Entscheidungsstichwort (Thema)
(Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem GrEStWoBauG NW: Prüfungspflicht des FA, Wirkung der vorläufigen Befreiung, Anzeigepflicht, Anlaufhemmung nach § 16a GrEStG NW - Einbeziehung der Umsatzsteuer in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage verfassungskonform - keine Entscheidung über Billigkeitsmaßnahmen im Rechtsbehelfsverfahren der Grunderwerbsteuerbescheids)
Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren über die materiell vorläufige Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem früheren GrEStWoBauG NW erstreckt sich die Prüfungspflicht des FA nicht darauf, ob der Erwerber den begünstigten Zweck --wie er es versichert hat-- auch tatsächlich verwirklichen kann. Die Tatbestandswirkung der materiell vorläufigen Grunderwerbsteuerbefreiung tritt deshalb auch dann ein, wenn die Unmöglichkeit der Verwirklichung des begünstigten Zwecks offensichtlich ist. Auch in einem derartigen Fall hat der Erwerber die Aufgabe des begünstigten Zwecks förmlich anzuzeigen.
Orientierungssatz
1. Die Einbeziehung der auf die Baukosten entfallenden Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG-Beschluß vom 27.12.1991 2 BvR 72/90).
2. Im Verfahren über die Anfechtung des Grunderwerbsteuerbescheids ist nicht zu entscheiden, ob dem Kläger eine Billigkeitsmaßnahme zusteht (vgl. BFH-Urteil vom 19.5.1993 II R 29/92).
3. Ausführungen zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, zur Prüfungspflicht des FA , zu den Anzeigepflichten des Steuerpflichtigen und zur Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist nach dem früheren GrEStG NW bzw. GrEStWoBauG NW.
Normenkette
GrEStG NW § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG NW § 11 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG NW § 16a; GrEStWG NW § 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2-3; AO 1977 §§ 163, 227; GrEStG NW § 19 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
I. Am 19. Dezember 1979 schloß der Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit der A-GmbH einen notariell beurkundeten "Treuhandvertrag mit Vollmacht" ab. Darin erklärte der Kläger, im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft auf eigene Rechnung und Gefahr auf einem in der Urkunde bezeichneten Grundstück ein Bauobjekt einschließlich Garage zum Brutto-Gesamtkostenpreis von ... DM errichten zu wollen. Die Treuhänderin wurde vom Kläger damit beauftragt, die zur Durchführung des Bauobjekts erforderlichen Rechtshandlungen durchzuführen, insbesondere den Grundstückskaufvertrag sowie weitere Verträge zur Bebauung des Grundstücks und zur Finanzierung abzuschließen.
Aufgrund ihrer Vollmacht schloß die A-GmbH für den Kläger am 12. Februar 1980 den Grundstückskaufvertrag mit der B-GmbH, die als Generalunternehmerin die Bebauung durchführen sollte. Im Mai 1980 war Baubeginn im September 1980 beantragte der Kläger die Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach dem damals geltenden nordrhein-westfälischen Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau i.d.F. vom 20. Juli 1970 (GrEStWoBauG). Mit Verfügung vom 23. September 1980 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Grunderwerb des Klägers nach § 1 Nr.1 GrEStWoBauG vorläufig von der Steuer frei und erteilte die Unbedenklichkeitsbescheinigung. Das Objekt wurde Ende Mai 1981 bezugsfertig. Das FA kam nach einer Betriebsprüfung zu dem Ergebnis, daß der Grundstückskaufvertrag vom 12. Februar 1980 Teil eines einheitlichen Vertragswerks war, dessen Gegenstand ein bebautes Grundstück gewesen sei, und setzte durch Bescheid vom 10. Juni 1986 gegen den Kläger Grunderwerbsteuer und Zuschlag nach § 3 GrEStWoBauG in Höhe von insgesamt 38 003 DM fest.
Mit dem dagegen gerichteten Einspruch machte der Kläger in erster Linie geltend, daß das von ihm erworbene Objekt die Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung erhalten habe. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Grundstückskaufvertrag sei als Teil eines rechtlich einheitlichen, auf den Erwerb des bebauten Grundstücks gerichteten Vertragswerks anzusehen.
Mit der Klage wurde weiterhin geltend gemacht, daß ein unbebautes Grundstück erworben worden sei. Das FA habe alle vom Kläger abgeschlossenen Verträge vor dem Freistellungsbescheid gekannt. Im übrigen habe das FA den Erlaß des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen vom 29. November 1982 nicht zugunsten des Klägers angewandt und damit Verwaltungsanweisungen nicht beachtet.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kaufvertrag unterliege nach § 1 Abs.1 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (GrEStG) der Grunderwerbsteuer. Eine Befreiungsvorschrift nach altem Recht greife nicht ein. Eine Vergünstigung nach § 1 Abs.1 Nr.1 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) komme nicht in Betracht, weil der Kläger das Objekt vermietet habe. Auch eine Steuerbefreiung nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStWoBauG könne nicht gewährt werden. Nach dieser Vorschrift werde begünstigt der Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung eines Gebäudes. Dieser steuerbegünstigte Zweck habe im Streitfall von vornherein nicht erreicht werden können, da der Kläger schon durch die Beauftragung der Union Treuhand ein Vertragsbündel angenommen habe, welches auf den Erwerb schlüsselfertig erbauten Wohnraums gerichtet gewesen sei. Die Grunderwerbsteuer sei auch nicht verjährt. Die Verjährung sei nach § 16a Satz 2 i.V.m. § 19 Abs.3 Nr.2 GrEStG hinausgeschoben gewesen, weil es sich um die Erhebung einer Nachsteuer nach § 1 GrEStWoBauG handele. Der Ausnahmefall, daß dem FA bei der vorläufigen Freistellungsverfügung bereits alle Umstände für die endgültige Festsetzung der Steuer bekanntgewesen seien, liege im Streitfall nicht vor. Bis zur Außenprüfung der Bauherrengemeinschaft seien dem FA keinerlei weitere Verträge bekannt oder eingereicht worden. Das FA habe nicht gewußt, daß die B-GmbH bereits als Generalunternehmerin festgestanden habe. Die Kenntnis aller Funktionsträgerverträge sei aber unerläßlich für die endgültige Entscheidung, ob ein einheitliches Vertragswerk vorliege. Insofern habe der Kläger zumindest der Anzeigepflicht i.S. des § 19 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 16a Satz 2 GrEStG nicht Genüge getan. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Anwendung des Übergangserlasses des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen vom 29. November 1982 S 4509 - 14 - V A II. Diesen Erlaß habe nämlich der Bundesfinanzhof (BFH) schon als rechtswidrig bezeichnet.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Geltend gemacht wird Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, den Grunderwerbsteuernacherhebungsbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Zutreffend hat das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids bejaht.
1. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft (auch) die Anwendung und Auslegung des früheren nordrhein-westfälischen Grunderwerbsteuerrechts. Nach Aufhebung des früheren § 160 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Art.1 Nr.37 des Gesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) mit Wirkung ab 1. Januar 1993 ist dieses Landesrecht kein revisibles Recht mehr, das der Überprüfung durch den erkennenden Senat unterliegt (vgl. Senatsentscheidung vom 26. April 1995 II R 6/94, BFHE 178, 222, BStBl II 1995, 738). Jedoch bejaht der erkennende Senat in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Revisibilität landesrechtlicher Vorschriften dann, wenn diese noch im Zeitpunkt der Einlegung der Revision bestand (vgl. z.B. Senatsentscheidungen vom 8. November 1995 II R 16/92, BFH/NV 1996, 357; vom 13. April 1994 II R 93/90, BFHE 174, 380, BStBl II 1994, 817, und vom 18. Mai 1994 II R 119/90, BFH/NV 1995, 267). Letztere Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.
2. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig. Der Grundstückskaufvertrag vom 12. Februar 1980 unterliegt nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Gegenstand dieses Erwerbsvorgangs ist das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude. Denn im Streitfall bestand --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den auf Errichtung des Gebäudes gerichteten Verträgen zumindest ein derartiger sachlicher Zusammenhang, daß der erwerbende Kläger bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhalten hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 23. November 1994 II R 53/94, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331, m.w.N.). In die für die Bemessung der Grunderwerbsteuer maßgebliche Gegenleistung i.S. des § 11 Abs.1 Nr.1 GrEStG war daher nicht nur der Kaufpreis für das Grundstück, sondern auch das Entgelt für die Errichtung des Gebäudes einzubeziehen; die Einbeziehung der auf die Baukosten entfallenden Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, 214). Der Erwerbsvorgang war nicht nach § 1 Nr.1 GrEStWoBauG von der Grunderwerbsteuer befreit, da diese Vorschrift den Erwerb eines unbebauten Grundstücks voraussetzt.
Ob dem Kläger eine Billigkeitsmaßnahme zusteht, ist im Verfahren über die Anfechtung des Grunderwerbsteuerbescheides nicht zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630).
3. Im Ergebnis zutreffend hat es das FG verneint, daß der Steuerfestsetzung der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegengestanden habe (§ 169 Abs.1 der Abgabenordnung --AO 1977--).
a) Nach § 16a Satz 1 GrEStG beginnt die Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuer in den Fällen, in denen der Rechtsvorgang zu einer Eintragung des Grunderwerbs in das Grundbuch führen kann, mit Ablauf des Jahres, in dem der Erwerber des Grundstücks als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist, in allen anderen Fällen mit Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden ist. Im Streitfall ist für das Entstehen der Grunderwerbsteuer und den Lauf der Festsetzungsfrist nicht mehr der ursprünglich der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgang (Grundstückskaufvertrag) maßgeblich. Dies folgt aus der Tatbestandswirkung der antragsgemäß erteilten materiell vorläufigen Grunderwerbsteuerbefreiung. Diese hindert die Entstehung der Steuer bereits zum Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1982 II R 42/80, BFHE 135, 237, BStBl II 1982, 405). Die Steuerpflicht tritt vielmehr erst bei Verwirklichung eines Nacherhebungstatbestands ein (vgl. zum früheren Berliner Grunderwerbsteuerrecht Senatsurteil vom 19. Juli 1995 II R 38/92, BFH/NV 1996, 352; zum früheren nordrhein-westfälischen Grunderwerbsteuerrecht Senatsurteile vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609, sowie vom 13. Februar 1985 II R 74/82, BFHE 143, 163, BStBl II 1985, 374). Diese Rechtswirkung der materiell vorläufigen Steuerbefreiung tritt auch dann ein, wenn --wie im Streitfall-- der Erwerber bereits zum Zeitpunkt der vorläufigen Freistellung aufgrund vertraglicher Verpflichtungen gehindert ist, den begünstigten Zweck --dessen Herbeiführung er versichert hat-- in der Folge auch tatsächlich selbst zu verwirklichen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 24. November 1993 II R 30/90, BFH/NV 1994, 267). Dies ergibt sich daraus, daß es für die vorläufige Freistellung ausreichend ist, wenn die Voraussetzungen des § 2 GrEStWoBauG erfüllt sind, hierfür genügt, daß der Erwerber die dort vorgeschriebene Erklärung (Versicherung) abgegeben hat. Die Entscheidung der Frage, ob der Erwerber die Voraussetzungen für die materiell endgültige Steuerbefreiung tatsächlich erfüllt, ist deswegen notwendigerweise dem Nacherhebungsverfahren vorbehalten. Dementsprechend erstreckt sich auch die Prüfungspflicht des FA im Verfahren über die materiell vorläufige Steuerbefreiung nur darauf, ob die Voraussetzungen des § 2 GrEStWoBauG erfüllt sind, nicht aber auch darauf, ob die Voraussetzungen für die materiell endgültige Steuerbefreiung vom Erwerber erfüllt werden können. Für die Prüfung dieser Frage hat das FA vielmehr Zeit bis zum Ablauf der Verwendungsfrist. Die Tatbestandswirkung der materiell vorläufigen Steuerbefreiung tritt deshalb auch dann ein, wenn dem FA von Anfang an das gesamte Vertragswerk vorgelegen hat, aus dem sich ergibt, daß der Erwerber --entgegen seiner Versicherung-- bereits ein Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude erworben hat (vgl. Senatsurteile in BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609; in BFHE 143, 163, BStBl II 1985, 374; vom 10. September 1986 II R 9/84, BFH/NV 1987, 737; vom 22. Juli 1987 II R 92/85, BFH/NV 1988, 664; Senatsbeschluß vom 8. September 1993 II B 164/92, BFH/NV 1994, 407, und Senatsurteil in BFH/NV 1994, 267). Da sich die Prüfungspflicht des FA nicht auf die Voraussetzungen der endgültigen Steuerbefreiung erstreckt, gilt dies selbst dann, wenn die Unmöglichkeit der Herbeiführung des Begünstigten offensichtlich sein sollte (bisher offengelassen, vgl. BFH-Entscheidung in BFHE 143, 163, BStBl II 1985, 374; Senatsbeschluß vom 23. Juni 1993 II B 23/93, BFH/NV 1994, 268). Im Streitfall ist daher die Steuer frühestens mit der Fertigstellung des Bauvorhabens durch die Veräußererseite im Jahre 1981 entstanden.
b) Die Festsetzungsfrist hätte somit bei normalem Lauf mit Ablauf des Jahres 1981 begonnen, weil mit der Fertigstellung des Gebäudes der Nacherhebungstatbestand nach § 3 Abs.4 GrEStWoBauG (Aufgabe des begünstigten Zwecks) erfüllt war, und hätte mit Ablauf des Jahres 1985 geendet (§ 169 Abs.2 Satz 1 Nr.2, § 170 Abs.1 AO 1977). Der 1986 ergangene Steuerbescheid wäre mithin verspätet gewesen. Nach § 16a Satz 2 GrEStG war jedoch im Streitfall der Beginn der Festsetzungsfrist gehemmt. Nach dieser Vorschrift beginnt die Festsetzungsfrist, wenn von den Beteiligten eine für Zwecke der Grunderwerbsteuer vorgeschriebene Anzeige nicht rechtzeitig eingegangen ist, nicht vor Ablauf des Jahres, in dem das FA Kenntnis von dem steuerpflichtigen Vorgang erhalten hat, spätestens jedoch fünf Jahre nach dem Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden ist. Diese Voraussetzungen für eine Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist sind im Streitfall verwirklicht. Der Kläger hat in seinem Antrag, der der materiell vorläufigen Steuerfreistellung durch das FA zugrunde lag, die Absicht bekundet, auf dem von ihm erworbenen Grundstück selbst ein begünstigtes Gebäude zu errichten. Durch die nicht ihm, sondern grunderwerbsteuerrechtlich der Veräußererseite zuzurechnende Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück ist eine Verwirklichung dieser Absicht endgültig vereitelt und damit die Herbeiführung des begünstigten Zwecks durch den Kläger objektiv aufgegeben worden. Da sein Erwerb (antragsgemäß) von der Besteuerung materiell vorläufig ausgenommen worden war, hätte er dies nach § 19 Abs.3 Satz 1 Nr.2 GrEStG dem FA förmlich anzeigen müssen. Die grunderwerbsteuerrechtliche Anzeigepflicht der Beteiligten besteht unabhängig davon, ob und inwieweit diese die Grunderwerbsteuerpflichtigkeit des Rechtsvorgangs (= im Streitfall Wegfall der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung) erkannt haben bzw. wußten, daß insoweit eine Anzeigepflicht bestand. Denn die gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Anzeige der der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgänge ist wie die gesetzlich normierte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen eine objektive, die unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten besteht. Auch die Rechtsfolge der Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 16a Satz 2 GrEStG tritt unabhängig von subjektiven Momenten schon bei objektiver Anzeigepflichtverletzung ein (Senatsurteil vom 25. März 1992 II R 46/89, BFHE 167, 448, BStBl II 1992, 680, 684, m.w.N.). Die Anzeigepflicht nach § 19 Abs.3 Satz 1 Nr.2 GrEStG entfällt in einem derartigen Fall auch nicht dadurch, daß dem FA bereits bei der Entscheidung über die materiell vorläufige Freistellung das gesamte oder doch das nahezu gesamte Vertragswerk vorlag, noch kann die Anzeigepflicht als durch die nach Verwirklichung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs erfolgte Vorlage des Vertragswerks als erfüllt angesehen werden. Die Kenntnis des Vertragswerks durch das FA steht der Hemmung des Anlaufs der Festsetzungsfrist nach § 16a Satz 2 GrEStG nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1994, 407).
Eine Ausnahmesituation, wie sie dem Beschluß des Senats vom 18. Dezember 1991 II B 91/91 (BFH/NV 1992, 771) zugrunde gelegen hat, und die zu einem Wegfall der sonst bestehenden Anzeigepflicht führen kann, besteht im Streitfall nicht. Ausschlaggebend für die Überlegungen des Senats in diesem Beschluß war, daß dem FA in diesem Fall nicht nur das vollständige Vertragswerk vorgelegen, sondern daß es auch vor der vorläufigen Freistellung des Erwerbs in einer für den Antragsteller erkennbaren Weise tatsächliche Ermittlungen zur Prüfung der Frage vorgenommen hat, ob bei plangemäßer Verwirklichung des Vertragskonzepts der begünstigte Zweck durch den Antragsteller auch erfüllt werden kann. Diese zweite Voraussetzung ist im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Allein das Vorliegen des Vertragswerks schließt das Bestehen der Anzeigepflicht nicht aus (Senatsbeschluß in BFH/NV 1994, 407, und in BFH/NV 1994, 268).
Objektiv war der Kläger daher gehalten, dem FA unter Bezugnahme auf seinen ursprünglichen Antrag auf Steuerbefreiung anzuzeigen, daß er seine in dem Antrag bekundete Absicht, auf dem Grundstück selbst ein begünstigtes Gebäude zu errichten, durch eine grunderwerbsteuerrechtlich der Veräußererseite zuzurechnende Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück aufgegeben habe. Da er dies nicht getan hat, ist nach § 16a Satz 2 GrEStG die Rechtsfolge der Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist eingetreten. Die Festsetzungsfrist für die mit Ablauf des Jahres 1981 entstandene Grunderwerbsteuer war daher zum Zeitpunkt des Steuerbescheids im Jahre 1986 noch nicht abgelaufen.
Fundstellen
Haufe-Index 65973 |
BFH/NV 1996, 346 |
BStBl II 1996, 485 |
BFHE 180, 474 |
BFHE 1997, 474 |
BB 1996, 1758 (L) |
DB 1996, 1906 (L) |
DStR 1996, 1646-1647 (KT) |
DStZ 1996, 602-603 (KT) |
HFR 1996, 751-752 (L) |
StE 1996, 547 (K) |