Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Wenn das Finanzgericht die Steuersachen von zwei Steuerpflichtigen zu gemeinsamer Entscheidung verbunden hat, so ist für die Frage der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde von der Zusammenrechnung der von beiden Steuerpflichtigen geforderten Einzelbeträge auch insoweit auszugehen, als der Einzelbetrag bei dem einen Steuerpflichtigen die Streitwertgrenze von 200 DM nicht überschreitet.
Normenkette
AO § 286 Abs. 1; FGO § 115/1
Gründe
Die Rbn. sind zulässig. Für die Rb. des Bf. zu 1. ergibt sich das ohne weiteres daraus, daß er mit seinem Rechtsmittel die vom Finanzgericht bestätigte Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu seinen Lasten von 1.250 DM auf 1.750 DM, also um 500 DM bekämpft. Aber auch die Rb. des Bf. zu 2. muß als zulässig erachtet werden. Dieser wendet sich allerdings in dem anhängigen Verfahren nur dagegen, daß in dem durch das Berufungsurteil bestätigten, gegen ihn gerichteten Berichtigungsbescheid die auf ihn entfallende Grunderwerbsteuer von 500 DM auf 700 DM, somit um (genau) 200 DM erhöht wurde. Nach § 286 Abs. 1 AO in der im Streitfall maßgebenden Fassung des § 6 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 (BGBl 1950 S. 257) ist eine Rb. - von einer im Streitfall nicht geschehenen Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung abgesehen - nur zulässig, wenn der Wert des Streitgegenstandes höher als 200 DM ist. Im Streitfall hat jedoch das Finanzgericht die Berufungen der beiden Bf. (zu 1. und 2.) wegen der Gleichheit der Sach- und Rechtslage miteinander verbunden, zumal beide durch einen notariell beurkundeten Vertrag ein Grundstück, und zwar der Bf. zu 1. einen ideellen Anteil von 5/7, der Bf. zu 2. einen solchen von 2/7 des Grundstücks erworben hatten. Ob das Finanzgericht eine Zusammenfassung mehrerer Streitsachen in einer Berufungsentscheidung vornehmen will, ist grundsätzlich seinem Ermessen vorbehalten; die Verbindung ist - ebenso wie eine Trennung von Streitsachen - in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu beachten, es sei denn, daß die Verbindung (Trennung) ohne sachlichen Grund vorgenommen ist (vgl. dazu unter anderem das Urteil des erkennenden Senats II 186/55 S vom 6. Februar 1957 zu b, BStBl 1957 III S. 118, Slg. Bd. 64 S. 312). Im Streitfall stellt die Verbindung nicht nur keine Ermessensverletzung dar, sie war vielmehr aus Gründen der Prozeßökonomie sogar geboten.
Für die Frage der Rechtsbeschwerdefähigkeit mehrerer (zum Teil) unter der Beschwerdegrenze liegender Steuerforderungen ist entscheidend, ob das Finanzgericht die Steuerfälle zusammenfaßt oder nicht (vgl. z. B. die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs IV 152-154/38 vom 25. Mai 1938, RStBl 1938 S. 601, und VI 631-634/38 vom 5. Oktober 1938, RStBl 1938 S. 961, für Steuerforderungen gegen denselben Steuerpflichtigen). Wenn mehrere Steuerforderungen gegen denselben Steuerpflichtigen zu gemeinsamer Entscheidung vereinigt werden, so sind die Werte der Streitgegenstände zusammenzurechnen (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 107, 108/21 vom 4. Oktober 1921, Slg. Bd. 7 S. 68). Andererseits hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil V A 66 und 105/21 vom 18. Oktober 1921 (Slg. Bd. 7 S. 62) ausgesprochen, daß bei Verbindung von Rbn. verschiedener Steuerpflichtiger zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung der Wert des Streitgegenstandes für jede Sache selbständig festzusetzen ist; das Urteil betraf jedoch einen Fall, in dem die Verbindung der Sachen erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgenommen war. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs II A 31/22 vom 10. Februar 1922 (Slg. Bd. 8 S. 166) ist dagegen bei Verbindung von Streitsachen mehrerer Beteiligter zu gemeinsamer Entscheidung der Streitwert jedenfalls dann einheitlich durch Zusammenrechnung der Einzelbeträge festzustellen, wenn die Verbindung nicht erst in der (betreffenden) Instanz beschlossen wurde. Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. Da bereits das Finanzgericht die Verbindung der beiden Rechtsmittel vorgenommen hatte, ist der erkennende Senat entsprechend dem angeführten Urteil des Reichsfinanzhofs II A 31/22 vom 10. Februar 1922 der Auffassung, daß für beide Rbn. von einem Streitwert von (500 DM + 200 DM =) 700 DM auszugehen ist; daher ist auch die Rb. des Bf. zu 2. als zulässig anzusehen (vgl. dazu auch List, Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe A 1957 S. 290 ff., 291 unter b).
Fundstellen
Haufe-Index 410435 |
BStBl III 1962, 320 |
BFHE 1963, 143 |
BFHE 75, 143 |