Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht, Abgabenordnung Verbrauchsteuern
Leitsatz (amtlich)
Der Senat tritt dem Urteil des Reichsfinanzhofs IV A 107/35 S vom 5. November 1935 (Slg. Bd. 38 S. 315) bei, daß zu den Steuervergünstigungen, auf deren Gewährung oder Belassung ein Rechtsanspruch besteht, Abgabenbefreiung und Abgabenermäßigungen nicht gehören, die durch das Gesetz selbst ausgesprochen sind.
Die außerhalb eines Steuerfestsetzungsverfahrens ergehende Mitteilung eines Hauptzollamts an einen Hausbrauer, daß er die Steuervergünstigung für Hausbrauer wegen Vorliegens der im § 3 Abs. 1 Satz 5 BierStG festgelegten Voraussetzungen verloren habe, ist kein im Rechtsmittelverfahren anfechtbarer Verwaltungsakt.
Normenkette
AO §§ 91, 235/5, § 229/6, §§ 237, 230; BierStG § 3 Abs. 1; BierStDB § 7
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist folgendes an den Beschwerdeführer (Bf.) gerichtetes Schreiben des Hauptzollamts vom 14. Dezember 1954 betreffend Entzug der Steuervergünstigung als Hausbrauer:
"Auf Grund getroffener Feststellungen haben Sie im Jahre 1952 steuerbegünstigt hergestelltes Hausbrauerbier auf Ihr zustehendes Kontingent anrechnen lassen, obwohl Sie wußten, daß A in ... die Herstellung dieses Bieres veranlaßt und es auch gegen Entrichtung der Steuer in Empfang genommen hat. In der Vernehmungsniederschrift vom 23. Januar 1953 haben Sie zugegeben, daß Sie dies deshalb geduldet haben, weil Ihnen A bei den landwirtschaftlichen Arbeiten im Sommer hilft. Darin ist eine Abgabe gegen Entgelt zu erblicken. Sie haben daher die Steuervergünstigung auf Dauer verloren. Ab 1. Januar 1955 ist Ihnen daher die Teilnahme an der Herstellung steuervergünstigt hergestellten Bieres untersagt.
Gegen diesen Bescheid steht Ihnen das Rechtsmittel der Anfechtung zu ..."
Das gegen dieses Schreiben des Hauptzollamts eingelegte Rechtsmittel des Bf. behandelte die Vorinstanz als Beschwerde und wies diese mit Beschwerdeentscheidung vom 21. März 1955 als unbegründet zurück. Entsprechend der Rechtsmittelbelehrung legte der Bf. Berufung an das Finanzgericht ein; unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V z 134/55 S vom 15. März 1956 gab das Finanzgericht den Rechtsstreit an den Bundesfinanzhof ab. In seiner Berufung bestreitet der Bf., Bier gegen Entgelt an A abgegeben zu haben.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist zulässig und auch begründet.
Mit Recht hat die Vorinstanz das Rechtsmittel des Bf. gegen das Schreiben des Hauptzollamts vom 14. Dezember 1954 als Beschwerde nach §§ 237, 303 der Reichsabgabenordnung (AO) behandelt. Die Anfechtung nach § 235 Ziff. 5 Teilsatz 3 AO ist nur gegeben gegen Bescheide über sonstige Steuervergünstigungen, auf deren Gewährung oder Belastung ein Rechtsanspruch besteht. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs IV A 107/35 S vom 5. November 1935 (Slg. Bd. 38 S. 315), dem der erkennende Senat beitritt, gehören zu den Steuervergünstigungen dieser Art nur solche Abgabenbefreiungen - das gleiche gilt auch für Abgabenermäßigungen -, die zu ihrem Wirksamwerden einer besonderen Entschließung der Behörde bedürfen, nicht aber solche, die durch das Gesetz selbst ausgesprochen sind (siehe auch Hübschmann-Hepp-Spitaler, AO, § 235 Anm. 5, Kühn, AO, 4. Aufl. § 235 Anm. 3 c). Das letztere trifft auch bei der Steuerermäßigung für Hausbrauer nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Biersteuergesetzes (BierStG) zu. Die Steuerermäßigung greift nach diesen Vorschriften ohne weitere behördliche Genehmigung Platz, wenn der Hausbrauer die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt. Demgemäß bestimmt auch § 7 der Durchführungsbestimmungen zum Biersteuergesetz (BierStDB), daß der Hausbrauer, der den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen will, lediglich eine Anmeldung hierüber nach vorgeschriebenem Muster abzugeben hat. In gleicher Weise bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 5 BierStG, daß die Vergünstigung mit dem Ablauf des Rechnungsjahres erlischt, mithin die Steuerermäßigung für die Dauer wegfällt, wenn der Hausbrauer das Bier, für das er die Steuervergünstigung in Anspruch genommen hat, an nicht zum Haushalt gehörige Personen gegen Entgelt abgibt. Auch in diesem Falle bedarf es keines besonderen Entzuges durch die Behörde. Eine Anfechtung ist erst gegen den Steuerbescheid gegeben, in dem der ermäßigte Steuersatz nicht angewendet wird.
Gegen die hiernach zu Recht erlassene Beschwerdeentscheidung der Vorinstanz steht dem Bf. nach dem Gutachten des Großen Senats des Bundesfinanzhofs Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951 (Slg. Bd. 55 S. 277, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 107) der erweiterte Rechtsweg vor den Steuergerichten (Finanzgericht und Bundesfinanzhof) auf Grund Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) offen. Im Streitfall ist jedoch nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs V z 134/55 S vom 15. März 1956 (Slg. Bd. 62 S. 423, BStBl 1956 III S. 157, Bundeszollblatt - BZBl - 1956 S. 414) der Bundesfinanzhof als einzige Tatsachen- und Rechtsinstanz zur tatsächlichen und rechtlichen Nachprüfung berufen.
Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Oberfinanzdirektion entgegen ihrer Ansicht in der Beschwerdeentscheidung geltend gemacht, daß auch eine Beschwerde gegen die Mitteilung des Hauptzollamts nicht zulässig gewesen sei, da es sich bei dieser Mitteilung nicht um eine Verfügung im Sinne des § 91 AO gehandelt habe. Das Hauptzollamt habe vielmehr dem Hausbrauer nur das infolge seiner Handlungsweise unmittelbar aus dem Gesetz folgende Ergebnis kundgetan. Eine solche Mitteilung sei nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs nicht mit den ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbar. Der Oberfinanzdirektion wird zugestimmt, daß eine formlose, auf Anfrage oder von Amts wegen ergehende Mitteilung des Hauptzollamts an einen Hausbrauer, er habe wegen überschreitung der zulässigen Höchstmengen oder wegen entgeltlicher Abgabe von steuerermäßigtem Hausbrauerbier an nicht zum Haushalt gehörigen Personen die Steuervergünstigung für die Zukunft verloren, sich nicht als Verfügung im Sinne des § 91 AO darstellt. Eine solche Mitteilung hat den Charakter einer bloßen Auskunft oder eines Hinweises, zu deren Erteilung das Hauptzollamt nach dem Gesetz nicht verpflichtet ist und die es jederzeit wieder zurücknehmen kann. Zudem hätte sie - mag sie auch für den Hausbrauer eine gewisse praktische Bedeutung haben - keinen Einfluß auf die Rechtslage und würde, da sie außerhalb eines Steuerfestsetzungsverfahrens ergangen ist und kein nach der Abgabenordnung mit den ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbarer Feststellungsbescheid ist, die Rechtsmittelbehörden in einem späteren Verfahren, in dem sich der Hausbrauer gegen die Anforderung der regelmäßigen Biersteuer wendet, nicht binden. Da der Hausbrauer berechtigt ist, gegen den Steuerbescheid, in dem die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Hausbrauer abgelehnt wird, die ordentlichen Rechtsmittel einzulegen, ist auch sein Rechtsschutz ausreichend gesichert. Eine Mitteilung der vorstehend geschilderten Art kann daher im steuergerichtlichen Verfahren nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht angegriffen werden. Gegen sie ist nur die Gegenvorstellung im Sinne von § 46 Abs. 2 AO gegeben, über die im Aufsichtsweg zu befinden ist (vgl. auch das bereits angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs IV A 107/35 S vom 5. November 1935 und Urteil des Bundesfinanzhofs I 168/55 U vom 9. Oktober 1956, Slg. Bd. 63 S. 404, BStBl 1956 III S. 352).
Der Senat ist jedoch der Ansicht, daß das Schreiben des Hauptzollamts vom 14. Dezember 1954 nach Form und Inhalt über einen bloßen Hinweis der geschilderten Art hinausgeht und sich als eine mit der Beschwerde anfechtbare Verfügung im Sinne des § 91 darstellt. ...
Fundstellen
Haufe-Index 408751 |
BStBl III 1957, 231 |
BFHE 1957, 617 |
BFHE 64, 617 |