Leitsatz (amtlich)

Wurde nach der Einziehung eines Geschäftsanteils zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen des unverändert gebliebenen Stammkapitals zugunsten der GmbH oder eines an ihre Weisungen gebundenen Treuhänders ein neuer Geschäftsanteil gebildet und für Rechnung der GmbH veräußert, so wurde dadurch der Tatbestand des § 2 Nr. 5 KVStG 1959 verwirklicht. Dies galt unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 StAnpG selbst dann, wenn die Neubildung des Geschäftsanteils gesellschaftsrechtlich unzulässig gewesen sein sollte.

 

Normenkette

KVStG 1959 § 2 Nrn. 1, 5; StAnpG § 5 Abs. 2, § 11 Nr. 3; GmbHG § 34

 

Gründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Durch die Veräußerung von Teilen des 1959 neugebildeten Geschäftsanteils ist jeweils Gesellschaftsteuer aus § 2 Nr. 5 KVStG 1959 entstanden. Der erkennende Senat folgt damit nicht der Auffassung des Finanzgerichts, daß die Gesellschaftsteuer jeweils aus § 2 Nr. 1 KVStG 1959 entstanden sei.

Entgegen der Auffassung der Klägerin durfte das Finanzamt die Steuerpflicht in der Einspruchsentscheidung statt auf § 2 Nr. 1 KVStG 1959 - wie in den Steuerbescheiden - nunmehr auf § 2 Nr. 5 KVStG 1959 stützen. § 248 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) verpflichtete das Finanzamt, "die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen". Dadurch, daß das Finanzamt die Veräußerung von Teilen des neugebildeten Geschäftsanteils in der Einspruchsentscheidung unter den § 2 Nr. 5 KVStG 1959 subsumierte und nicht mehr der in dem Steuerbescheid vertretenen Auffassung folgte, durch die Veräußerung von Teilen des neugebildeten Geschäftsanteils sei der Tatbestand des § 2 Nr. 1 KVStG 1959 verwirklicht worden, hat das Finanzamt lediglich den Veräußerungsvorgang rechtlich anders gewürdigt. Es hat damit nur über die "Sache" entschieden, wie sie durch die Steuerbescheide konkretisiert worden war. Durch die Steuerbescheide waren bereits die Verkäufe von Teilen des neuen Vorzugsanteils durch die KG steuerlich erfaßt worden. Auch die "Schaffung eines neuen Geschäftsanteils" war bereits in den Steuerbescheiden unter Hinweis auf den Betriebsprüfungsbericht rechtlich gewürdigt worden, wenn diese rechtliche Würdigung auch anders ausgefallen war als in der späteren Einspruchsentscheidung.

Aus allem folgt, daß das Finanzamt § 248 Abs. 2 AO nicht verletzt hat, als es die festgesetzte Gesellschaftsteuer in der Einspruchsentscheidung auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 2 Nr. 5 KVStG 1959 stützte.

Die Anwendung des § 2 Nr. 1 KVStG 1959 auf den vorliegenden Fall scheitert daran, daß die Erwerber von Teilen des neugebildeten Geschäftsanteils nicht erste Erwerber i. S. dieser Vorschrift waren. Auch die KG war nicht erste Erwerberin i. S. des § 2 Nr. 1 KVStG 1959. Mit der Einziehung eigener Geschäftsanteile wurden diese Geschäftsanteile vernichtet. Den verbleibenden Gesellschaftern wuchs damit automatisch ein höherer Anteil am Vermögen der Klägerin zu (vgl. u. a. Hachenburg/Hohner, GmbH-Gesetz, 7. Aufl., § 34 Rdnr. 57; Scholz, GmbH-Gesetz, 4. Aufl., § 34 Rdnr. 11). Daß die Höhe des Stammkapitals und die Summe der Nennwerte der verbliebenen Geschäftsanteile nicht mehr übereinstimmten, ändert hieran nichts. Dieses Auseinanderfallen war lediglich die Folge davon, daß eine Anpassung der Höhe des Stammkapitals und der Summe der Nennwerte der Geschäftsanteile nach einer Einziehung nicht ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben war (vgl. aber § 237 des Aktiengesetzes - AktG -, ferner § 58 Abs. 5 des nicht Gesetz gewordenen Entwurfes eines GmbH-Gesetzes, Bundestags-Drucksachen VI/3088, 7/253).

Umstritten ist, ob im Rahmen des unverändert gebliebenen Stammkapitals an Stelle der eingezogenen Geschäftsanteile ohne Kapitalerhöhung neue Geschäftsanteile geschaffen werden können (über den Streitstand vgl. Hachenburg/Hohner, a. a. O., § 34 Rdnr. 60 f.). Das Kammergericht hat diese Frage in seinem Beschluß vom 29. Juli 1943 I Wx 258/43 (Deutsches Recht 1943 S. 1230 - DR 1943, 1230 -) bejaht. Dagegen wird eingewandt, daß ein neuer Geschäftsanteil nur geschaffen werden könne im Rahmen der Gründung bzw. der Kapitalerhöhung und daß in beiden Fällen Stammeinlagen zu leisten seien (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4, §§ 5, 19, 55 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Die gesellschaftsrechtlich strittige Frage bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Finanzbehörden und die Finanzgerichte haben über § 5 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) die Neuausgabe von Geschäftsanteilen auch dann steuerrechtlich zu berücksichtigen, wenn diese Neuausgabe gegen Vorschriften des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung verstoßen sollte. Im übrigen vertritt der erkennende Senat folgende Auffassung:

Wenn ein neuer Geschäftsanteil ohne Kapitalerhöhung und ohne Leistung von Einlagen gebildet werden dürfte, so wäre dies nur in der Weise möglich, daß alle Gesellschafter auf einen Teil ihres Anteiles an der Gesellschaft (am Gesellschaftsvermögen) zugunsten des Inhabers des neu zu bildenden Geschäftsanteils verzichten. Folgerichtig fordert Hohner (Hachenburg/Hohner, a. a. O., § 34 Rdnr. 63) einen einstimmigen Beschluß der Gesellschafterversammlung. Stände der neue Anteil den Gesellschaftern in Bruchteilsgemeinschaft zu (so Heim, DR 1944, 320), so unterschiede sich dieser Vorgang im Ergebnis nicht wesentlich von der Angleichung des Nennwertes der verbliebenen Geschäftsanteile an das unverändert gebliebene Stammkapital. Diese Angleichung hat der Senat nicht als Ersterwerb neuer Gesellschaftsrechte angesehen (vgl. das Urteil vom 17. März 1970 II 106/65, BFHE 99, 74, BStBl II 1970, 498).

Es gibt bei Berücksichtigung des Zwecks der Gesellschaftsteuer, die Zuführung von Kapital an eine Kapitalgesellschaft zu besteuern, keinen Grund, bei "Neuausgabe" eines zuvor eingezogenen Geschäftsanteils an die verbliebenen Gesellschafter in Bruchteilsgemeinschaft zwecks Ausfüllung der Differenz zwischen dem Stammkapital und dem Nennwert der verbliebenen Geschäftsanteile anders zu verfahren. Eine solche "Neuausgabe" eines Geschäftsanteils nach einer Einziehung bedeutet nichts anderes als die Neueinteilung der vorhandenen Gesellschaftsrechte, die umständlicher auch dadurch hätte herbeigeführt werden können, daß zunächst der Nennwert der vorhandenen Geschäftsanteile an das Stammkapital angepaßt worden wäre, daß sodann die Gesellschafter jeweils einen Teil ihres Geschäftsanteils an alle Gesellschafter in Bruchteilsgemeinschaften abgetreten hätten und daß schließlich die abgetretenen Teile der Geschäftsanteile zu einem einheitlichen Geschäftsanteil vereinheitlicht worden wären. Daß bei Beschreiten des umständlicheren Weges Gesellschaftsteuer nicht entstanden wäre, steht außer Frage. Es besteht dann aber keinerlei Grund, bei Erreichung des gleichen Zieles mit einfacheren, wenn auch in der Literatur umstrittenen Mitteln ein anderes Ergebnis eintreten zu lassen.

Dies alles muß hinsichtlich der Nichtverwirklichung des § 2 Nr. 1 KVStG 1959 auch dann gelten, wenn der neugebildete Geschäftsanteil nicht den verbliebenen Gesellschaftern in Bruchteilsgemeinschaft, sondern der Kapitalgesellschaft selbst zustehen sollte. Auch in diesem Falle kann der umständlichere Weg oder der umstrittene einfachere Weg der "Neuausgabe" eines Geschäftsanteils gewählt werden.

Mag nach allem der nach einer Einziehung von Geschäftsanteilen neu gebildete Geschäftsanteil, ohne daß Einlagen zu leisten wären, gesellschaftsrechtlich ein originär entstandener Geschäftsanteil sein, so ist dieser Geschäftsanteil gleichwohl nicht als ein solcher Geschäftsanteil anzusehen, hinsichtlich dessen i. S. des § 2 Nr. 1 KVStG 1959 ein erster Erwerb stattfinden könnte. Daraus folgt, daß weder die KG noch diejenigen Personen, die von der KG Teile des neugebildeten Geschäftsanteils erworben haben, Ersterwerber i. S. der genannten Vorschrift sind. Ist danach § 2 Nr. 1 KVStG 1959 im vorliegenden Fall nicht anwendbar, so besteht kein Hindernis, den Ersatztatbestand des § 2 Nr. 5 KVStG 1959 anzuwenden. Dessen Voraussetzungen sind erfüllt.

Die Veräußerung von Teilen des neugebildeten Geschäftsanteils ist der Klägerin zuzurechnen, obwohl formaler Inhaber dieses Geschäftsanteils die KG war. Denn die KG hielt den Anteil für Rechnung der Klägerin und durfte über ihn nur auf Weisung der Klägerin verfügen. Demgemäß floß der Klägerin der bei der Veräußerung durch die KG erzielte Erlös zu. Dem Zweck der Vorschrift entspricht es, auch die Fälle unter den § 2 Nr. 5 KVStG 1959 zu subsumieren, in denen ein Dritter (unentgeltlich) Gesellschaftsrechte erlangt, über die er nur auf Weisung und für Rechnung der Kapitalgesellschaft verfügen darf. Diese Gesellschaftsrechte sind so zu behandeln, als ständen sie der Kapitalgesellschaft zu. Dies gilt unabhängig davon, ob hier ein Zurechnungsproblem i. S. des § 11 Nr. 2, 3 StAnpG vorliegt oder nicht.

Die weiterveräußerten Gesellschaftsrechte sind der Klägerin unentgeltlich überlassen worden. Der Senat hat schon darauf hingewiesen, daß die Gesellschaftsrechte vor der Neubildung eines Geschäftsanteils allein den damaligen Gesellschaftern zustanden, deren Anteile am Gesellschaftsvermögen sich durch die vorhergegangene Einziehung eigener Anteile erhöht hatte. Auf einen Teil dieser Rechte haben die Gesellschafter verzichten müssen, als die Neubildung eines Geschäftsanteils beschlossen wurde. Dadurch hat die Klägerin die Möglichkeit erlangt, über den neugebildeten Geschäftsanteil, auf den keine Stammeinlagen zu leisten waren, zu ihren Gunsten zu verfügen. Dieser Fall kann für die Anwendung des § 2 Nr. 5 KVStG 1959 nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem der Nennwert der verbliebenen Geschäftsanteile nach einer Einziehung entsprechend erhöht worden wäre und die Gesellschafter sodann jeweils einen entsprechenden Teil ihrer Geschäftsanteile unentgeltlich an die Klägerin oder an die KG als deren Treuhänderin abgetreten hätten.

Die Klägerin kann sich gegenüber der Heranziehung der Gesellschaftsteuer auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß § 2 Nr. 5 KVStG 1959 im Saarland noch nicht in Kraft war, als der neue Geschäftsanteil gebildet und ausgegeben wurde, und daß im Saarland eine dem § 2 Nr. 5 KVStG 1959 entsprechende Vorschrift im saarländischen Gesellschaftsteuergesetz nicht enthalten war.

Der Bundesgesetzgeber war nicht gehindert, § 2 Nr. 5 KVStG 1959 für Sachverhalte in Kraft zu setzen (vgl. § 1 des Gesetzes über die Einführung des deutschen Rechts auf dem Gebiete der Steuern, Zölle und Finanzmonopole im Saarland vom 30. Juni 1959, BGBl I, 339, i. V. m. dem Briefwechsel über die Beendigung der Übergangszeit, vgl. BGBl I, 401), aus denen nach dem 5. Juli 1959 eine Gesellschaftsteuer entstand (vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261).

Daß im vorliegenden Fall die in dem Nebensatz des § 2 Nr. 5 KVStG 1959 geforderten Voraussetzungen bei Inkrafttreten des Gesetzes vom 30. Juni 1959 bereits erfüllt waren, ändert an der Verfassungsmäßigkeit des § 1 des Gesetzes vom 30. Juni 1959 i. V. m. § 2 Nr. 5 KVStG 1959 nichts. Als der Geschäftsanteil in Höhe von ... ffrs. am 26. Juni 1959 neu gebildet wurde, hatte der Bundestag bereits am 24. Juni 1959 den Entwurf eines Gesetzes über die Einführung des deutschen Rechts auf dem Gebiete der Steuern, Zölle und Finanzmonopole im Saarland in 2. und 3. Lesung verabschiedet. Der Bundesrat stimmte am 26. Juni 1959 zu. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin keinesfalls darauf vertrauen, daß die Neubildung des Geschäftsanteils und die Veräußerung von Teilen dieses Geschäftsanteils auch weiterhin allein aufgrund des saarländischen Gesellschaftsteuergesetzes beurteilt werden würde. Es bedarf unter diesen Umständen keiner ausdrücklichen Entscheidung, ob sich § 2 Nr. 5 KVStG 1959 im Falle der Klägerin auf Steuertatbestände erstreckte, deren Verwirklichung i. S. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits begonnen hatte (vgl. hierzu die Urteile vom 19. Dezember 1961 2 BvR 1/60, BVerfGE 13, 274, und 2 BvR 2/60, BVerfGE 13, 279).

Nach allem ist dem Finanzamt darin zu folgen, daß durch die Veräußerung von Teilen des neugebildeten Geschäftsanteils seitens der KG Gesellschaftsteuer aus § 2 Nr. 5 KVStG 1959 entstanden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72777

BStBl II 1978, 436

BFHE 1979, 86

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