweiter Halbsatz GewStG 1978 steht auch einer Kapitalgesellschaft zu, an deren gewerblichem Unternehmen natürliche Personen als atypisch stille Gesellschafter beteiligt sind.
Orientierungssatz
1. § 174 Abs. 4 AO 1977 ist nicht anzuwenden, wenn der aufgrund irriger Beurteilung eines Sachverhalts ergangene und vom FA wieder aufgehobene Steuerbescheid nichtig war (vgl. BFH-Urteil vom 16.5.1990 X R 147/87).
2. Als Dritter i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 ist anzusehen, wer im ursprünglichen Bescheid nicht als Steuerschuldner angegeben war (vgl. BFH-Urteil vom 5.5.1993 X R 111/91).
3. Der I. Senat des BFH lässt offen, ob er sich der Rechtsauffassung des X. Senats des BFH in der Entscheidung vom 5.5.1993 X R 111/91 anschließen könnte, wonach § 174 Abs. 4 AO 1977 gegenüber Dritten nur anwendbar ist, wenn diese vor Eintritt der Festsetzungsverjährung an dem Verfahren beteiligt wurden, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat.
Normenkette
GewStG 1978 § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 S. 3, § 11 Abs. 1 S. 3; AO 1977 § 125 Abs. 1, § 174 Abs. 4-5
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. An ihrem Gewerbebetrieb waren in den Erhebungszeiträumen 1978 bis 1980 (Streitjahre) drei natürliche Personen (A, B und C) als atypisch stille Gesellschafter beteiligt. Die Klägerin ging ursprünglich davon aus, nicht nur sie selbst, sondern auch eine aus ihr und den drei stillen Gesellschaftern bestehende atypisch stille Gesellschaft (künftig: GmbH & Still) sei gewerbesteuerpflichtig. Daher gab die Klägerin für die Streitjahre sowohl für sich selbst als auch für die GmbH & Still Gewerbesteuererklärungen ab. Für sich selbst erklärte sie Gewerbeerträge, die um die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter gemindert worden waren. Für die GmbH & Still erklärte sie die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter als Gewerbeertrag. Die Gewerbesteuererklärungen wurden jeweils innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Erhebungszeitraums beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) abgegeben. Das FA folgte zunächst den Angaben in den Steuererklärungen und erließ für die Streitjahre unter dem Vorbehalt der Nachprüfung sowohl für den Gewerbebetrieb der Klägerin als auch für einen Gewerbebetrieb der GmbH & Still Gewerbesteuermeßbescheide.
Nach einer Außenprüfung bei der Klägerin, die auch die Gewerbesteuer der Streitjahre betraf, änderte das FA seine Rechtsauffassung und vertrat jetzt die Ansicht, gewerbesteuerpflichtig sei nur die GmbH & Still. Es setzte deshalb durch Bescheide vom 30. September 1982 die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1978 bis 1980 für den Gewerbebetrieb der Klägerin auf jeweils 0 DM herab. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Den gesamten Gewerbeertrag und das gesamte Gewerbekapital des unter der Firma der Klägerin betriebenen Unternehmens erfaßte das FA nunmehr in den an die "... GmbH stille Gesellschaft" adressierten Bescheiden vom 27. November 1982. Gegen die Bescheide erhoben die GmbH & Still und die Klägerin beim Niedersächsischen Finanzgericht (FG) Klage (Az. des Klageverfahrens: I 214/83). Am 14. März 1984 erklärte das FA die Bescheide unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Juni 1983 I R 55/80 (BFHE 139, 291, BStBl II 1984, 63) für unwirksam und gegenstandslos, da die Steuerschuldner nicht korrekt bezeichnet worden seien.
Als Ersatz für die als gegenstandslos erklärten Bescheide erließ das FA am 15. März 1984 einen an die "... GmbH und deren stille Gesellschafter A, B und C" adressierten Gewerbesteuermeßbescheid, der im angefochtenen Urteil als Bescheid vom 28. März 1984 bezeichnet wird. Auch gegen diesen Bescheid erhoben die GmbH & Still und die Klägerin beim FG Klage (Az. dieses Klageverfahrens: I 521/84). Nachdem das BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83 (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311) veröffentlicht worden war, hob das FA den Bescheid vom 15. März 1984 auf (Verwaltungsakt vom 25. August 1986).
Gleichzeitig änderte es gemäß § 174 Abs.4 der Abgabenordnung (AO 1977) die an die Klägerin gerichteten Gewerbesteuermeßbescheide vom 30. September 1982 und setzte die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge für den Gewerbebetrieb der Klägerin nunmehr auf 15 195 DM für 1978, auf 7 837 DM für 1979 und auf 10 537 DM für 1980 fest (Änderungsbescheid vom 25. August 1986). Einspruch und Klage gegen den Änderungsbescheid waren erfolglos.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 174 Abs.4 und 5 AO 1977 und des § 173 Abs.2 AO 1977.
Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG vom 8. Dezember 1992 I 177/87, den Gewerbesteuermeßbescheid vom 25. August 1986 und die Einspruchsentscheidung vom 27. März 1987 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist teilweise begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Entscheidung in der Sache (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FA durfte gemäß § 174 Abs.4 i.V.m. § 174 Abs.5 und § 184 Abs.1 Satz 3 AO 1977 die Gewerbesteuermeßbescheide vom 30. September 1982 ändern. Der angefochtene Änderungsbescheid ist jedoch teilweise rechtswidrig. Das FA kürzte zu Unrecht die Gewerbeerträge nicht um die Freibeträge für Personengesellschaften (§ 11 Abs.1 Satz 3 zweiter Halbsatz des Gewerbesteuergesetzes in den in den Streitjahren geltenden Fassungen --GewStG--).
A) Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag der Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs.4 Satz 1 AO 1977 aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlaß oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist gemäß § 174 Abs.4 Satz 3 AO 1977 dann unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der fehlerhafte und später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur, wenn der Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt wurde, daß er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und sich diese Annahme als unrichtig herausstellte (§ 174 Abs.4 Satz 4 i.V.m. § 174 Abs.3 Satz 1 AO 1977).
§ 174 Abs.4 AO 1977 ist nicht anzuwenden, wenn der aufgrund irriger Beurteilung eines Sachverhalts ergangene und vom FA wieder aufgehobene Steuerbescheid nichtig war. Der Wortlaut der Vorschrift läßt diese Einschränkung zwar nicht erkennen. Sie ergibt sich aber aus der Tatsache, daß die Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO 1977 einen Bescheid voraussetzen, der bestandskräftig werden kann (s. BFH-Urteil vom 16. Mai 1990 X R 147/87, BFHE 161, 398, BStBl II 1990, 942; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl. 1965/1991, Vor § 172 AO 1977 Tz.7).
Nach § 174 Abs.5 Satz 1 AO 1977 besteht die Befugnis gemäß § 174 Abs.4 AO 1977 auch Dritten gegenüber, wenn diese an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Dritter ist in diesem Zusammenhang jeder, der in dem fehlerhaften Steuerbescheid nicht als Steuerschuldner angegeben war (§ 157 Abs.1 Satz 2 AO 1977; BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817). Der Dritte war an dem zur Änderung oder Aufhebung des fehlerhaften Steuerbescheids führenden (Rechtsbehelfs-)Verfahren beteiligt, wenn er Verfahrensbeteiligter i.S. des § 359 AO 1977 oder § 57 FGO war.
Auf Gewerbesteuermeßbescheide ist § 174 AO 1977 sinngemäß anzuwenden (§ 184 Abs.1 Satz 3 AO 1977).
B) Nach den für den erkennenden Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG waren am 25. August 1986 sämtliche Voraussetzungen des § 174 Abs.4 und 5 AO 1977 für eine Änderung der Gewerbesteuermeßbescheide vom 30. September 1982 erfüllt.
1. Das FA hatte am 15. März 1984 einen Gewerbesteuermeßbescheid für die Streitjahre erlassen, der den unter der Firma der Klägerin geführten Gewerbebetrieb betraf. Dem Bescheid lag die Rechtsansicht zugrunde, der Gewerbebetrieb sei in den Streitjahren von einer aus der Klägerin und den stillen Gesellschaftern A, B und C als Mitunternehmern bestehenden Personengesellschaft betrieben worden und diese Gesellschaft sei auch Steuerschuldner gemäß § 5 Abs.1 Satz 3 GewStG. Dementsprechend entschied das FA gemäß § 184 Abs.1 Satz 2 AO 1977, Steuerschuldner sei die GmbH & Still und nicht die Klägerin. Außerdem liegt dem Bescheid die Rechtsauffassung zugrunde, der Gewerbesteuermeßbescheid müsse die Mitunternehmer einzeln namentlich bezeichnen und Angaben über die Art ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung enthalten.
Das ergibt sich aus der den Bescheid bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 16. November 1984, der Adressierung des Bescheides und der Tatsache, daß das FA den Bescheid erließ, um dem Urteil in BFHE 139, 291, BStBl II 1984, 63 Rechnung zu tragen.
Aufgrund eines Rechtsbehelfs der GmbH & Still und der Klägerin hatte das FA den Bescheid am 25. August 1986 aufgehoben, nachdem sich diese Beurteilung des Sachverhalts infolge des Urteils in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 als irrig erwiesen hatte.
2. Der aufgehobene Gewerbesteuermeßbescheid vom 15. März 1984 war nicht nichtig.
a) Verwaltungsakte, zu denen auch die Gewerbesteuermeßbescheide gehören, sind gemäß § 125 Abs.1 AO 1977 nichtig, soweit sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Kein derartiger Fehler liegt vor, wenn dem Verwaltungsakt zwar eine unrichtige Rechtsauffassung zugrunde liegt, diese aber über längere Zeit und auch noch im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts praktiziert wurde, ohne daß die h.M. in Rechtsprechung, Verwaltung und Literatur dies für rechtsfehlerhaft hielt (ähnlich Tipke/Kruse, a.a.O., § 125 AO 1977 Tz.2).
b) Der Bescheid vom 15. März 1984 war zwar fehlerhaft, da er auch an A, B und C adressiert war und die Feststellung enthält, die GmbH & Still sei Steuerschuldner i.S. des § 5 Abs.1 Satz 3 GewStG. Dies erwies sich aufgrund des Urteils in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 als unrichtig. Nach diesem Urteil können atypisch stille Gesellschafter nicht Adressaten eines Gewerbesteuermeßbescheids und atypisch stille Gesellschaften nicht Steuerschuldner i.S. des § 5 Abs.1 Satz 3 GewStG sein.
c) Dieser Fehler war aber nicht derart schwerwiegend und offenkundig, daß er zur Nichtigkeit des Bescheides führte. Der Bescheid entsprach hinsichtlich der Feststellung des Steuerschuldners und der Adressierung der Rechtsauffassung, die im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe und bis zur Veröffentlichung des Urteils in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 von der Rechtsprechung, der Verwaltung und in der Literatur allgemein vertreten worden war (s. BFH-Urteil in BFHE 139, 291, BStBl II 1984, 63; Döllerer, Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 1987/88, 289, 300; Bundesminister der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 26. November 1987 IV B 2-S 2241-61/87, BStBl I 1987, 765). Schon vor Veröffentlichung des Urteils in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 war zwar die subjektive Gewerbesteuerpflicht der atypisch stillen Gesellschaft in der Literatur verneint worden (s. Goller, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1982, 485; Döllerer, DStR 1985, 295, 300). Eine von der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis abweichende h.M. in der Literatur bestand zu dieser Zeit aber noch nicht.
d) Der erkennende Senat mußte die Rechtsfrage, ob der Bescheid vom 15. März 1984 nichtig war, nicht gemäß § 11 Abs.2 und 3 FGO dem Großen Senat des BFH zur Entscheidung vorlegen.
Der IV.Senat des BFH hat zwar in dem Urteil vom 14. September 1989 IV R 85/88 (BFH/NV 1990, 591), das die Rechtmäßigkeit von Gewerbesteuermeßbescheiden aus den Jahren 1982 und 1984 betrifft, die Rechtsauffassung vertreten, ein Gewerbesteuermeßbescheid sei nichtig, wenn er an eine atypisch stille Gesellschaft adressiert sei und in ihm die Gesellschaft als Steuerschuldner genannt werde (gl.A. Tipke/Kruse, a.a.O., § 125 AO 1977 Tz.3). Diese Rechtsansicht war für die Entscheidung des IV.Senats aber unerheblich. Die vom IV.Senat zu beurteilenden Gewerbesteuermeßbescheide waren nicht an die atypisch stille Gesellschaft adressiert und Steuerschuldner waren nach ihnen die einzelnen Mitunternehmer und nicht die atypisch stille Gesellschaft. Der erkennende Senat weicht daher mit seiner Entscheidung nicht i.S. des § 11 Abs.2 und 3 FGO von dem Urteil in BFH/NV 1990, 591 ab (s. BFH-Beschluß vom 10. November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, 250, BStBl II 1981, 164, 166).
Der Gewerbesteuermeßbescheid vom 15. März 1984 erfüllte im übrigen nur eine der beiden Voraussetzungen, die --wenn sie zusammen erfüllt sind-- nach Ansicht des IV.Senats zur Nichtigkeit eines Gewerbesteuermeßbescheids führen. Er enthielt die Feststellung, die GmbH & Still sei Steuerschuldnerin. Adressiert war er jedoch nicht an die atypisch stille Gesellschaft, sondern an deren Gesellschafter.
Der erkennende Senat weicht auch nicht ab von dem BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 414/83 (BFH/NV 1987, 393). Nach diesem zeitgleich mit der Entscheidung in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 ergangenen Urteil sind Gewerbesteuermeßbescheide unwirksam, wenn der Steuerschuldner in ihnen falsch oder so ungenau bezeichnet worden ist, daß Verwechslungen nicht auszuschließen sind. Der Gewerbesteuermeßbescheid vom 15. März 1984 konnte nicht zu Verwechslungen führen. Aus ihm ergab sich klar, wen das FA als Steuerschuldner ansah.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. August 1986 zog das FA insoweit die sich aus dem Sachverhalt ergebenden richtigen steuerlichen Folgerungen, als es die an die Klägerin gerichteten Gewerbesteuermeßbescheide vom 30. September 1982 änderte und nunmehr entsprechend dem Urteil in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 auch die Gewinnanteile der atypisch stillen Gesellschafter als Teil des von der Klägerin zu versteuernden Gewerbeertrags erfaßte.
4. Gemäß § 174 Abs.4 Satz 3 AO 1977 ist unbeachtlich, daß die Festsetzungsfrist für die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1978 bis 1980 am 25. August 1986 bereits abgelaufen war (§ 169 Abs.1 und Abs.2 Nr.2 i.V.m. § 170 Abs.2 Nr.1 und § 184 Abs.1 Satz 3 AO 1977). Das FA wahrte die Jahresfrist des § 174 Abs.4 Satz 3 AO 1977. Es erließ den Bescheid vom 25. August 1986 zeitgleich mit der Aufhebung des Bescheides vom 15. März 1984.
5. Nach § 174 Abs.4 Satz 4 i.V.m. Abs.3 Satz 1 AO 1977 ist auch unbeachtlich, daß die Festsetzungsfrist für den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1978 bereits Ende 1983 und somit vor Erlaß des fehlerhaften Bescheids vom 15. März 1984 abgelaufen war. Der Klägerin war nach den Feststellungen des FG von Anfang an bekannt, daß das FA den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1978 durch Bescheid vom 30. September 1982 nur deshalb auf 0 DM herabgesetzt hatte, weil es der (sich später als unrichtig erweisenden) Annahme war, der Gewerbeertrag einschließlich der Gewinnanteile der atypisch stillen Gesellschafter und das Gewerbekapital des unter der Firma der Klägerin betriebenen gewerblichen Unternehmens seien als Besteuerungsgrundlagen in einem anderen Bescheid zu erfassen.
6. Die Klägerin war hinsichtlich des Gewerbesteuermeßbescheids vom 15. März 1984 --ebenso wie bereits hinsichtlich der Bescheide vom 27. November 1982-- Dritte i.S. des § 174 Abs.5 Satz 1 AO 1977. Denn sie war nach diesen Bescheiden nicht Steuerschuldner.
Daß der Bescheid vom 15. März 1984 neben der Firma der Klägerin auch die Namen der stillen Gesellschafter enthält, steht dem nicht entgegen. Zwar kann nach dem BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 591 ein Gewerbesteuermeßbescheid, der die Firma des Geschäftsinhabers und der an dessen Gewerbebetrieb als atypisch stille Gesellschafter beteiligten Personen enthält, als ein Bescheid ausgelegt werden, der sich an den Geschäftsinhaber als Steuerschuldner richtet. Im Streitfall ist diese Auslegung aber ausgeschlossen. Das FA bezeichnete in der den Bescheid vom 15. März 1984 bestätigenden Einspruchsentscheidung ausdrücklich die GmbH & Still als Steuerschuldner i.S. des § 5 Abs.1 GewStG. Außerdem wandte es sich gegen die Rechtsauffassung der Einspruchsführer, eine atypisch stille Gesellschaft könne nicht subjektiv gewerbesteuerpflichtig sein.
7. Die Klägerin war an dem (Rechtsbehelfs-)Verfahren, das zur Aufhebung des fehlerhaften Bescheids vom 15. März 1984 geführt hatte, beteiligt. Nach den Feststellungen des FG war sie eine der Klägerinnen und damit Beteiligte i.S. des § 57 FGO des Klageverfahrens mit dem Az. I 521/84. Gegenstand dieses Verfahrens war der Bescheid vom 15. März 1984.
8. Unerheblich ist, daß das zur Aufhebung des Bescheids vom 15. März 1984 führende Rechtsbehelfsverfahren erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist für den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1978 begonnen hatte und die Klägerin somit an diesem Verfahren erst beteiligt sein konnte, nachdem für den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1978 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.
Zwar ist § 174 Abs.4 AO 1977 nach Auffassung des X.Senats des BFH Dritten gegenüber nur anwendbar, wenn diese vor Eintritt der Festsetzungsverjährung an dem Verfahren beteiligt wurden, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat (s. BFH-Urteil in BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817). Der X.Senat begründet diese dem Wortlaut des § 174 Abs.5 AO 1977 nicht zu entnehmende und möglicherweise § 174 Abs.4 Satz 4 i.V.m. § 174 Abs.3 Satz 1 AO 1977 widersprechende Einschränkung mit dem Sinn des § 174 AO 1977 und einer Vertrauensposition des Dritten. Der Dritte habe mit Eintritt der Festsetzungsverjährung eine schützenswerte Vertrauensposition erlangt, sofern er nicht zuvor förmlich an dem zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids führenden Verfahren beteiligt worden sei. In den Fällen des § 174 Abs.4 AO 1977 habe der Dritte nicht durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf eine Änderung oder Aufhebung des fehlerhaften Bescheids hingewirkt. Bei ihm seien --typischerweise-- auch keine Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur vorauszusetzen, solange er an dem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei.
Im Streitfall greift diese Einschränkung aber nicht ein. Es bestand keine schützenswerte Vertrauensposition der Klägerin. Die Klägerin war bereits an dem wegen der Gewerbesteuermeßbescheide vom 27. November 1982 geführten Klageverfahren (Az. des FG: I 214/83) beteiligt. Sie war, wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt, eine der Klägerinnen dieses Verfahrens. Sie wirkte somit bereits vor Eintritt der Festsetzungsverjährung hinsichtlich des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1978 durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen darauf hin, daß u.a. auch der Gewerbesteuermeßbescheid für 1978 vom 27. November 1982 vom FA aufgehoben wurde. Ihr waren auch die möglichen Auswirkungen des Klageverfahrens I 214/83 bekannt. Da sie bereits in diesem Klageverfahren die Ansicht vertreten hatte, die GmbH & Still sei nicht gewerbesteuerpflichtig, mußte sie bei einem Erfolg ihrer Klage damit rechnen, daß das FA sie als Steuerschuldnerin in Anspruch nehmen werde. Eine schützenswerte Vertrauensposition erlangte die Klägerin auch nicht durch den Gewerbesteuermeßbescheid vom 15. März 1984. Zwar gab das FA durch diesen Bescheid zu erkennen, daß es weiterhin die GmbH & Still als Steuerschuldner ansah. Da die Klägerin aber auch diesen Bescheid mit der Begründung angefochten hatte, die GmbH & Still sei nicht gewerbesteuerpflichtig, mußte sie weiterhin damit rechnen, bei einem Erfolg ihres Rechtsbehelfs als alleinige Steuerschuldnerin in Anspruch genommen zu werden.
Der erkennende Senat kann im Streitfall daher offenlassen, ob er sich der Rechtsauffassung des X.Senats anschließt.
C) Die Änderung der Gewerbesteuermeßbescheide vom 30. September 1982 verstößt nicht gegen § 173 Abs.2 AO 1977. Diese Vorschrift schränkt lediglich die Änderungsbefugnis gemäß § 173 Abs.1 AO 1977 ein (s. BFH-Urteil vom 29. April 1987 I R 118/83, BFHE 149, 508, BStBl II 1988, 168).
D) Der Änderungsbescheid vom 25. August 1986 ist teilweise rechtswidrig. Das FA hat § 11 Abs.1 Satz 3 zweiter Halbsatz GewStG nicht beachtet.
1. Gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 zweiter Halbsatz GewStG 1978 ist der Gewerbeertrag bei natürlichen Personen und Gesellschaften i.S. des § 2 Abs.2 Nr.1 GewStG um einen Freibetrag zu kürzen. Der Freibetrag beträgt für die Erhebungszeiträume 1978 und 1979 jeweils 24 000 DM und für den Erhebungszeitraum 1980 36 000 DM (s. Art.2 Nr.4 a des Steueränderungsgesetzes 1979 vom 30. November 1978, BGBl I 1978, 1849, BStBl I 1978, 479). Die Kürzung darf zu keinem negativen Betrag führen (§ 11 Abs.1 Satz 3 dritter Halbsatz GewStG).
Gesellschaften i.S. des § 2 Abs.2 Nr.1 GewStG sind die Personengesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind. Zu diesen Gesellschaften gehören auch die atypisch stillen Gesellschaften (s. Urteil in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12.Aufl. 1993, § 15 Anm.37, 58 m.w.N.). Daher ist bei der Ermittlung des Steuermeßbetrags nach dem Gewerbeertrag für das gewerbliche Unternehmen einer Kapitalgesellschaft, an dem Dritte als atypisch stille Gesellschafter beteiligt sind, der Gewerbeertrag um den Freibetrag gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 GewStG zu kürzen (gl.A. z.B. Gosch in Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14.Aufl. 1993, § 11 GewStG Rz.9; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 8.Aufl. 1957/1991, § 11 Rdnr.3; Glanegger/Güroff, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 2.Aufl. 1991, § 11 Anm.3 a; Unvericht, DStR 1987, 413; Döllerer, StbJb 1987/1988, 289, 302; Binger, Der Betrieb 1988, 414, BMF-Schreiben in BStBl I 1987, 765; a.A. Zacharias/Suttmeyer/Rinnewitz, DStR 1988, 128).
2. Die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1978 bis 1980 sind daher wie folgt neu zu berechnen und festzusetzen:
Erhebungszeitraum 1978 1979 1980
DM DM DM
abgerundeter Gewerbeertrag
lt. angefochtenem Bescheid 303 900 151 300 190 700
Freibetrag nach § 11
Abs.1 GewStG - 24 000 - 24 000 - 36 000
verbleibender Betrag 279 900 127 300 154 700
Steuermeßbetrag nach dem
Gewerbeertrag 13 995 6 365 7 735
Steuermeßbetrag nach dem
Gewerbekapital
(unverändert) 0 272 1 002
einheitlicher 13 995 6 637 8 737
Steuermeßbetrag
Fundstellen
Haufe-Index 64849 |
BFH/NV 1994, 36 |
BStBl II 1994, 327 |
BFHE 173, 184 |
BFHE 1994, 184 |
BB 1994, 564 |
BB 1994, 628 |
BB 1994, 628-631 (LT) |
DB 1994, 1068 (L) |
DStR 1994, 391 (KT) |
DStZ 1994, 252-253 (KT) |
HFR 1994, 271-274 (LT) |
StE 1994, 160 (K) |