Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Verfahrensrevision bei fehlender Beteiligtenfähigkeit
Leitsatz (NV)
1. Mit der Behauptung des Fehlens der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wird ein Mangel i. S. § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO schlüssig gerügt.
2. Eine vollbeendete KG kann gegen eine ihr gegenüber ergangene Einspruchsentscheidung Klage erheben; allerdings ausschließlich mit dem Antrag, die Einspruchsentscheidung wegen formeller Fehlerhaftigkeit ersatzlos aufzuheben. Macht sie materiellrechtliche Klageansprüche geltend, so ist die Klage unzulässig.
3. Eine vollbeendete KG kann Revision einlegen, wenn das angefochtene FG-Urteil ihr gegenüber ergangen ist. Die Fiktion der Prozeßfähigkeit besteht bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits über die Prozeßfähigkeit fort (Anschluß an BFH-Urteil vom 3. Dezember 1971 III R 44/68, BFHE 105, 230, BStBl II 1972, 541, 543).
Normenkette
FGO §§ 40, 48
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) setzte mit Gewinnfeststellungsbescheid vom 16. Juni 1983 den Gewinn der ,,Fa. T GmbH & Co. KG" auf . . . DM fest. Der Bescheid war gerichtet an
,,1. Fa. M O GmbH, z. Hd. Herrn Steuerberater H B (Anschrift)
2. Herrn M O, als ehemaliger Gesellschafter".
Gegen diesen Bescheid wurde von dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dipl.-Kfm. H B ,,im Auftrag des Steuerpflichtigen" Einspruch eingelegt. Eine Vollmacht wurde nicht beigefügt. Auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens wurde nicht geprüft, in wessen Auftrag der Einspruch eingelegt worden war. Der Einspruch wurde durch Bescheid vom 9. September 1983 als unbegründet zurückgewiesen. Der Bescheid erging ,,in der Sache wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung der Einkünfte 1978 der Fa. T GmbH & Co. KG" . . . ,,vertreten durch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater H B". Er war an Herrn B adressiert. Hiergegen wurde am 13./14. Oktober 1983 ,,Klage der Fa. T GmbH & Co. KG, vertreten durch Dipl.-Kfm. H B" erhoben. Es wurde ,,im Auftrag der obigen Firma" beantragt, den Gewinn von . . . DM als steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn anzuerkennen. Die mit der Klagebegründung vom 29. Februar 1984 nachgereichte Vollmacht ist mit einer unerleserlichen Unterschrift versehen. Als Mandant wird in der Vollmachtsurkunde die ,,Fa. T GmbH & Co. KG" bezeichnet. Eine Erläuterung, wer die Unterzeichnerin / der Unterzeichner der Vollmacht ist, ist weder in der Vollmachtsurkunde selbst noch in der Klagebegründung noch in der Klageschrift enthalten.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 13. April 1988 mit materiell-rechtlicher Begründung ab. Das Urteil erging in dem Rechtsstreit ,,Firma T GmbH & Co. KG i. L., vertreten durch Herrn M O".
Laut Niederschrift, auf die im Urteil ausdrücklich verwiesen wird, waren in der mündlichen Verhandlung für die Klägerin der Steuerberater B in Begleitung des Patentanwalts . . . und ,,des Herrn O, damaliger Geschäftsführer der Klägerin", erschienen. Über die Frage der Klagebefugnis finden sich keine Aufzeichnungen in der Sitzungsniederschrift. Den Klageantrag stellte der ,,Vertreter der Klägerin".
In dem Urteil des FG wird nicht ausgeführt, wer die Gesellschafter der Klägerin waren. Es wird ,,zum Sachverhalt ergänzend auf die Steuerakten (Steuernr. . . .), das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 13. April 1988 und die Gerichtsakte verwiesen".
Gegen dieses Urteil haben Revision eingelegt:
,,1. die Firma M O GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, Herrn M O,
2. Herr M O - zu 1. und 2. als früherer Gesellschafter der Kommanditgesellschaft in Firma T GmbH & Co. KG -
3. die Kommanditgesellschaft in Liquidation in Firma T GmbH & Co. KG, vertreten durch die gesetzlichen Liquidatoren, die Firma M O GmbH und Herrn M O".
Die Revision wird auf § 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützt. Zur Begründung wird behauptet, der Klägerin habe die Beteiligtenfähigkeit gefehlt, weil sie bereits vor Klageerhebung zivilrechtlich voll beendet gewesen sei. Das Handelsgeschäft der KG sei mit Vertrag vom 28. September 1981 einschließlich der Firma vollständig an die von einem Dritten gegründete GmbH veräußert worden. Spätestens zum 1. Oktober 1981, dem Zeitpunkt der Übergabe des Unternehmens mit sämtlichen Nutzungen und Lasten, sei die Liquidation abgeschlossen worden. Laut Eintragung im Handelsregister vom 11. Januar 1982 sei die Gesellschaft aufgelöst und die Firma erloschen.
Es wird beantragt, das angefochtene FG-Urteil ersatzlos aufzuheben, hilfsweise, unter Aufhebung des FG-Urteils die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es bestreitet die Vollbeendigung der KG nicht. Es ist aber der Auffassung, daß, wenn wegen Vollbeendigung der Wegfall der Beteiligtenfähigkeit der KG eingetreten sein sollte, die Klage als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen. Es sei jedoch davon auszugehen, daß eine im Namen einer voll beendeten Gesellschaft erhobene Klage als solche der einzelnen Gesellschafter anzusehen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist als zulassungsfreie Verfahrensrevision statthaft. Denn mit der Behauptung des Fehlens der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wird ein Mangel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO schlüssig gerügt (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 116 Tz. 2 i. V. m. § 119 Tz. 17; Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Tz. 6; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Tz. 17 unter Hinweis auf Bundesgerichtshof in Neue Juristische Wochenschrift 1965, 2252).
Die Revision ist zulässig, auch soweit sie von der Klägerin in Liquidation erhoben wurde. Denn das angefochtene FG-Urteil ist ihr gegenüber ergangen. Die Fiktion der Prozeßfähigkeit besteht bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits über die Prozeßfähigkeit fort (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Dezember 1971 III R 44/68, BFHE 105, 230, BStBl II 1972, 541, 543).
Die Revision ist unbegründet mit der Maßgabe, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Das FG durfte über den Klageantrag nicht materiell-rechtlich entscheiden. Denn die als Klägerin auftretende T GmbH & Co. KG war zur Zeit der Klageerhebung bereits voll beendet und hatte mithin keine Klagebefugnis mehr. Dies folgt aus dem vom FA sachlich nicht bestrittenen übereinstimmenden Vorbringen der drei Revisionskläger und aus der Eintragung im Handelsregister vom 11. Januar 1982, deren Ablichtung sich bei den FG-Akten befindet. Die KG hat mit ihrer Vollbeendigung, die jedenfalls zur Zeit der Klageerhebung am 14. Oktober 1983 eingetreten war, die Fähigkeit verloren, Beteiligter eines Verfahrens vor dem FG zu sein. Ab dem Zeitpunkt der Vollbeendigung waren nur noch die früheren Gesellschafter der KG zur Klageerhebung befugt (vgl. u. a. Urteil des Senats vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326).
Zwar wäre die KG befugt gewesen, Klage zu erheben mit dem Antrag, die Einspruchsentscheidung - weil zu Unrecht ihr gegenüber ergangen - ersatzlos aufzuheben. Dies hat sie indes nicht getan, sondern einen materiell-rechtlichen Klageanspruch geltend gemacht. Eine solche Klage der KG war unzulässig.
Dem Antrag der Revisionskläger auf Zurückverweisung der Sache an das FG kann nicht gefolgt werden. Eine Zurückverweisung könnte allenfalls in Betracht kommen zur Klärung der Frage, ob die Klage als eine solche der früheren Gesellschafter der KG angesehen werden kann (vgl. Urteil des BFH vom 26. März 1980 I R 87/79, BFHE 131, 1, BStBl II 1980, 586). Einer solchen Auslegung ist die Klageschrift indes nach ihrer Ausgestaltung nicht zugänglich.
Der Senat kann dabei offenlassen, ob er sich der Auffassung anschließen könnte, die Klageschrift sei nach Maßgabe einer - noch einzuholenden - Äußerung der Gesellschafter auszulegen (vgl. Urteil des BFH vom 5. Juli 1978 I R 96/77, BFHE 125, 486, BStBl II 1978, 648). Denn jedenfalls im vorliegenden Falle läßt die Klageschrift einer solchen Auslegung keinen Raum. Denn innerhalb der Klagefrist ist mit Schriftsatz vom 13. Oktober 1983 (Klageschrift) nur die
,,Fa. T GmbH & Co. KG . . ., vertreten durch Dipl.-Kfm. H B"
als Klägerin aufgetreten. Weder Gesellschafter noch der Geschäftsführer dieser KG sind namentlich bezeichnet, so daß andere Personen als die KG, vertreten durch Herrn B, als Erklärende nicht identifizierbar sind. Die zitierte Passage der Klageschrift läßt sogar die (unrichtige) Vermutung aufkommen, daß der Dipl.-Kfm. H B der Geschäftsführer gewesen ist. Die etwa fünf Monate nach Klagerhebung aufgrund richterlicher Ausschlußfrist vorgelegte Prozeßvollmacht eröffnet dank ihrer unleserlichen Unterschrift auch keine weiteren Erkenntnisse. Bezeichnet als Mandant wird in ihr ebenfalls nur die GmbH & Co. KG. Angesichts dieser Umstände verbietet schon das Erfordernis der Prozeßklarheit eine Umdeutung der Klage in eine solche eines oder mehrerer Gesellschafter.
Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von dem Urteil in BFHE 131, 1, BStBl II 1980, 586 ab. Denn in jenem Verfahren lag eine zulässige Klage einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vor, und es war insbesondere wegen des zwingenden Grundes einer eventuell notwendigen Beiladung zu prüfen, ob der Gesellschafter S nur in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer, d. h. namens der GbR, oder auch im eigenen Namen Klage hatte erheben wollen. Im vorliegenden Falle dagegen lag bis zum Ablauf der Klagefrist nur eine unzulässige Klage vor, die eine bestimmte natürliche Person, über deren prozessualen Status man hätte zweifeln können, nicht erkennen ließ.
Da eine zulässige Klage nicht erhoben wurde, ist es dem Senat verwehrt, darüber zu befinden, ob der Einspruch von der KG oder von einem der früheren Gesellschafter eingelegt worden war. Wäre das letztere der Fall, so wäre das Einspruchsverfahren durch die gegenüber der KG ergangene Einspruchsentscheidung noch nicht abgeschlossen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Für das Revisionsverfahren werden Gerichtskosten gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes nicht erhoben, weil bei richtiger Behandlung der Sache bereits das FG die Klage als unzulässig hätte abweisen müssen.
Fundstellen