Leitsatz (amtlich)
1. Die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs (Teilbetriebs) i.S. von § 7 Abs.1 EStDV setzt voraus, daß die wesentlichen Betriebsgrundlagen durch einheitlichen Übertragungsakt auf einen Erwerber überführt werden.
2. Eine in mehrere, zeitlich aufeinanderfolgende Einzelakte aufgespaltene Gesamtübertragung kann nur dann als einheitlicher Übertragungsakt angesehen werden, wenn sie auf einem einheitlichen Willensentschluß beruht und zwischen den einzelnen Übertragungsvorgängen ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht.
Orientierungssatz
1. Wird ein Teilbetrieb (Definition) übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben. "Vorschriften über die Gewinnermittlung" sind dabei die Vorschriften über die laufende Gewinnermittlung (vgl. BFH-Urteil vom 23.4.1971 IV 201/65).
2. Voraussetzung einer Teilbetriebsveräußerung ist u.a., daß der Gewerbetreibende eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit aufgibt (Festhaltung an BFH-Urteil vom 3.10.1984 I R 119/81). Diese Auffassung ist auch auf die unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs anwendbar.
3. Die Bestellung eines Vorbehaltsnießbrauchs an dem übertragenen Betriebsgrundstück schließt eine unentgeltliche Übertragung i.S. des § 7 Abs. 1 EStDV nicht aus.
4. Ein Nießbrauch begründet in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum (vgl. BFH-Urteil vom 21.2.1967 VI 263/65).
Normenkette
EStDV § 7 Abs. 1; EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 39 Abs. 2
Tatbestand
I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) einen Teilbetrieb unentgeltlich übertragen oder einzelne Wirtschaftsgüter entnommen hat.
1. Der Kläger betrieb zu Beginn des Streitjahres 1973 ein Gipser- und Malergeschäft und eine Mastenstreicherei (Rostschutzunternehmen). Er ermittelte seinen Gewinn durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs.1 i.V.m. § 5 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Auftraggeber des Gipser- und Malergeschäfts waren im wesentlichen Kunden aus der Umgebung des Wohnorts des Klägers. Alleiniger Auftraggeber der Mastenstreicherei war ein überregionales Unternehmen der Elektrizitätsversorgung.
In der Mastenstreicherei wurden ungelernte Gastarbeiter eingesetzt, die im Gipser- und Malergeschäft nicht beschäftigt wurden. Die Gewinne wurden für das gesamte Unternehmen einheitlich ermittelt; in den Gewinn- und Verlustrechnungen wurden jedoch die Erlöse der Mastenstreicherei getrennt ausgewiesen.
Im April 1973 beschloß der Kläger, den Gesamtbetrieb im Wege vorweggenommener Erbfolge auf seinen zuvor straffällig gewordenen Adoptivsohn R zu übertragen. Der Kläger übertrug im April 1973 zunächst das Gipsergeschäft unentgeltlich auf R. Am 20.Dezember 1973 übertrugen die Kläger durch Übergabevertrag einen Teil der Betriebsgrundstücke mit Gebäuden unter Vorbehalt des Nießbrauchs ebenfalls unentgeltlich auf R. Die Grundstücke stellten nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten wesentliche Betriebsgrundlagen des Unternehmens dar. Im Mai 1975 übertrug der Kläger das Malergeschäft und zum 1.Januar 1977 auch die Mastenstreicherei. Alle Betriebsteile wurden unentgeltlich auf R übertragen. R ermittelte seinen Gewinn ebenfalls durch Bestandsvergleich und führte die Buchwerte der vom Kläger übernommenen Wirtschaftsgüter fort.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, daß die Übergabe des Gipsergeschäfts im Jahre 1973 als Entnahme einzelner Wirtschaftsgüter zu werten sei. Das FA ermittelte einen Entnahmegewinn von 162 281 DM und rechnete diesen Gewinn im Einkommensteuerbescheid 1973 dem Einkommen zu.
2. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt. Es vertrat im angefochtenen Urteil die Auffassung, daß die Mastenstreicherei einerseits und das Gipser- und Malergeschäft andererseits jeweils Teilbetriebe seien.
Da der Teilbetrieb "Gipser- und Malergeschäft" innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums auf den Sohn des Klägers übertragen worden sei, seien die stillen Reserven gemäß § 7 Abs.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) nicht zu realisieren (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom vom 4.Juli 1973 I R 154/71, BFHE 110, 245, BStBl II 1973, 838).
3. Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung materiellen Rechts. Es führt aus, daß bei unentgeltlicher Übertragung --im Gegensatz zur Betriebsaufgabe-- zeitlich ausgedehnte Vorgänge nicht zu einer Teilbetriebsübertragung zusammengefaßt werden könnten.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Die Sache mußte deshalb zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Wird ein Teilbetrieb unentgeltlich übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben. "Vorschriften über die Gewinnermittlung" sind dabei die Vorschriften über die laufende Gewinnermittlung (BFH-Urteil vom 23.April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686).
2. Das FG hat zutreffend den Betriebsteil Mastenstreicherei als Teilbetrieb angesehen.
Ein Teilbetrieb ist ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs, der --für sich betrachtet-- alle Merkmale eines Betriebs im Sinn des EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist (BFH-Urteile vom 24.April 1969 IV R 202/68, BFHE 95, 323, BStBl II 1969, 397; vom 14.März 1989 I R 75/85, nicht veröffentlicht --NV--). Die übertragenen Wirtschaftsgüter müssen dabei eine Untereinheit nach Art eines selbständigen Zweigbetriebes in dem Sinne bleiben, daß sie als eigenes Unternehmen fortgeführt werden können (BFH-Urteile vom 3.Oktober 1984 I R 119/81, BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245; vom 14.März 1989 I R 75/85, NV).
Die Mastenstreicherei erfüllte diese Voraussetzungen. Sie wurde mit eigenen Arbeitskräften betrieben, die im Rest-Unternehmen nicht eingesetzt wurden. Der Kundenkreis unterschied sich wesentlich vom Kundenkreis der Gipserei und Malerei. Auftraggeber der Mastenstreicherei war ausschließlich ein Unternehmen der Elektrizitätsversorgung, während die übrigen Unternehmensteile ihre Aufträge von Gewerbetreibenden und Privatleuten der näheren Umgebung erhielten. Auch die Tätigkeit der Mastenstreicherei unterschied sich erheblich von der des Rest-Unternehmens. Die Entrostung und das Anstreichen von Hochspannungsmasten ist mit den Gipser- und Malerarbeiten der übrigen Betriebszweige nicht vergleichbar. Außerdem wurde die Mastenstreicherei im Unterschied zum Gipser- und Malergeschäft überregional ausgeübt.
Daneben fällt nicht ins Gewicht, daß die Gewinne der Mastenstreicherei nicht getrennt ermittelt, sondern lediglich die Erlöse gesondert verbucht wurden.
3. Das FG hat ferner zutreffend aus dem Bestehen eines Teilbetriebs geschlossen, daß das Unternehmen zumindest einen weiteren Teilbetrieb umfassen mußte. Die Vorinstanz hat dabei zu Recht die Betriebszweige Gipserei und Malerei als einen einheitlichen Teilbetrieb angesehen. Die beiden Betriebszweige waren weder räumlich noch organisatorisch noch personell voneinander getrennt. Auch die Kundenkreise deckten sich zumindest teilweise. Damit wies keiner der beiden Betriebszweige die Merkmale einer organisch geschlossenen, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten und lebensfähigen Untereinheit des Gesamtbetriebs aus.
4. Sind das Gipsergeschäft und das Malergeschäft als einheitlicher Teilbetrieb anzusehen, so kann die Übertragung des Gipsergeschäfts im Streitjahr nur als Teilbetriebsübertragung (§ 7 EStDV) angesehen werden, wenn Gipserei und Malergeschäft in einem einheitlichen Vorgang übertragen wurden. Werden Wirtschaftsgüter eines Teilbetriebs nicht durch einheitlichen Übertragungsakt auf den Erwerber überführt, so muß zwischen den Übertragungsakten ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen.
Diese Voraussetzung hat das FG zutreffend bejaht.
a) Der Übertragung lag nach den Feststellungen des FG ein einheitlicher Übertragungsentschluß des Klägers zu Grunde. Der durch diesen Entschluß begründete sachliche Zusammenhang ist durch die schrittweise Übertragung des Gesamtbetriebs nicht beeinträchtigt worden. Da sich der Adoptivsohn des Klägers vor der Betriebsübertragung als nur beschränkt belastbar erwiesen hatte und straffällig geworden war, bestanden für den Kläger beachtliche Gründe, dem Adoptivsohn die Verantwortung für das Gesamtunternehmen nicht in einem Akt, sondern zeitlich gestreckt zu übertragen. Nur auf diese Weise konnte sich R in die Aufgaben des verantwortlichen Unternehmensleiters einarbeiten, ohne durch eine seine Leistungsfähigkeit übersteigende Arbeits- und Verantwortungslast erneut psychisch gefährdet zu werden. Die schrittweise Übertragung ermöglichte ihm, allmählich die Fähigkeiten für die wachsenden Aufgaben zu erwerben. Bei dieser Sachlage hat das FG trotz der zunächst gegen einen einheitlichen Übertragungsvorgang sprechenden schrittweisen Übertragung zu Recht die sachliche Verklammerung des Gesamtvorgangs bejaht.
Diese Auslegung steht entgegen der Auffassung des FA nicht in Widerspruch zum Urteil des erkennenden Senats in BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245. In dieser Entscheidung hatte der BFH entschieden, daß Voraussetzung einer Teilbetriebsveräußerung sei, daß der Gewerbetreibende eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit aufgibt. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Sie ist auch auf die unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs anwendbar. Nach BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245 setzt eine Teilbetriebsveräußerung oder -übertragung jedoch nur voraus, daß der Gewerbetreibende bei Abschluß der Teilbetriebsveräußerung oder -übertragung seine gewerbliche Tätigkeit im Sektor des Teilbetriebs aufgibt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Nach Übertragung des Gipser- und Malergeschäfts gab der Kläger seine Tätigkeit in diesem Bereich auf und war nur noch in der Mastenstreicherei tätig. Die Entscheidung in BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245 schließt eine gewisse zeitliche Streckung des Veräußerungs- bzw. Übertragungsvorgangs nicht aus.
b) Eine einheitliche Teilbetriebsveräußerung oder -übertragung setzt sachlich ferner voraus, daß der Teilbetrieb auf einen Erwerber übergeht (BFH-Urteil vom 18.Juli 1972 VIII R 2/68, NV). Diese Voraussetzung ist im Streitfall ebenfalls erfüllt.
c) Der zeitliche Abstand von 25 Monaten zwischen dem ersten und dem letzten Übertragungsvorgang schließt einen einheitlichen Vorgang nicht aus.
Zwar liegt eine sich auf 25 Monate erstreckende Betriebsübertragung an der oberen Grenze der für einheitliche Vorgänge noch denkbaren Zeitdauer. Im Streitfall ist jedoch die Übertragung des Gipsergeschäfts und des Malergeschäfts durch die Grundstücksübertragung zeitlich verbunden. Die Betriebsgrundstücke wurden rd. 8 Monate nach dem Gipsergeschäft und 17 Monate vor dem Malergeschäft auf R übertragen. Dadurch sind die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Übertragungsvorgängen verkürzt. Zwar kann durch eine in mehrere Einzelakte aufgeteilte Gesamtübertragung der zeitliche Zusammenhang nicht unbegrenzt gestreckt werden. Eine rd. zwei Jahre andauernde Gesamtübertragung kann als einheitlicher Vorgang nur dann noch angesehen werden, wenn die einzelnen Übertragungsvorgänge durch einen einheitlichen Willensentschluß und besondere Tatumstände verklammert werden. Im Streitfall war bedeutsam, daß die Grundstücksübertragung den ersten und den letzten Übertragungsakt nicht nur zeitlich, sondern mit beachtlichen Gründen auch sachlich verklammerte. Die Betriebsgrundstücke waren wesentliche Betriebsgrundlage sowohl für die Gipserei als auch für das Malergeschäft.
5. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
Die Übertragung eines Teilbetriebs i.S. des § 7 Abs.1 EStDV setzt voraus, daß alle wesentlichen Betriebsgrundlagen dieses Teilbetriebs übertragen werden (BFH-Urteile vom 27.Juli 1961 IV 295/60 U, BFHE 73, 679, BStBl III 1961, 514; vom 7.August 1979 VIII R 153/77, BFHE 129, 325, BStBl II 1980, 181). Dazu hat das FG nur festgestellt, daß die übertragenen Betriebsgrundstücke nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten wesentliche Betriebsgrundlagen darstellten. Selbst wenn dies noch als eigene Feststellung des FG gewertet werden könnte, ist daraus nicht zu entnehmen, ob alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Teilbetriebs übertragen wurden. Der Sachverhalt muß insoweit noch ergänzend aufgeklärt werden, zumal die Kläger offenbar nur einen Teil der Betriebsgrundstücke auf R übertragen haben.
Sollte sich dabei ergeben, daß innerhalb des Gesamtzeitraums von 25 Monaten nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Gipser- und Malergeschäfts übertragen wurden, so fehlt es an einem Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs.1 EStDV. Die Bestellung eines Vorbehaltsnießbrauchs an den übertragenen Grundstücken schließt allerdings die Übertragung i.S. des § 7 Abs.1 EStDV nicht aus. Ein Nießbrauch begründet in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum (BFH-Urteil vom 21.Februar 1967 VI 263/65, BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311). Da im Streitfall das wirtschaftliche Risiko des in den übertragenen Grundstücken ausgeübten Gipser- und Malergeschäfts auf R übergegangen war, ist davon auszugehen, daß R nicht nur rechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Eigentümer geworden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 62799 |
BFH/NV 1989, 32 |
BStBl II 1989, 653 |
BFHE 157, 93 |
BFHE 1990, 93 |
BB 1989, 2381-2382 (LT) |
DB 1989, 1752-1753 (LT) |
DStR 1989, 537 (KT) |
HFR 1989, 671 (LT) |