Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung: Angemessenheit von Gehalts- und Tantiemezahlungen an Gesellschafter-Geschäftsführer
Leitsatz (NV)
Bestätigung des BFH-Urteils vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549:
1. Soweit Tantiemeversprechen einer GmbH gegenüber mehreren Gesellschafter- Geschäftsführern insgesamt den Satz von 50 v. H. des Jahresüberschusses übersteigen, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung.
2. Die unübliche Höhe einer Gewinntantieme rechtfertigt es nicht, dieselbe insgesamt als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln. Nur der unangemessen hohe Tantiemeanteil ist verdeckte Gewinnausschüttung.
3. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Gewinntantieme ist von der Höhe der angemessenen Jahresgesamtbezüge auszugehen, die die GmbH bei normaler Geschäftslage ihrem Geschäftsführer zu zahlen in der Lage und bereit ist. Die Jahresgesamtbezüge sind in ein Festgehalt (in der Regel mindestens 75 v. H.) und in einen Tantiemeteil (in der Regel höchstens 25 v. H.) auf zuteilen. Der variable Tantiemeteil ist in Relation zu dem erwarteten Durchschnittsgewinn auszudrücken.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Am Stammkapital der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, sind A mit 51 v. H. und B mit 49 v. H. beteiligt. Beide sind auch Geschäftsführer und erhielten hierfür aufgrund gleichlautender Vereinbarungen vom 28. Januar 1991 ein festes Monatsgehalt von je ... DM sowie eine Tantieme von je 30 v. H. des körperschaftsteuerpflichtigen Gewinns vor Abzug der Tantiemen und nach Verrechnung etwaiger Verlustvorträge. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) behandelte diese Tantieme in vollem Umfang als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA).
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage der Klägerin ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 391 veröffentlicht.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 128 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung einer Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Entsprechend kann auch eine Gewinntantieme, die die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zu zahlen verspricht, vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sein, wenn sie -- dem Grunde und/oder der Höhe nach -- nicht dem entspricht, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Kapitalgesellschaft deren Geschäftsführer als Tätigkeitsentgelt versprechen würde. Daneben kommt die Annahme einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nur dann in Betracht, wenn die Tantiemezahlungen im Einzelfall bei Würdigung aller Umstände die wirtschaftliche Funktion einer Gewinnausschüttung haben (vgl. BFH-Urteile vom 2. Dezember 1992 I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311, und vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549).
2. Im Streitfall ist die Veranlassung der Tantiemezahlung durch das Gesellschaftsverhältnis nach dem Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu beurteilen. Was dessen Maßstab anbelangt, so ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß es für die Angemessenheit der Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers keine festen Regeln gibt (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854; in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549). Die obere Grenze ist im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln. Inner- und außerbetriebliche Merkmale können einen Anhaltspunkt für die Schätzung bilden.
Beurteilungskriterien sind Art und Umfang der Tätigkeit, die künftigen Ertragsaussichten des Unternehmens, das Verhältnis des Geschäftsführergehalts zum Gesamtgewinn und zur verbleibenden Kapitalverzinsung sowie Art und Höhe der Vergütungen, die gleichartige Betriebe ihren Geschäftsführern für entsprechende Leistungen gewähren. Die Schätzung obliegt grundsätzlich dem FG (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dabei zählt es zum Bereich der vom FG zu treffenden Sachverhaltsfeststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO), welchen Kriterien der Vorrang zur Beurteilung der Angemessenheit der Geschäftsführervergütung im Einzelfall beizumessen ist.
Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG in dem Versprechen von Gewinntantiemen in Höhe von zweimal 30 v. H. des steuerlichen Jahresüberschusses ein starkes Indiz für die Annahme einer vGA gesehen hat. Wie der Senat kürzlich in seinem Urteil in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 498 entschieden hat, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Annahme einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, wenn Tantiemeversprechen gegenüber mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern insgesamt den Satz von 50 v. H. des Jahresüberschusses übersteigen. Derart hohe Gewinntantiemen haben im Zweifel den Charakter einer "Gewinnabschöpfung". Dies gilt zumal auch dann, wenn kein Jahresüberschuß bestimmt wird, der der Kapitalgesellschaft auch nach Abzug der Tantiemen mindestens verbleiben muß.
3. Wie der Senat ebenfalls in dem Urteil in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 498 entschieden hat, rechtfertigt jedoch nicht die unübliche Höhe der Gewinntantieme als solche -- unabhängig von der Gesamtausstattung des Geschäftsführers -- deren Behandlung insgesamt als vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Ist das Tantiemeversprechen nicht ausnahmsweise schon dem Grunde nach unüblich, so führt seine unangemessene Höhe nur zu einer Umqualifizierung des unangemessen hohen Tantiemeanteils in eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne der vorgenannten Vorschrift.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Gewinntantieme ist dabei von der Höhe der angemessenen Jahresgesamtbezüge auszugehen, die die GmbH bei normaler Geschäftslage ihrem Geschäftsführer zu zahlen in der Lage und bereit ist. Die Jahresgesamtbezüge sind in ein Festgehalt von in der Regel 75 v. H. und in einen Tantiemeteil von in der Regel höchstens 25 v. H. aufzuteilen. Der variable Tantiemeteil ist in Relation zu dem erwarteten Durchschnittsgewinn auszudrücken. Im einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Senatsurteil in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549 Bezug genommen.
4. Das FG ist demgegenüber dem FA gefolgt und hat die Gewinntantiemen in voller Höhe als vGA behandelt, ohne die Angemessenheit der Bezüge weiter zu prüfen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es sind im 2. Rechtsgang weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen. Die Sache war zu diesem Zweck an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 421016 |
BFH/NV 1996, 437 |