Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Arbeitsrecht Bankrecht Kreditrecht Berufsrecht Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Nach Ablauf der Ausschlußfrist für den Antrag personenbezogener Kapitalgesellschaften nach § 19 Abs. 4 KStG (vgl. BFH-Urteil I 66/64 vom 7. Juni 1966, BFH 86, 371, BStBl III 1966, 514) kann die Steuererklärung, die diesen Antrag nicht enthält, nicht wegen Irrtums (§ 119 BGB) mit der Wirkung angefochten werden, daß der Antrag als rechtzeitig gestellt gilt.
Normenkette
KStG § 19 Abs. 4; BGB §§ 119, 116
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -), eine personenbezogene GmbH (§ 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG), gab am 31. Januar 1963 ihre Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 1961 ab. Die Zeile 102, die wie folgt lautet:
"Ein unwiderruflicher Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG auf Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 KStG ist bereits am ... 196.. gestellt worden - wird - hiermit - nicht - gestellt", war durchgestrichen. Der Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA -) wandte bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer für das Streitjahr die Steuersätze nach § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG an.
Am 2. April 1963 - innerhalb der Einspruchsfrist gegen den Körperschaftsteuerbescheid - bat die Stpfl. "um Berichtigung der Besteuerungsart" und stellte den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG auf Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 KStG. Das FA gab diesem Antrag nicht statt, weil die Ausschlußfrist des § 19 Abs. 4 Satz 2 KStG nicht eingehalten worden sei. Daraufhin erklärte die Stpfl., sie habe mit ihrem Antrag vom 2. April 1963 die Besteuerungsart in dem Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr im Sinne der §§ 119 ff. BGB angefochten, und führte zur Begründung weiter aus, sie habe ihrem Steuerberater durch Schreiben vom 3. April 1962 den Beschluß der Gesellschaft mitgeteilt, daß die für Ausschüttungen günstigere Besteuerung nach dem Körperschaftsteuertarif für Publikumsgesellschaften gewählt werden sollte. Infolge eines Versehens im Büro ihres Steuerberaters habe es dieser unterlassen, den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG zu stellen. Ihr Geschäftsführer habe die Steuererklärung in der Annahme unterschrieben, daß das Schreiben vom 3. April 1962 in der Steuererklärung berücksichtigt worden sei.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1965 S. 240 veröffentlicht ist, hat die Auffassung vertreten, die Frist für den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG sei eine Ausschlußfrist. Die Körperschaftsteuererklärungen 1961 seien bis 31. Mai 1962 abzugeben gewesen. Für den Fall, daß Angehörige der steuerberatenden Berufe bei der Anfertigung der Steuererklärung mitwirkten, sei der Abgabetermin bis 30. September 1962 verlängert worden. Der Stpfl. sei darüber hinaus durch das FA eine Frist zur Abgabe der Steuererklärung für das Streitjahr bis 31. Januar 1963 eingeräumt worden. An diesem Tag sei die Erklärung auch beim FA eingegangen. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte der Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG gestellt werden müssen. Nachsicht wegen der Versäumung der Frist könne, da es sich um eine Ausschlußfrist handle, nicht gewährt werden. Auch die Anfechtung wegen Irrtums sei nicht möglich. Abgesehen davon, daß ein Anfechtungsrecht nach §§ 116 ff. BGB im öffentlichen Recht nicht als zulässig anzusehen sei, wäre die Anfechtung der Unterlassung eines innerhalb einer Ausschlußfrist zu stellenden Antrags mit dem Wesen einer Ausschlußfrist völlig unvereinbar.
Mit der Rb. (Revision) macht der Stpfl. zunächst geltend, durch die Streichung des Satzes in der Zeile 102 der Steuererklärung habe sie diesen Satz verneint und durch die doppelte Verneinung den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG gestellt. Werde diese Auffassung nicht geteilt, so habe sie sich in einem Irrtum über den Inhalt ihrer Erklärung befunden und die Erklärung rechtzeitig wegen dieses Irrtums angefochten. Die Anfechtung mache die Wahl des Tarifs für personenbezogene Kapitalgesellschaften rückwirkend ungeschehen. Sie habe aber gleichzeitig zur Folge, daß nunmehr der Tarif für Publikumsgesellschaften als gewählt gelte. Denn sie, die Stpfl., habe nur diese beiden Möglichkeiten der Wahl gehabt. Nach wie vor vertrete sie aber auch die Auffassung, daß die Frist für den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG keine Ausschlußfrist sei, der Antrag daher auch im Einspruchsverfahren noch habe gestellt werden können.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Wie der Senat durch Urteil I 66/64 vom 7. Juni 1966 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 86 S. 371 - BFH 86, 371 -, BStBl III 1966, 514) entschieden hat, ist die Frist für den Antrag personenbezogener Kapitalgesellschaften, wie Kapitalgesellschaften im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 KStG besteuert zu werden (§ 19 Abs. 4 KStG), eine Ausschlußfrist, die mit dem Ablauf der allgemeinen oder der im Einzelfall verlängerten Frist für die Abgabe der Steuererklärung endet. Diese Frist war im Streitfall am 31. Januar 1963 abgelaufen. Der Antrag vom 2. April 1963 kam daher zu spät. Nachsicht wegen Versäumung der Frist (§ 86 AO) kann nicht gewährt werden, da dem Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG eine rechtsbehelfsähnliche Eigenschaft nicht zuzusprechen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH I 66/64, a. a. O.).
Unrichtig ist die Auffassung der Stpfl., sie habe durch das Streichen der Zeile 102 der Steuererklärung den Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG gestellt. Bei verständiger Auslegung der Steuererklärung kann aus dem Durchstreichen der Zeile 102 nur der Schluß gezogen werden, daß der dort erwähnte Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG nicht gestellt werde. Das war auch noch die Meinung der Stpfl. im Schreiben vom 13. September 1963 an das FA, in dem die Sätze stehen: "Diese Streichung der ganzen Zeile ändert - richtig verstanden - nichts an dem Inhalt der vorgedruckten Erklärung. Die Gesellschaft hat also ihren Willen dahin erklärt, daß der Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG hiermit nicht gestellt werde".
Für die von der Stpfl. erklärte Anfechtung der Steuererklärung nach § 119 BGB ist kein Raum. Die Vorschriften des BGB über die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums gelten grundsätzlich nur für die Willenserklärungen, die Bestandteile privater Rechtsgeschäfte sind. Im öffentlichen Recht kommt eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften allenfalls in Betracht, wenn es sich um ähnliche Rechtsverhältnisse handelt, wie z. B. beim Abschluß öffentlich-rechtlicher Verträge, grundsätzlich dagegen nicht bei einseitigen Anträgen, die private Personen an Behörden richten (vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. S. 241). Hier bestimmt sich ausschließlich nach öffentlichem Recht, ob die Erklärung berichtigt, ergänzt oder widerrufen werden kann. Für den Antrag auf Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft nach § 19 Abs. 1 Ziff. 1 KStG gilt nach § 19 Abs. 4 KStG, daß er innerhalb einer bestimmten Ausschlußfrist zu stellen ist. Mit dem Wesen dieser Ausschlußfrist wäre es unvereinbar, wenn die Stpfl. auf dem Umweg über die Anfechtung der Erklärung, sie stelle keinen Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG, diesen Antrag nach Ablauf der Ausschlußfrist nachholen könnte.
Hinzu kommt folgendes: Einer Erklärung, der Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG werde nicht gestellt, wäre keinerlei rechtliche Wirkung beizulegen. Denn personenbezogene Kapitalgesellschaften werden nach den Steuersätzen des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG besteuert, ohne daß es einer darauf gerichteten Erklärung der Steuerpflichtigen bedürfte. Eine Anfechtung wegen Irrtums ist aber nur sinnvoll bei Erklärungen, an die bestimmte rechtliche Folgen geknüpft sind. Nur mit ihnen befassen sich die §§ 116 ff. BGB (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, überblick vor § 104, Anm. 10; Boehmer, Einführung in das bürgerliche Recht, 2. Aufl., S. 328 ff.).
Schließlich hätte die Anfechtung wegen Irrtums lediglich zur Folge, daß die angefochtene Willenserklärung als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 BGB), nicht aber auch, daß damit zugleich das Gegenteil erklärt wäre (vgl. Staudinger-Coing, Kommentar zum BGB, 11. Aufl., § 142 Anm. 1 a). Die Rechtslage wäre nach der Anfechtung lediglich die, daß keine Erklärung abgegeben worden ist. Das würde im Streitfall bedeuten, daß die Stpfl., da sie eine personenbezogene Kapitalgesellschaft ist, nach § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG zu besteuern ist.
Fundstellen
Haufe-Index 412422 |
BStBl III 1967, 208 |
BFHE 1967, 529 |
BFHE 87, 529 |
BB 1967, 320 |
DB 1967, 624 |
DStR 1967, 262 |