Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz EStG bei doppelstöckigen Personengesellschaften
Leitsatz (NV)
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz EStG ist auf Tätigkeitsvergütungen eines Obergesellschafters anzuwenden, sofern die zwischengeschaltete Obergesellschaft keinen eigenen Geschäftsbetrieb mit eigenständiger erwerbswirtschaftlicher Funktion unterhält, der sich in gegenständlicher und organisatorischer Hinsicht von dem der Untergesellschaft unterscheidet und ein gewisses Mindestmaß an geschäftlichen Aktivitäten umfaßt, und beachtliche Gründe wirtschaftlicher oder sonstiger Art fehlen, die die Zwischenschaltung der Obergesellschaft rechtfertigen (Anschluß an BFH-Beschluß vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 2. HS; GewStG § 7
Tatbestand
Einziger Komplementär der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - einer GmbH & Co. KG - war in den Streitjahren ohne Einlage die A Verwaltungsgesellschaft mbH (A-GmbH), einzige Kommanditistin die im Handelsregister eingetragene A Beteiligungsgesellschaft (A-KG). Die Herren B, C und D waren persönlich haftende Gesellschafter der A-KG und zugleich alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der A-GmbH. Die A-GmbH hatte nur einen Gesellschafter, die A-KG. Die A-KG hatte den alleinigen Geschäftszweck, Beteiligungen an anderen Firmen zu halten.
Ursprünglich handelte es sich bei der Klägerin um eine KG mit ausschließlich natürlichen Personen als Gesellschafter. Aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 19. Februar 1980 trat an die Stelle der bisherigen Komplementäre die neugegründete A-GmbH, die zur alleinigen Vertretung und Geschäftsführung der Klägerin berechtigt und verpflichtet wurde. Die ehemaligen Komplementäre B, C und D wurden zunächst Kommanditisten. Am 8. Oktober 1980 wurde von den sechs damaligen Kommanditisten der Klägerin die A-KG mit dem Willen errichtet, daß an die Stelle der bisherigen Kommanditisten die A-KG als einzige Kommanditistin treten sollte. In dem Gesellschaftsvertrag vom 8. Oktober 1980 über die Gründung der A-KG heißt es u. a. (§ 3 Abs. 2 des Vertrages):
,,Die Gesellschafter erbringen ihre Einlagen dadurch, daß sie ihre Kommandit-Beteiligungen an der Kommanditgesellschaft in Firma W-GmbH & Co. und ihre Geschäftsanteile in der Firma A Verwaltungsgesellschaft mbH an die Gesellschaft abtreten."
Die Gewinn- und Verlustrechnungen der Klägerin enthielten u. a. Aufwendungen für Geschäftsführung in Höhe von 182 240,85 DM (1981) und 206 983,80 DM (1982). Es handelte sich um den Ersatz der Aufwendungen für die von der GmbH gezahlten Geschäftsführergehälter zuzüglich Nebenkosten. Unstreitig erhielten die Geschäftsführer der GmbH neben den Gehältern Tantiemen in Höhe von insgesamt 24 000 DM jährlich.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) führte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. In dem Prüfungsbericht vom 22. Oktober 1984 heißt es u. a.:
,,Tz. 12: Geschäftszweck der A-KG ist die Beteiligung an Unternehmen, insbesondere solchen des . . . geschäfts, sowie solchen, die mit letzterem in Verbindung stehen oder die es zu fördern geeignet sind. Die A-KG ist nur gegründet worden, um sich an anderen Firmen zu beteiligen. Da sie keinen eigenen Handelsbetrieb unterhält, ist sie keine Handelsgesellschaft. Die A-KG ist daher steuerlich als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu betrachten. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann nicht als Mitunternehmerin an gewerblichen Unternehmen beteiligt sein. Deshalb sind die Gesellschafter der A-KG als Mitunternehmer der Firma W-GmbH & Co. - der Klägerin - anzusehen, und es sind die notwendigen steuerrechtlichen Folgerungen zu ziehen. . . . Im Einvernehmen mit der Firma erfolgt die bilanzielle Darstellung der Prüfungsfeststellungen nach Eintritt der A-KG in der Weise, daß die die steuerlichen Verhältnisse der Kommanditisten betreffenden Feststellungen über das Verrechnungskonto der A-KG abgewickelt werden.
. . .
Tz. 25 d (Geschäftsführervergütung): Aufgrund der in Tz. 12 gewürdigten gesellschaftsrechtlichen Sachverhalte sind die in 1981 und 1982 den Gesellschafter-Geschäftsführern vergüteten Beträge gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 zunächst als Vorweggewinn der Komplementär-GmbH in Höhe der von der Firma geleisteten Aufwendungen für Geschäftsführung und dann in Höhe der von der Komplementär GmbH erfaßten Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben der Komplementärin und Vorweggewinn der Gesellschafter der Kommanditistin zu berücksichtigen. Die Hinzurechnungsbeträge betragen nach Bp für die A-KG in 1981 206 240,85 DM (182 240,85 DM plus 24 000 DM) und für 1982 230 983,80 DM (206 983,80 DM plus 24 000 DM)."
In den daraufhin ergangenen Gewerbesteuermeßbescheiden vom 19. August 1985 ging das FA von einem Gewerbeertrag von . . . DM (1981) und von . . . DM (1982) aus. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 21. November 1986). Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Nach dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Februar 1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691) ist § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Tätigkeitsvergütungen, die ein Gesellschafter der Obergesellschaft (hier: der A-KG) für eine Tätigkeit bei der Untergesellschaft (hier: der Klägerin) erhält, nicht anwendbar. Dies gilt auch für den hier einschlägigen Fall, daß Gesellschafter der Obergesellschaft (Obergesellschafter) einer GmbH & Co. KG als Untergesellschaft die Geschäfte der zur Geschäftsführung verpflichteten GmbH führen.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Obergesellschaft Kommanditgesellschaft oder im Falle einer sog. Schein-KG Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist. Nach dem zitierten Beschluß (unter C IV.) sind Personenhandelsgesellschaften und mitunternehmerisch tätige Gesellschaften bürgerlichen Rechts gleich zu behandeln.
2. Allerdings kann die Zwischenschaltung der Obergesellschaft als unangemessene Rechtsgestaltung i. S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) zu beurteilen sein (vgl. wiederum den zitierten Beschluß unter C III. 5). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Obergesellschaft nicht über einen eigenen Geschäftsbetrieb mit einer hinreichenden Anzahl von Geschäftsvorfällen verfügt und für die Zwischenschaltung der Obergesellschaft keine - über die Vermeidung der Zurechnung nach § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 Halbsatz 2 EStG hinausgehenden - wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe ersichtlich sind.
Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, läßt sich anhand der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen, nach der es auf die jetzt notwendigen Feststellungen nicht ankam.
Bei seiner erneuten Entscheidung hat das FG zu prüfen, ob die A-KG einen eigenen Geschäftsbetrieb mit eigenständiger erwerbswirtschaftlicher Funktion unterhielt, der sich in gegenständlicher und organisatorischer Hinsicht von dem der Klägerin unterschied und ein gewisses Mindestmaß an geschäftlichen Aktivitäten umfaßte und ob beachtliche Gründe wirtschaftlicher oder sonstiger Art vorlagen, die die Zwischenschaltung der A-KG rechtfertigten.
Bei dieser Prüfung wird das FG auch zu berücksichtigen haben, ob die A-KG wirksam an die Stelle der früheren Gesellschafter getreten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 418339 |
BFH/NV 1992, 651 |