Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft
Hintergrund: Gewinnausschüttungen einer kroatischen Gesellschaft
Streitig war, ob dem X in 2007 bis 2010 als beherrschendem Gesellschafter einer kroatischen Kapitalgesellschaft beschlossene Gewinnausschüttungen, die ihm nicht ausbezahlt wurden, zugeflossen sind.
Der in Deutschland wohnhafte und unbeschränkt steuerpflichtige X war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kroatischen Rechts mit Sitz in Kroatien. Die Gesellschaft erwirtschaftete in den Geschäftsjahren 2006 bis 2009 jeweils Gewinne.
Das FA erfasste bei X die von der kroatischen Gesellschaft beschlossenen Ausschüttungen. Es ging davon aus, diese seien dem X als beherrschendem Gesellschafter im jeweiligen Streitjahr zugeflossen.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Einem vom FG eingeholten Sachverständigengutachten zum kroatischen Recht sei zu entnehmen, dass es im kroatischen Recht kein gesetzliches Auszahlungshindernis gegeben habe, das den X hätte hindern können, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs nach seinem Ermessen zu bestimmen. Die kroatische Gesellschaft sei in allen Streitjahren zahlungsfähig gewesen.
Entscheidung: Kein Zufluss bei Auszahlungshindernissen nach ausländischem Recht
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Gewinnausschüttungen seien dem X bereits in den Streitjahren zugeflossen.
Zuflussprinzip nach deutschem Recht
Ob dem X Gewinnanteile aus der kroatischen Gesellschaft zugeflossen sind, richtet sich nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Denn die Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung des kroatischen Rechts ist mit einer deutschen GmbH vergleichbar (BFH v. 23.9.2009, I B 95/09, BFH/NV 2010, S. 233). Auch für den Zeitpunkt des Zuflusses der streitigen Ausschüttungen aus der kroatischen Kapitalgesellschaft ist das deutsche ESt-Recht maßgeblich (vgl. BFH v. 8.7.1998, S. I R 57/97, BStBl II 1998, S. 672, zum DBA Schweiz).
Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter
Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist der Zufluss einer Ausschüttung in der Regel bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung anzunehmen, weil er es dann in der Hand hat, sich die ihm von der Gesellschaft geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sein Gewinnauszahlungsanspruch eindeutig, unbestritten und fällig und die Gesellschaft zahlungsfähig ist. Denn dann kann der beherrschende Gesellschafter im Regelfall wirtschaftlich bereits ab dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses über seinen Gewinnanteil verfügen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH v. 2.12.2014, VIII R 2/12, BStBl II 2015, S. 333, Rz. 14 ff.).
Besonderheiten bei ausländischen Gesellschaften
Entsteht mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses nach ausländischem Recht ein sofort fälliger Gewinnauszahlungsanspruch, kann hieraus jedoch nicht in jedem Fall zwingend abgeleitet werden, dass der beherrschende Gesellschafter bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft schon unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Denn der Auszahlung des Ausschüttungsbetrags können nach dem ausländischen Recht gleichwohl Hindernisse entgegen stehen mit der Folge, dass noch kein Zufluss vorliegt.
Prüfung der Dispositionsmöglichkeit durch das FG
Das FG ging zwar davon aus, dass entsprechende Gewinnverwendungs- und Ausschüttungsbeschlüsse vorlagen und die Gesellschaft jeweils zahlungsfähig war. Das FG ist jedoch rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, X habe bereits ohne Weiteres aufgrund der jeweiligen Fälligkeit der Gewinnauszahlungsansprüche auch die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Gewinnanteile erlangt. Ob der Erlangung der Verfügungsmacht nach kroatischem Recht Hindernisse entgegenstanden, hat das FG jedoch - trotz Vortrags des X und des widersprüchlichen Akteninhalts - nicht hinreichend aufgeklärt. Es hat nicht festgestellt, ob neben der Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs etwa weitere gesetzliche Voraussetzungen des kroatischen Rechts für eine Auszahlung der beschlossenen Ausschüttungen an X erfüllt sein mussten.
Zurückverweisung an das FG
Das FG hat die Feststellung nachzuholen, ob trotz der Fälligkeit des Anspruchs noch ein Auszahlungshindernis bestand, das X nicht beeinflussen konnte und das der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht entgegenstand. In Betracht kommt in diesem Zusammenhang die von X behauptete Verpflichtung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft nach kroatischem Recht, bei der Auszahlung der Gewinnanteile an die Gesellschafter den vorherigen Abzug der kroatischen Kapitalertragsteuer nachzuweisen. Die bisherigen Feststellungen des FG hierzu sind widersprüchlich.
Hinweis: Zusätzliches Zuflusshindernis
Die Parallele zur deutschen Rechtslage geht nicht so weit, dass mit der Fälligkeit des Gewinnauszahlungsanspruchs und der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft in jedem Fall die Verfügungsbefugnis über die Ausschüttungsbeträge verbunden ist. Hinzukommen muss bei einer ausländischen Gesellschaft zusätzlich die Feststellung, dass nach dem ausländischen Recht keine Hindernisse bestehen, die der Verfügungsmacht des Gesellschafters entgegen stehen und einen Zufluss blockieren. Das FG hat insoweit als Tatsachengericht das ausländische Recht – ggf. durch einen Sachverständigen – aufzuklären.
BFH Urteil vom 14.02.2022 - VIII R 32/19 (veröffentlicht am 01.09.2022)
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