Leitsatz (amtlich)
Zu der Frage der Gesellschaftsteuerpflicht bei Gesellschafterdarlehen.
Normenkette
KapVStG § 3
Tatbestand
Der Beschwerdeführerin (Bfin.), einer GmbH mit einem Stammkapital von 800 000 DM, die Großhandel in der Textilbranche betreibt, hatte eine Geschäftsbank einen Kredit gegen selbstschuldnerische Bürgschaft eines Gesellschafters gewährt. Der Kredit bestand zunächst (28. Februar 1949) aus einem Barkredit von 200 000 DM und einem Überziehungskredit von 100 000 DM. Beide Kredite waren bis zum 31. Mai 1949 eingeräumt und wurden bis zum 30. September 1949 verlängert. Am 18. September 1949 wurde der Kredit auf 400 000 DM erhöht. Er bestand aus einem Barkredit von 150 000 DM und einem Trattenkredit von 250 000 DM. Diese Kredite waren bis zum 31. Dezember 1949 befristet. Ein Bar- und ein Trattenkredit wurden der Bfin. auf späterhin belassen. Die monatlichen Kreditsalden bewegten sich in der Zeit vom 1. Juli 1949 bis zum 30. September 1950 zwischen 348 000 DM und 484 000 DM.
Die Bfin. wurde in Höhe des Kredits von 100 000 DM nach § 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) zur Gesellschaftsteuer herangezogen. Sie wandte sich hiergegen und beantragte Freistellung von der Steuer, da es sich nur um einen gewöhnlichen Bankkredit handele.
Die Vorinstanz bejahte die Steuerpflicht und führte hierzu aus, ein Bankkredit sei zwar regelmäßig nicht als beteiligungsähnliches Darlehen im Sinne des § 3 KapVStG anzusehen; selbst die dauernde Inanspruchnahme eines Kredits sei kein Beweis dafür, daß es sich um eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung handele. In dem Streitfall sprächen jedoch die Merkmale für ein beteiligungsähnliches Darlehen. Die Gelder seien nach Auskunft der Geschäftsbank zwar als kurzfristiger revolvierender Kredit zum Wareneinkauf zur Verfügung gestellt worden, sie seien aber stets verlängert und bis Mitte 1951 in der Hauptsache noch nicht abgedeckt worden. Es handele sich demnach -- wirtschaftlich gesehen --um Dauerkredite. Sie ersetzten auch die gebotene Kapitalerhöhung. Hierfür spreche, daß der Umsatz der Bfin. nach der Kreditgewährung auf das Doppelte gestiegen sei und daß die Kredite die Höhe des Stammkapitals zur Hälfte erreichten; hierbei falle ins Gewicht, daß das Stammkapital das Anlagevermögen nur zur Hälfte decke. Der Zinsfuß (4 1/2 bis 5 1/2 %) sei niedrig gehalten. Dieses deute darauf hin, daß es der Gläubigerin darauf angekommen sei, mit der Bfin. ins Geschäft zu kommen und im Geschäft zu bleiben. Hieraus ergebe sich von selbst eine Einwirkung auf die Geschäftsführung und weiterhin die Möglichkeit, sich gesellschaftliche Vorteile zu verschaffen. Das Gesamtbild runde ab, daß die Bfin. in Ermangelung flüssiger Mittel um Stundung ihrer Soforthilfeabgabe gebeten habe. Die mangelnde Zahlungsfähigkeit könne allerdings damit zusammenhängen, daß die Bfin. bei der Regulierung der Außenstände entgegenkommend gewesen sei. Hieraus könne aber noch nicht gefolgert werden, daß auch der fragliche Bankkredit hierfür die Möglichkeit gegeben und daß er insoweit selbst nur die Eigenschaft eines reinen Kredites habe. Nicht entscheidend könne schließlich sein, daß es sich um einen Kredit für ein kriegsbeschädigtes Unternehmen gehandelt habe. Die Heranziehung eines Betrages von nur 100 000 DM zur Gesellschaftsteuer sei nicht zu beanstanden.
Die Bfin. wendet sich in der Rechtsbeschwerde (Rb.), der sich der Vorsteher des Finanzamts angeschlossen hat, gegen diese Auffassung. Sie wiederholt, daß es sich um einen kurzfristigen Bankkredit handele, der noch dazu in zwei verschiedene Kreditarten unterteilt war. Die Bfin. habe jederzeit mit Kürzung und Kündigung rechnen müssen. Aus der mehrfachen Verlängerung der Laufzeiten, auf die kein Anspruch bestanden habe, könne nicht auf einen Dauerkredit geschlossen werden. Die Gläubigerin hätte zudem darauf geachtet, daß der Kredit seinen kurzfristigen Charakter behalte. Der Kredit sei nach Auskunft der Bank zwar zur Durchführung von Wareneinkäufen gegeben worden. Tatsächlich habe es sich aber um eine Kreditgewährung zur Bevorschussung von Außenständen gehandelt. Eine Umsatzsteigerung sei 1950 in der Textilbranche allgemein erfolgt. Die Kosten für den Kredit entsprächen dem Normalsatz. Auch das Stammkapital gehe über das Anlagevermögen hinaus. Ein Mangel an flüssigen Mitteln zwinge schließlich nicht zu der Auffassung, daß es sich um einen Kapitalersatz handele; das Ansuchen um Kredit sei für diesen Fall das Gegebene. Die Bfin. beantragt, ein Gutachten der Kreditanstalt für Wiederaufbau herbeizuziehen. Schließlich bemängelt sie noch die Höhe des angenommenen tatsächlichen Durchschnittskredits von 400 000 DM. Es handele sich nur um einen Durchschnittsbetrag von etwa 270 000 DM.
Der Vorsteher des Finanzamts beantragt in der Anschlußbeschwerde die Versteuerung nach einem Betrage von 300 000 DM oder die Zurückverweisung des Streitfalles an die Vorinstanz. Er weist darauf hin, daß es für die Beurteilung auf die tatsächliche Dauer der Inanspruchnahme der Kredite ankomme, und daß das nur um 100 000 DM erhöhte Eigenkapital nicht genüge, da das Anlagevermögen dem Stammkapital gleichkomme und dem Umlaufvermögen nur ein geringer Gewinnposten als Eigenkapital gegenüberstehe.
Entscheidungsgründe
Der Rb. konnte ein Erfolg nicht versagt werden.
Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, daß ein Bankkredit nur unter besonderen Voraussetzungen als beteiligungsähnliches Darlehen gelten kann. Gilt dieser Grundsatz schon bei einem normalen Wirtschaftsablauf, so kommt ihm eine erhöhte Bedeutung zu in Zeiten nach Durchführung einer Währungsreform, bei einem vorhandenen Warenhunger (Nachholbedarf) und in Jahren mit mannigfachen Konjunkturschwankungen. Diese Verhältnisse und die geldpolitischen Maßnahmen, die in dieser Zeit durchgeführt wurden, können bei der Würdigung des einzelnen Falles nicht außer Betracht bleiben. Die Inanspruchnahme der Bank begann, soweit ersichtlich, Anfang 1949, in einer Zeit, als die Drosselung der Kreditgewährung noch galt, die im Herbst 1948 vom Zentralrat verfügt und erst im Frühjahr 1949 aufgehoben wurde. Durch diese Lockerung sollte jedoch eine neue starke Kreditexpansion nicht gefördert werden; vielmehr erwartete der Zentralbankrat, daß sich die Geldinstitute, zu denen auch die Gläubigerin gehörte, bei der Gewährung kurzfristiger Kredite zurückhielten. Hierbei bedarf noch der Hervorhebung, daß bei der seinerzeit bestehenden Knappheit an langfristigen Krediten selbst mittel- und langfristige Kreditwünsche auf kurzfristige abgedrängt wurden, so daß auch langfristiger Kreditbedarf regelmäßig nur in dieser Weise befriedigt werden konnte. Die Auffassung der Vorinstanz, daß es sich im Streitfall um die Befriedigung langfristigen Kreditbedarfs handelte, könnte demnach in dieser Entwicklung an sich eine Stütze finden. Kurzfristige Kredite können aber von dem Kreditnehmer schwerlich langfristig eingesetzt werden, da er bei einem Zurückruf (Nichtverlängerung) das Risiko läuft, illiquid oder zu (verlustreichen) Notverkäufen gezwungen zu werden. Der Nehmer eines kurzfristigen Kredits ist nicht in der Lage, auf längere Zeit hinaus disponieren zu können. Eine dem Eigenkapital ähnliche Funktion (§ 3 KapVStG) kann aber einem solchen Kredit nur zukommen, wenn er
a) für längere Zeit fest gegeben wird oder
b) der Kreditnehmer mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Belassung für längere Zeit rechnen kann.
Diese letzte Voraussetzung wird insbesondere dann Platz greifen, wenn über eine Geschäftsverbindung hinaus besondere Interessen des Kreditgebers an dem Unternehmen des Kreditnehmers bestehen. Dieses ist im Zweifel bei dem Kredit einer Geschäftsbank nicht anzunehmen. Keine dieser Voraussetzungen ist bei den Krediten, soweit sie bis Ende 1949 liefen, gegeben. Sie waren nur kurzfristig. Eine Bindung der Bank zur Verlängerung der Kredite ergeben die Vorgänge nicht. Das Merkmal der Kurzfristigkeit verlieren sie auch nicht dadurch, daß sie tatsächlich jeweils verlängert wurden. Für die Voraussetzung zu b) können auch die Ausführungen der Vorinstanz nicht herangezogen werden, die in der Kredithingabe der Geschäftsbank das Bestreben sehen, eine Einwirkung auf die Geschäftsführung zu erlangen und darüber hinaus die Möglichkeit, sich gesellschaftliche Vorteile zu verschaffen. Über die näheren Bedingungen der Kredithingabe oder -belassung für die Zeit nach 1949 fehlen nähere Feststellungen. Umstände, die auf eine dem Eigenkapital ähnliche Funktion der Kredite schließen lassen, sind nicht dargetan.
Das Urteil unterlag hiernach der Aufhebung. Der Steuerstreit ist nicht spruchreif. Die weiteren Ermittlungen werden insbesondere klären müssen, ob einer der vorstehenden Voraussetzungen zu a) oder b) genügt ist. Hierfür werden insbesondere die Kreditunterlagen heranzuziehen sein. Bejaht die Prüfung das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen, ist weiterhin zu erörtern, ob es sich um eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung handelte und in welcher Höhe eine solche erforderlich war. Die Ermittlungen werden sich daher auch darauf erstrecken müssen, ob die Kredite für den Wareneinkauf, oder, wie neuerdings behauptet wird, zur Bevorschussung von Außenständen gegeben waren. War der Zweck des Kredits eine Bevorschussung von Außenständen, würde er stärker die Funktion eines Betriebskredits haben. Weiterhin wird zu beachten sein, daß es der Zweck von Betriebskrediten ist, die Konjunktur auszunutzen, z. B. um die Umsätze zu erhöhen, und daß bei einem Vergleich der Höhe der Umsätze die Preisentwicklung nicht unbeachtet bleiben kann. Für die Bemessung der Höhe des Eigenkapitals kann dessen Höhe bei vergleichbaren Betrieben des gleichen Geschäftszweiges einen wesentlichen Anhalt geben. Demgegenüber hätten Folgerungen, die hierfür insbesondere aus dem Verhältnis des Stammkapitals (richtiger: Eigenkapitals) zur Kredithöhe gezogen werden, zurückzutreten. Aus der Unterteilung eines Kredits in Bar- oder Wechselkredit lassen sich regelmäßig beachtliche Schlüsse nicht ziehen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage bedarf es keiner Erörterung des Einwandes, der Durchschnittsbetrag des Kredits sei zu hoch festgesetzt worden. Als höchst möglicher Betrag kommt bei der erneuten Prüfung im Falle der Führung des Darlehns über Kontokorrentkonto bei wechselnd steigenden und fallenden Salden der Mindestsaldo in Frage, der als für längere Zeit kreditiert anzusehen ist, und bei dauernd steigenden Salden hingegen der Durchschnittsbetrag (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 175/28 vom 28. Juni 1928, Reichssteuerblatt 1928 S. 271).
Fundstellen
Haufe-Index 407440 |
BStBl III 1952, 195 |
BFHE 1953, 502 |