Einziehung von Geschäftsanteilen

Als Schenkung gilt die Werterhöhung von Anteilen der verbleibenden Gesellschafter durch jegliche Einziehung von GmbH-Anteilen nach § 34 Abs. 1, 2 GmbHG. § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG ist nicht auf die Zwangseinziehung von Anteilen beschränkt.

Hintergrund: Einziehung des Geschäftsanteils eines ausscheidenden GmbH-Gesellschafters gegen Minderentgelt

X und 3 weitere Personen (A, B, C) waren Gesellschafter einer GmbH mit einer Stammeinlage von je 81.000 EUR. Nach dem Gesellschaftsvertrag war die Einziehung von Geschäftsanteilen mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit zulässig, ohne Zustimmung war sie unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Mit notariellem Vertrag beschlossen die vier Gesellschafter einstimmig die Einziehung des Geschäftsanteils des A zum 31.12.2007. Als Einziehungsvergütung hatte die GmbH an A 75.000 EUR in 75 gleichen Monatsraten zu zahlen. Die Nennbeträge der verbleibenden drei Geschäftsanteile wurden jeweils um 27.000 EUR auf 108.000 EUR aufgestockt.

Nachdem das Betriebsstätten-FA der GmbH den Wert des eingezogenen Anteils (nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG) mit 204.930 EUR gesondert festgestellt hatte, setzte das FA gegenüber einem der verbliebenen Gesellschafter (X) wegen der Werterhöhung seines GmbH-Anteils SchenkSt fest. Es ermittelte den Unterschiedsbetrags zwischen dem festgestellten Anteilswert und der (abgezinsten) Einziehungsvergütung und berücksichtigte diesen Wert zu einem Drittel.

X wandte ein, unter § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG fielen nur Zwangseinziehungen, die ohne Zustimmung des Gesellschafters erfolgten.

Das FG folgte dem FA und wies die Klage ab. Der Begriff der Einziehung i.S.v. § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG erfasse nicht nur die Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils nach § 34 Abs. 2 GmbHG, sondern auch die Einziehung nach § 34 Abs. 1 GmbHG mit Zustimmung des Anteilsberechtigten.

Entscheidung: Besteuerung der Werterhöhung infolge einer Einziehung

Der BFH bestätigt die Auffassung des FA und des FG. Die Werterhöhung durch die Einziehung des Geschäftsanteils des A nach § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG unterliegt bei X zu einem Drittel der SchenkSt.

Fiktion der Werterhöhung als Schenkung

Wird auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH der Geschäftsanteil eines Gesellschafters bei dessen Ausscheiden eingezogen und übersteigt der (sich nach § 12 ErbStG ergebende) Wert seines Anteils zur Zeit seines Ausscheidens den Abfindungsanspruch, gilt nach § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG die insoweit bewirkte Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter als Schenkung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Mit dem Merkmal "eingezogen" knüpft die Norm an die in § 34 GmbHG geregelte Einziehung von Geschäftsanteilen bei Ausscheiden eines Gesellschafters einer GmbH an. Die Einziehung (Amortisation) bedarf nach § 34 Abs. 1 GmbHG stets einer Grundlage im Gesellschaftsvertrag. Sie ist nach § 34 Abs. 2 GmbHG aber auch ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten (Zwangseinziehung) möglich.

Das ErbStG erfasst beide Formen der Einziehung

Weder dem Wortlaut ("eingezogen") noch der Systematik oder dem Zweck des § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG ist eine Beschränkung auf die Zwangseinziehung nach § 34 Abs. 2 GmbHG zu entnehmen. Mit einem derart engen Verständnis des § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG verbliebe die Gesetzeslücke, die die Vorschrift für Wertverschiebungen durch Ausscheiden eines Gesellschafters gerade schließen wollte. Die Lücke ergäbe sich daraus, dass § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf Einziehungen nicht anwendbar ist. Denn es fehlt an der erforderlichen Verschiebung der Vermögenssubstanz. Auch die Einziehung mit Zustimmung bewirkt keinen derivativen Erwerb des Anteils durch rechtsgeschäftliche Übertragung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Vielmehr führt sie bei zunächst unverändertem Stammkapital zur Vernichtung des Geschäftsanteils.

Keine einschränkende Regelung

Die in § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG enthaltene Wendung "auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag" schränkt die Reichweite der Vorschrift nicht ein. Sie enthält keine Begrenzung auf bestimmte Regelungen im Gesellschaftsvertrag, etwa auf Regelungen zur Zwangseinziehung. Der Einschub ist auch nicht deshalb funktionslos, weil jede Einziehung eine solche Regelung voraussetzt. Vielmehr ist der Einschub als Hinweis auf die Einziehungsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 und des Abs. 2 GmbHG zu verstehen. Beide verlangen Regelungen im Gesellschaftsvertrag. Der Einschub zeigt daher, dass mit "eingezogen" die Einziehung i.S. des § 34 Abs. 1, 2 GmbHG und nicht etwa eine andere Rechtsfigur gemeint ist.

Hinweis: Gesetzesentwicklung

Der BFH verweist ergänzend auf die Gesetzeshistorie. Die ursprünglich auf den heutigen Satz 1 des § 7 Abs. 7 ErbStG beschränkte Vorschrift sollte die vermögensrechtlichen Auswirkungen eines Wechsels im Bestand einer Personengesellschaft auf Grund Gesellschaftsvertrags erfassen, indem sie eine Schenkung des ausscheidenden Gesellschafters an die verbliebenen Gesellschafter in Höhe der Wertverschiebungen fingierte. Den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbaren derivativen Erwerb durch rechtsgeschäftliche Übertragung des Anteils erfasst sie nicht. In der Folge sollte auch der durch das StEntlG 1999/2000/2002 eingefügte heutige Satz 2 unberechtigte Steuervorteile verhindern, die entstehen können, wenn eine Einziehung gegen Minderentgelt beschlossen wird. Das in § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geforderte subjektive Element ist kein Tatbestandsmerkmal in § 7 Abs. 7 ErbStG. Das gilt auch für den durch die formale Anknüpfung an die Werterhöhung gekennzeichneten hinzugetretenen Erwerbstatbestand des Satzes 2.

BFH Urteil vom 17.11.2021 - II R 21/20 (veröffentlicht am 19.05.2022)

Alle am 19.05.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.



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