Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladung; Zurückverweisung an einen anderen Senat
Leitsatz (NV)
1. Ist im Gewinnfeststellungsverfahren streitig, ob positive Gewinne einer KG einer mittlerweile gelöschten GmbH oder anderen Personen zuzurechnen sind, so ist die GmbH zum Verfahren notwendig beizuladen.
2. Zu den Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3; ZPO § 565 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren - neben weiteren Gesellschaftern - Kommanditisten der X KG (X), die zur Durchführung eines Bauvorhabens gegründet worden war. Sie gründeten zusammen mit ihren Ehefrauen 1982 zu je 1/6 die Y-GmbH (Y). Zwölf Tage nach der Gründung der Y übertrugen die Kläger ihre Anteile an der X auf die Y zu Buchwerten.
Die Kläger gründeten ferner die A-KG. Diese erwarb ein Grundstück mit ... qm, das mit einem Wohnpark bebaut werden sollte. Die A-KG veräußerte am 27. Dezember 1992 eine Teilfläche aus diesem Grundstück für ... DM an die Z. Diesen Grundstücksteil sollte die X zu einem Festpreis von ... DM im Auftrag der Z bebauen (Generalübernehmervertrag vom 28. April 1983; Vorentwurf vom 16. Juni 1982). Die Z löste den Generalübernehmervertrag wegen Verstoßes der X gegen die Vorschriften über die Bewilligung von Fördermitteln des Sozialministers des Landes ... auf. Am 17. Oktober 1983 einigten sich die Vertragsparteien, daß die X als Ersatz für entgangenen Gewinn ... DM von der Z erhalten sollte. Dieser Betrag wurde am 25./26. Oktober 1983 bezahlt.
Am 7. Dezember 1983 beschlossen die Gesellschafter der X, der mittlerweile weitere Gesellschafter beigetreten waren, diese gemäß §§ 46 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG), § 20 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) rückwirkend zum 1. Juli 1983 auf die B-GmbH (B) umzuwandeln. Die B übte seit dem Tag ihrer Gründung keine Geschäftstätigkeit aus. In der Umwandlungsbilanz der X zum 30. Juni 1983 wurden auf der Aktivseite u.a. stille Reserven aus schwebenden Geschäften in Höhe von ... DM und auf der Passivseite ein Umwandlungsgewinn in derselben Höhe ausgewiesen. Dieser Betrag resultierte aus der Zahlung der Z abzüglich der der X bereits entstandenen Kosten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dieser Behandlung letztlich nicht und erfaßte unter Hinweis auf § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) den Umwandlungsgewinn als laufenden Gewinn der X.
Im Rahmen einer anschließenden Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die Y den Gewinnanteil an der X 1983 auf Festgeldkonten angelegt hatte und die Gesellschafter der Y 1984 ihre Anteile an der Y für ... DM an die C-GmbH und Co. KG veräußert hatten. Als Vermittler dieses Kaufs war ein von den Klägern wiederholt eingeschalteter Treuhänder aufgetreten. Der Kaufpreis entsprach nach den Feststellungen der Betriebsprüfung nach Abzug eines geringen Gewinns für die Käuferin dem Barvermögen der Y. Die Geschäftstätigkeit der Y hatte sich in dem Halten der Beteiligung an der X erschöpft. Am 18. März 1988 wurde die Y im Handelsregister gelöscht. Aufgrund dieser Feststellungen änderte das FA den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1983 erneut und rechnete gemäß § 42 AO 1977 den bisher der Y zugerechneten Gewinnanteil an der X in Höhe von ... DM den Klägern zu.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung von Verfahrensnormen, insbesondere der §§ 60 Abs. 3, 76, 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO), falsche Beweiswürdigung und Verletzung der §§ 42 AO 1977 und 20 Abs. 7 UmwStG sowie § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Sache ist unter Aufhebung des Urteils an das FG zum Zwecke der Nachholung der Beiladung der Y zurückzuverweisen.
1. Gemäß § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte zum Verfahren notwendig beizuladen, wenn die Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Die Entscheidung zu den Feststellungsbeteiligten im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ergeht notwendigerweise einheitlich (vgl. § 179 Abs. 2 AO 1977). Aus § 60 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 FGO ergibt sich im Streitfall keine Einschränkung der notwendigen Beiladung der Y.
a) Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist u.a. auch derjenige Gesellschafter klagebefugt, der durch die Feststellung, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist, berührt wird. Dabei sind insbesondere auch solche Personen beizuladen, für die im Prozeß gerade verbindlich darüber zu entscheiden ist, ob sie Mitunternehmer sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Oktober 1981 I R 25/79, BFHE 134, 421, BStBl II 1982, 186). Die im Verfahren streitige Frage, ob die Y als zivilrechtlicher Gesellschafter der X oder die Kläger wegen Gestaltungsmißbrauchs über § 42 AO 1977 Feststellungsbeteiligte sind, berührt die steuerlichen Belange der Y. Sollte ein Gestaltungsmißbrauch verneint werden, so wäre der hier angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid, soweit er die Kläger als Mitunternehmer ausweist, aufzuheben mit der Folge, daß der ursprüngliche Bescheid, in dem die Y als Beteiligte behandelt wurde, wieder in Kraft tritt.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Y unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von dem Verfahren betreffend Zurechnung der Einkünfte betroffen ist (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544, m.w.N.). Schließlich geht es darum, ob der Y oder den Klägern steuerlich der positive Gewinnanteil in Höhe von ... DM zuzurechnen ist. Die Tatsache, daß letztlich die Y durch das Urteil des FG nicht schlechter gestellt wurde, erlaubt nicht, von einer Zurückverweisung zum Zweck der Nachholung der notwendigen Beiladung abzusehen. Die notwendige Beiladung hat in einem Zeitpunkt stattzufinden, in der der Ausgang des Verfahrens noch nicht feststeht. Der notwendig Beizuladende muß, da er vom Ausgang des Verfahrens betroffen ist, vor Ergehen des Urteils Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Wird er vom FG nicht beigeladen, so werden ihm die Rechte aus der Beiladung und der damit verbundenen Beteiligtenstellung (§ 57 Nr. 3 FGO) endgültig entzogen, da im Revisionsverfahren eine Beiladung nicht mehr stattfinden kann (vgl. § 123 Satz 1 FGO).
Eine formelle Beiladung kann auch dann nicht entfallen, wenn ein Verfahrensbeteiligter oder dessen Prozeßvertreter (früherer) gesetzlicher Vertreter des Beizuladenden war. Selbst wenn tatsächlich ohne Beiladungsbeschluß im Interesse des Beizuladenden im Klageverfahren Stellungnahmen abgegeben worden wären, würde es an der für die Durchsetzung der Rechte des Beigeladenen notwendigen Rechtsposition fehlen. So könnte der Nichtbeigeladene auch keine Revision einlegen (§ 115 Abs. 1, § 57 FGO).
Das Recht der Y auf Beiladung ist noch nicht verwirkt. Es kann dahinstehen, ob, ggf. unter welchen Voraussetzungen überhaupt ein Recht auf notwendige Beiladung verwirkt werden kann. Ist eine notwendige Beiladung unterblieben, so stellt dies einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, der von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 60 Rdnr. 73, m.w.N.). Keinesfalls kann ein Recht auf notwendige Beiladung durch das Verhalten der anderen Verfahrensbeteiligten und deren Prozeßvertreter verwirkt werden. Die Tatsache, daß der frühere Liquidator der Y nach deren Löschung die Bestellung eines Nachtragsliquidators abgelehnt haben soll, ist unmaßgeblich, da dieser spätestens im Zeitpunkt der Handelsregisterlöschung seine Stellung als deren gesetzlicher Vertreter verloren hatte (vgl. Lutter/Hommelhoff, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 13. Aufl., § 70 Rdnr. 2, § 74 Rdnr. 6).
Auch die Löschung der Y im Jahr 1988 im Handelsregister ändert an ihrer Beteiligtenfähigkeit nichts. Da sie jedoch mit dem Wegfall ihres vertretungsberechtigten Organs prozeßunfähig geworden ist, ist ein Nachtragsliquidator oder ein Prozeßpfleger zu bestellen (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587; vom 7. August 1990 VIII R 257/84, BFH/ NV 1991, 507; vom 15. April 1992 IX B 164/91, BFH/NV 1993, 369; vom 6. Mai 1977 III R 19/75, BFHE 122, 389, BStBl II 1977, 783; vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 10. Oktober 1988 II ZR 92/88, BGHZ 105, 259, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1989, 220).
Das FA stützt seine gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf das Urteil des BFH vom 16. Dezember 1981 I R 93/77 (BFHE 135, 271, BStBl II 1982, 474). Dieses Urteil betrifft den Fall, daß einer (gelöschten) Komplementär-GmbH bei Obsiegen der klagenden Kommanditistin ein höherer Verlustanteil zuzuweisen wäre. Dieser Verlust konnte sich aber aus tatsächlichen Gründen nicht mehr auswirken. Entsprechendes gilt für den Fall einer möglichen Verringerung des Verlustes der gelöschten GmbH (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 334/84, BFH/NV 1987, 312). Im Streitfall hingegen geht es um die Zurechnung positiver Gewinnanteile, die das zu versteuernde Einkommen der Y erhöht haben. Sollte die Y über § 42 AO 1977 nicht als Mitunternehmerin der X zu betrachten sein, so ergäbe sich für sie ggf. ein Körperschaftsteuererstattungsanspruch. Es ist nicht Gegenstand der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, über die Zahllast bzw. einen Erstattungsanspruch der Y zu entscheiden. Der Hinweis des FA auf eine mögliche Verrechnung mit Körperschaftsteuererstattungs- und Haftungsanspruch ist für dieses Verfahren entscheidungsunerheblich.
Mit der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für die Y kann dieser auch der geänderte Gewinnfeststellungsbescheid 1983 bekanntgegeben werden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15. Januar 1987 IV B 95/86, BFH/NV 1987, 659).
b) Der Beiladung steht nicht entgegen, daß die Y als Kapitalgesellschaft von der Feststellung einer Tarifbegünstigung des Umwandlungsgewinns nicht berührt ist (vgl. § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG).
2. Der Senat sieht keinen sachlichen Grund, die Streitsache an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 565 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann der BFH die Rechtssache an einen anderen Senat des FG zurückverweisen (vgl. BFH-Urteile vom 26. Mai 1992 VII R 26/91, BFH/NV 1993, 177; vom 9. Mai 1989 VII R 5/89, BFH/NV 1990, 243; vom 20. Dezember 1983 VIII R 127/80, nicht veröffentlicht - NV -; vom 19. August 1982 IV R 184/81, insoweit NV; Gräber/Ruban, a.a.O., § 126 Rdnr. 13). Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat das Recht des Betroffenen auf seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes - GG -) berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus, um eine willkürfreie Ermessensausübung zu gewährleisten. Von ihr ist insbesondere dann Gebrauch zu machen, wenn das Revisionsgericht aufgrund der besonderen Umstände befürchten muß, daß es dem Vordergericht schwerfallen wird, sich die rechtliche Beurteilung, die zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils führte, voll zu eigen zu machen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 25. Oktober 1966 2 BvR 291, 656/64, BVerfGE 20, 336, 346, 347). Auch bei festgestellter fehlender Sachkompetenz ist im Interesse der Beteiligten die Zurückverweisung an einen anderen Senat in Betracht zu ziehen (vgl. BGH-Urteil vom 20. Dezember 1988 X ZB 30/87, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht - NJW-RR - 1989, 826/827). Dasselbe gilt für den Fall erfolgreicher Richterablehnung (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 1991 VII R 24/91, NV). Für keine dieser Alternativen liegen im Streitfall Anhaltspunkte vor. Da sich die Frage einer Zurückverweisung ferner stets nur bei rechtsfehlerhafter Vorentscheidung stellt, kann die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG nicht mit der Unrichtigkeit des Urteils begründet werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH wird die sinngemäße Anwendung des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO auch dann erwogen, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des erkennenden Senats des FG (fort-)besteht (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 243). Das Verhältnis dieser Rechtsprechung zum Grundsatz der Individualablehnung (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 51 Rdnr. 19, 39) kann im Streitfall offenbleiben. Es sind von den Klägern keine Gründe vorgetragen worden, noch sind solche erkennbar, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter des erkennenden Senats des FG aufkommen lassen. Insbesondere beruht das klageabweisende Urteil nicht auf subjektiven Empfindungen der Richter, wie die Kläger meinen. Das FG bejaht einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Zur Begründung dieser Auffassung bedarf es der Darstellung der von § 42 AO 1977 aufgestellten Tatbestandsmerkmale. Hierzu gehört die Umgehung von Steuergesetzen und zwangsläufig die Darlegung der Steuerverminderung. Daß die Übertragung der Mitunternehmeranteile der Kläger auf die Y und die Veräußerung der Gesellschaftsanteile an der Y im Streitfall zu dem Ergebnis führten, daß wirtschaftlich die Kläger aus (ursprünglich) steuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb aufgrund der zusätzlichen Beteiligung ihrer Ehefrauen steuerfreie Veräußerungsgewinne gemacht haben, ist den Klägern bekannt. Nichts anderes hat das FG mit anderen Worten auf S. 18/19 des Urteils dargelegt. Es entspricht auch der Gesetzeslage und nicht rein subjektivem Empfinden des erkennenden Senats des FG, daß die gewählte Gestaltung trotz Versteuerung der Gewinne der X bei der Y letztlich zu einer Steuerfreistellung der X-Gewinne führte. Die bei der Y angefallenen Körperschaftsteuern wurden letztlich über die Vollausschüttung und über die Teilwertabschreibung beim bilanzierenden Käufer der Anteile wirtschaftlich wieder rückgängig gemacht (vgl. auch Beschluß des Senats vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426, m.w.N.).
Im übrigen ist bei Anwendung des § 42 AO 1977 kein Raum für subjektive Empfindungen, wie die Kläger meinen. Die Prüfung eines Gestaltungsmißbrauchs erfolgt anhand der objektiven Tatbestandsmerkmale des § 42 AO 1977 (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1991 VI R 32/89, BFHE 167, 49, BStBl II 1992, 695; BFH in BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426). Auch ist § 42 AO 1977 zwingendes Recht.
Fundstellen
Haufe-Index 419579 |
BFH/NV 1994, 798 |