Leitsatz (amtlich)
Eine steuerlich schädliche Bearbeitung durch Bildung einer Sacheinheit liegt nicht vor, wenn einzelne Sachen, aus denen durch körperliche Verbindung ein neues Verkehrsgut entsteht, lose zusammengestellt und verpackt werden; die zusammengestellten Einzelsachen bilden eine Sachgesamtheit.
Normenkette
UStG § 7 Abs. 3; UStDB § 12
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob für die Lieferung eines aus erworbenen Einzelteilen zusammengestellten, aber noch nicht montierten Grillgeräts die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG in Anspruch genommen werden kann.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Stpfl.) betreibt Groß- und Einzelhandel mit Haus- und Küchengeräten. Sie verkauft u. a. eine Grillpfanne für den Haushaltsgebrauch. In einem Werbeprospekt bezeichnet sie sich als deren Herstellerin. Die Stpfl. bezieht die zu dem Gerät gehörenden Einzelteile, eine Gußstahlpfanne, einen stielartigen Handgriff aus Kunststoff sowie Verschraubungs- und Isolierteile von verschiedenen Herstellern. Diese Teile werden von ihr in voneinander getrennten Papier- und Pappumhüllungen zusammengepackt und in einem Versandkarton geliefert. In einem solchen Versandkarton befinden sich außerdem eine Backhaube, ein Pfannenauskratzer und ein Rezeptbuch. In einer fünf Punkte umfassenden Gebrauchsanweisung wird dem Abnehmer erklärt, wie das aus Transportgründen zerlegte, aber als Ganzes in Rechnung gestellte Gerät gebrauchsfähig gemacht wird.
Das FA sah in dem Zusammenstellen und dem Verpacken der einzelnen Bestandteile des Grillgeräts die Bildung einer Sache (Sacheinheit), die als Bearbeitung im Sinne des § 12 UStDB die Großhandelsbegünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG ausschließe. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das FG hielt auf Grund der Verkehrsauffassung die im Karton verpackten Teile des Grillgeräts für eine einzige Sache im Sinne des bürgerlichen Rechts, weil auch eine lose Verbindung die Bestandsteileigenschaft nicht ausschließe, sofern die bestimmungsgemäße Benutzung der ganzen Sache erst durch die Verbindung ermöglicht werde.
Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO), rügt die Stpfl. unrichtige Rechtsanwendung mit der Begründung, das FG habe die Begriffsmerkmale der Sachgesamtheit fälschlicherweise auf die Sacheinheit angewendet. Die Stpfl. meint, es komme nach bürgerlichem Recht für die Frage der Sacheinheit nicht nur -- was das FG verkannt habe -- auf die Entstehung eines neuen Verkehrsguts an. Einheitliches Verkehrsgut sei auch eine Sachgesamtheit. Entscheidend müsse vielmehr sein, ob Einzelgegenstände durch ihre körperliche Verbindung ihre Selbständigkeit verloren haben und infolgedessen nach der Verkehrsauffassung eine einheitliche Sache bilden.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Senat kann sich der vom FG und FA vertretenen Ansicht nicht anschließen. Auch wenn -- wie das FG feststellt -- jeder Gegenstand für seinen bestimmten Zweck entworfen und entsprechend gestaltet ist, liegt in der Zusammenstellung und gemeinsamen Verpackung sowie dem Verkauf unter einer einheitlichen Bezeichnung noch keine Bearbeitung im Sinne des § 12 Abs. 1 UStDB. Das FG geht zwar zu Recht davon aus, daß eine Bearbeitung erst dann anzunehmen sei, wenn die erworbenen Gegenstände zu einer Sacheinheit verbunden werden, und die Frage, wann eine Sacheinheit entstehe, nach bürgerlichem Recht beurteilt werden muß (vgl. auch das Urteil des BFH V 162/62 U vom 17. Dezember 1964, BFH 81, 367, BStBl III 1965, 131). Es verkennt aber den Begriff "Verbindung", wenn es die im Streitfall getroffenen Maßnahmen, die Auswahl und bloße räumliche Annäherung der Teile, hierfür als ausreichend erachtet. Nach bürgerlichem Recht (vgl. § 947 Abs. 1 BGB) kann eine Sacheinheit nicht angenommen werden, solange es an der erstmaligen körperlichen Verbindung der erworbenen Gegenstände fehlt. Anders könnte zu entscheiden sein, wenn die Einzelteile miteinander verbunden und dann aus Transportgründen wieder zerlegt werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.
Unter einer Sacheinheit, d. h. einer Sache im Sinne des § 90 BGB, ist ein für sich allein bestehender, im Verkehrsleben besonders bezeichneter und bewerteter Gegenstand zu verstehen. Es wird unterschieden zwischen einheitlichen Sachen und zwischen Sachen, die aus verschiedenen, bisher rechtlich selbständigen Teilen zusammengesetzt sind. Zu diesen gehört das aus verschiedenen Einzelteilen bestehende Grillgerät. Der Begriff der Sache wird im allgemeinen durch die "Kohärenz" bestimmt (Enneccerus, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Allgemeiner Teil, 15. Auflage 1959, § 121 II 3 a und § 125 I 1; Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 1959, § 93 BGB Anmerkung 14; Staudinger, 11. Auflage, Vorbemerkung zum 11. Abschnitt "Sachen", III, 1; Soergel-Siebert, § 93 BGB Anmerkung 1; RGZ V 528/05 vom 19. April 1906, Amtliche Sammlung 63, 171). Für die Annahme einer einheitlichen Sache reicht eine lose körperliche Verbindung aus, die bereits durch die Schwerkraft (z. B. Kaffeekanne und Deckel) oder durch Einpassen verschiedener Gegenstände (z. B. Zirkelkasten) bewirkt werden kann. Selbst an einer solchen losen Verbindung fehlt es aber im vorliegenden Falle, denn die Stpfl. hat die Einzelteile in voneinander getrennte Umhüllungen verpackt und nicht passende Teile ineinander gefügt. Ohne körperliche Verbindung erkennt das bürgerliche Recht eine Sacheinheit nur an, "wenn die einzelnen Stücke als einzelne ohne Wert sind und nur in ihrer Zusammenfassung für den Verkehr in Betracht kommen" (vgl. Enneccerus, a. a. O., § 121 II 3 a; Beispiele: Getreidehaufen, Kartenspiel und Bienenschwarm). Danach sind bürgerlich-rechtlich eine aus einem überregionalen und einem lokalen Teil bestehende Zeitung (siehe BFH-Urteil V 158/59 U vom 12. April 1962, BFH 74, 708, BStBl III 1962, 261) und der aus mehreren bedruckten Blättern zusammengestellte Informationsdienst (BFH-Urteil V 264/61 vom 17. September 1964, Steuerrechtsprechung in Karteiform, UStG, § 7 Abs. 3 Rechtsspruch 141) als einheitliche Sachen anzusehen. In beiden Fällen fehlt es zwar an einer körperlichen Verbindung der Blätter. Zeitschriften und Informationsdienste kommen aber nur zusammengefaßt in den Verkehr; die einzelnen bedruckten Blätter werden nicht gehandelt und haben keinen Wert. Den Einzelteilen eines Grillgeräts ist dagegen, auch wenn der Verbraucher sie einzeln nicht verwenden kann, ein Wert als Handelsobjekt nicht abzusprechen. Außerdem läßt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Einzelteile nachbestellt werden (z. B. ein Ersatzstück für einen unbrauchbar gewordenen Pfannenstiel). Die Einzelteile eines Grillgeräts bleiben deshalb rechtlich selbständige Sachen, bis sie körperlich miteinander verbunden (verschraubt) werden. Die Summe der noch nicht verbundenen Einzelteile kann auch nicht auf Grund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise dem fertigen Gegenstand gleichgesetzt werden. Auch der Wille der Beteiligten bei der Prospektgestaltung, Bestellung, Inrechnungstellung und Zahlung, kann aus Einzelsachen keine Gesamtsache machen. Solange ein Unternehmer die einzelnen, zusammengehörigen Teile nur zusammenstellt und sie unter einheitlicher Bezeichnung in den Verkehr bringt, schafft er damit eine Sachgesamtheit. Dieser Vorgang gilt seit der 8. Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 (BGBl I 1957, 6; BStBl I 1957, 131) nicht mehr als Bearbeitung im Sinne des § 12 UStDB.
Das FG wird zu prüfen haben, ob die anderen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Großhandelsbegünstigung erfüllt sind, z. B. ob der Buchnachweis erbracht ist. Außerdem wird ihm die Kostenentscheidung (§ 143 Abs. 2 FGO) übertragen.
Fundstellen
BStBl III 1967, 581 |
BFHE 1967, 162 |