Leitsatz (amtlich)
Hat das FA einen verspäteten Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen, so ist eine gegen diese Entscheidung gerichtete Klage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen (Abkehr vom Urteil vom 14. April 1970 VII R 69/68, BFHE 99, 100, BStBl II 1970, 548).
Normenkette
FGO §§ 44, 100 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Mit Steuerbescheid vom 13. September 1971 forderte das Hauptzollamt (HZA) von der Klägerin Mineralölsteuer.
Mit Bescheid vom 6. April 1973 verwarf das HZA den Einspruch wegen Fristversäumnis als unzulässig.
Die dagegen eingelegte Klage wies das FG als unzulässig mit der Begründung ab, das HZA habe die Nachsichtgewährung mit Recht verweigert (§ 86 der Reichsabgabenordnung - AO -).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß im Einspruchsverfahren die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung nach § 86 AO nicht vorgelegen haben. Zu Unrecht hat das FG jedoch die Klage als "unzulässig" abgewiesen.
Im vorliegenden Fall geht es um die isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung des HZA. Wie sich aus dem Revisionsantrag der Klägerin sowie ihren Einlassungen sowohl im Klage- als auch im Revisionsverfahren ergibt, ist ihr Rechtsschutzbegehren allein auf eine Beseitigung der Unzulässigkeitsentscheidung im Einspruchsverfahren gerichtet. Die Klägerin hat zur Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids weder vor dem FG noch vor dem BFH etwas vorgetragen. Die isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung ist zulässig. Es entspricht dem berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen, nicht infolge eines Verfahrensfehlers des HZA eine außergerichtliche Tatsacheninstanz zu verlieren (vgl. BFH-Urteile vom 18. Oktober 1972 II R 110/69, BFHE 107, 409, BStBl II 1973, 187, und vom 7. Juli 1976 I R 66/75, BFHE 119, 368, 373, BStBl II 1976, 680). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Die Anfechtung der Klägerin beschränkt sich im vorliegenden Fall also auf die Frage, ob das HZA die Unzulässigkeit des Einspruchs zu Recht angenommen hat. Darüber ergeht ein Sachurteil, weil insoweit über eine Rechtsfrage sachlich entschieden wird. Die Frage der Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs kann nicht entgegen prozeßrechtlicher Systematik innerhalb eines als unzulässig angesehenen Verfahrens geprüft und durch Prozeßurteil beschieden werden (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 44 FGO Anm. 11; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 44 Anm. 10, jeweils mit weiteren Nachweisen). Soweit der erkennende Senat im Urteil VII R 69/68 vom 14. April 1970 (BFHE 99, 100, BStBl II 1970, 548) anders entschieden hat, hält er daran nicht mehr fest.
Fundstellen
Haufe-Index 72649 |
BStBl II 1978, 154 |
BFHE 1978, 1 |