Leitsatz (amtlich)
Bei sogenannten buy-back-Fahrzeugen, die an Selbstfahrer vermietet werden, liegt eine Zuführung zur Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen vor, die Selbstverbrauchsteuer auslöst.
Normenkette
UStG 1967 § 30 Abs. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 7; AktG § 151 Abs. 1, § 152 Abs. 1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Klägerin, Revisionsklägerin) vermietet Pkw an Selbstfahrer. Sie erwarb im Juni/Juli 1968 im sogenannten buy-back-Verfahren ... fabrikneue Fahrzeuge. Die Verkäuferin verpflichtete sich, die Fahrzeuge - soweit diese sich in einem einwandfreien Zustand befanden - frühestens nach Ablauf von 3 Monaten zurückzukaufen (buy-back). Beim Rückkauf mußte die Steuerpflichtige Abschläge vom Einkaufspreis hinnehmen, die mit fortschreitender Rückgabezeit anstiegen. Die Steuerpflichtige "verpflichtete" sich anläßlich der Auslieferung der ersten Fahrzeuge gegenüber der Verkäuferin, sämtliche bestellten Fahrzeuge "bis spätestens 31. Dezember 1968 ... zurückzuliefern", soweit die Fahrzeuge "nicht Totalschaden erlitten haben oder durch Diebstahl oder Unterschlagung unserer Verfügungsgewalt entzogen werden". Dementsprechend wurde verfahren. Die Steuerpflichtige gab noch vor Jahresende 1968 die Fahrzeuge zurück, mit Ausnahme von ... Kraftwagen, die Totalschaden erlitten hatten.
Das FA (Beklagter, Revisionsbeklagter) behandelte in einem vorläufigen Umsatzsteuerbescheid für 1968 vom 7. August 1969 den Einsatz der Fahrzeuge im Betrieb der Steuerpflichtigen als selbstverbrauchsteuerpflichtigen Vorgang, nachdem es zuvor in einem Auskunftschreiben vom 19. Dezember 1968 eine Selbstverbrauchsteuerpflicht verneint hatte; es kürzte aber die Umsatzsteuer nach § 30 Abs. 7 UStG 1967 um 8 v. H. der Rückverkaufspreise.
Die Sprungklage blieb erfolglos. Das FG, dessen Urteil in den EFG 1971, 416 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Die Fahrzeuge seien Anlagevermögen geworden. Unerheblich sei, daß die Steuerpflichtige eine baldige Veräußerung geplant habe. Die Fahrzeuge seien auch keine Wirtschaftsgüter gewesen, deren Anschaffungskosten 1968 in voller Höhe als Betriebsausgaben hätten abgesetzt werden dürfen. Diese Bedingung erfüllten nur die geringwertigen Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG und die abnutzbaren körperlichen Wirtschaftsgüter, deren betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer erfahrungsgemäß weniger als ein Jahr betrage (§ 7 Abs. 1 EStG). Die Fahrzeuge seien nicht geringwertig. Ihre betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer überschreite ein Jahr. Das FA sei nicht nach Treu und Glauben an seine Auskunft vom 19. Dezember 1968 gebunden. Diese Auskunft habe allenfalls die Dispositionen der Steuerpflichtigen in 1969 beeinflussen können.
Die Steuerpflichtige hat Revision eingelegt und den nach Einlegung der Revision ergangenen endgültigen Steuerbescheid vom 13. April 1971 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Sie macht geltend: Die im buyback-Verfahren gekauften Fahrzeuge seien nicht Anlagevermögen geworden, weil sie im Betrieb weniger als ein Jahr genutzt worden seien. In dem vergleichbaren Fall, daß Vorführwagen im Kraftfahrzeughandel weniger als ein Jahr genutzt würden, verneine die Finanzverwaltung eine Selbstverbrauchsteuerpflicht. Auch hätten die Anschaffungskosten noch 1968 in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können. Die Nutzung der Fahrzeuge habe 1968 begonnen und geendet. Dies sei von vornherein beabsichtigt gewesen. Es komme nicht darauf an, daß die Wirtschaftsgüter länger nutzbar gewesen wären.
Die Revision ist unbegründet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 liegt Selbstverbrauch vor, wenn ein Unternehmer körperliche Wirtschaftsgüter, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im Jahr der Anschaffung oder Herstellung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, im Inland der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt.
Die Steuerpflichtige setzte die Fahrzeuge als Anlagevermögen ein. Der Senat hat in dem Urteil V R 49/70 vom 1. Oktober 1970 (BFH 100, 272, BStBl II 1971, 34) ausgeführt, daß der Begriff des Anlagevermögens nach einkommensteuerlichen Grundsätzen zu bestimmen ist. Danach rechnen zum Anlagevermögen die Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt sind (§ 152 Abs. 1 Satz 1 AktG). Das sind die zum Gebrauch bestimmten Wirtschaftsgüter. Zum Umlaufvermögen gehören hingegen die Wirtschaftsgüter, die in einem einmaligen Akt veräußert oder verbraucht werden sollen. Der I. Senat des BFH hat Fahrzeuge, die an Selbstfahrer vermietet werden, dem Anlagevermögen zugerechnet und entschieden, die Kraftwagen seien auch nicht deswegen Umlaufvermögen, weil sie infolge des Geschäftsprinzips des Unternehmers, immer voll einsatzbereite und zuverlässige Fahrzeuge zu vermieten, schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit veräußert werden müßten; die Veräußerung sei keine Eigentümlichkeit des Geschäftsbetriebs (BFH-Urteil I 63/60 S vom 2. Mai 1961, BFH 73, 744, BStBl III 1961, 537, vgl. auch BFH-Urteil I 366/62 U vom 13. April 1965, BFH 82, 466, BStBl III 1965, 416 für die Omnibusse eines Personenbeförderungsunternehmens). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Der I. Senat des BFH hatte allerdings nur über Fahrzeuge zu urteilen, die in der Regel nach 18 Monaten veräußert wurden. Aber auch Wirtschaftsgüter, die wie hier innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb wieder veräußert werden sollen, sind Anlagevermögen (anderer Auffassung Mellerowiez in Gadow-Heinichen, Aktiengesetz, Großkommentar, 3. Aufl. 1970 § 152 Anm. 2; Münch, Die steuerliche Problematik des gewerblichen Betriebsvermögens 1967 S. 71 f.; Schäfer, Die Unternehmung, 7. Aufl., 1970 S. 144). Die Ansicht der genannten Autoren beruht auf der betriebswirtschaftlichen Auffassung, daß sich Anlage- und Umlaufvermögen letztlich nur durch die Dauer unterscheiden, in der sich bei ihnen der Geldwerdungsprozeß vollzieht, was dazu führen muß - entgegen dem Gliederungsschema des § 151 Abs. 1 AktG -, langfristig gebundenes Vorratsvermögen (eiserne Bestände, ständig verfügbare Warenvorräte) dem Anlagevermögen zuzurechnen (so ausdrücklich auch Schäfer, a. a. O., S. 145). Der Senat vermag dem nicht zu folgen. Die vorgesehene Art - nicht Dauer - des Dienens für den Betrieb entscheidet über die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Anlage- oder Umlaufvermögen. Zum Anlagevermögen gehören die Gebrauchsgüter, zum Umlaufvermögen die Verbrauchsgüter (Ruchti in Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Stichwort "Anlagevermögen und Anlagebuchhaltung"; Blumer-Graf, Kaufmännische Bilanz und Steuerbilanz, 2. Aufl., 1965 S. 21). Ein Gebrauchsgut liegt schon bei der Absicht mehrmaliger Nutzung vor, während die Absicht einmaliger Nutzung Umlaufvermögen begründet (Blumer-Graf, a. a. O., S. 20).
Die Gegenmeinung läßt sich nicht aus der Verwendung des Wortes "dauernd" in § 152 Abs. 1 Satz 1 AktG begründen. Dieser Begriff ist nicht absolut zu verstehen (ebenso Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 1968, § 152 Anm. 3). Wäre er es, müßte - wie bereits dargelegt - langfristig gebundenes Vorratsvermögen als Anlagevermögen behandelt werden. Das widerspricht aber eindeutig § 151 Abs. 1 AktG, der Vorräte unter Umlaufvermögen anführt. Sonach kann der Begriff des Anlagevermögens auch nach dem AktG nur aus seinem Gegensatz zum Umlaufvermögen erfaßt werden. Beide Vermögensarten schließen einander aus; zwischen ihnen gibt es keine dritte Vermögensart. Von diesem Gegensatz gehen außer § 151 Abs. 1 AktG auch die §§ 28, 30 UStG 1967 aus. Wenn aber das Umlaufvermögen durch seine natürliche Beweglichkeit gekennzeichnet ist (Le Coutre im Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Stichwort "Umlaufvermögen") und sich dieses in einem einmaligen betrieblichen Akt erschöpft (Veräußerung, Verbrauch, Einmalnutzung), kann "dauernd" nicht anders als mehrmalig verstanden werden.
Der Standpunkt der Steuerpflichtigen läßt sich auch nicht aus § 7 EStG herleiten. Nach dieser Vorschrift sind AfA für Wirtschaftsgüter vorzunehmen, deren Verwendung oder Nutzung sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum "von mehr als einem Jahr erstreckt". Selbst wenn hieraus zu folgern wäre, daß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von nicht mehr als einem Jahr als Betriebsausgaben sofort abgesetzt werden dürften (Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7 EStG Anm. 4; zweifelnd Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl., §§ 4, 5 Tz. 372), könnten diese Wirtschaftsgüter nicht als Umlaufvermögen angesehen werden. § 7 EStG wird in der grundlegenden Bewertungsvorschrift des § 6 EStG lediglich in Abs. 1 Nr. 1 erwähnt, der die Bewertung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens regelt, nicht aber in Abs. 1 Nr. 2, der die Bewertung des Umlaufvermögens betrifft. § 7 EStG setzt sonach - die hier vertretene Auffassung bestätigend - voraus, daß auch Wirtschaftsgüter mit einer Nutzungsdauer von nicht mehr als einem Jahr Anlagevermögen sein können. Demgemäß wird in der Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 2 EStG 1925, der § 7 EStG 1934 ff. vorrangig, gesprochen von "Gegenständen des Anlagekapitals, die zur dauernden Verwendung und solchen, die nicht zur dauernden Verwendung bestimmt sind", wobei unter letzteren schon damals "im allgemeinen" Wirtschaftsgüter verstanden wurden, deren "Verwendbarkeit ein Jahr nicht übersteigt" (Reichstagsdrucksache 1924/25 Nr. 795 S. 47).
Zutreffend ist das FG auch zu dem Ergebnis gekommen, daß die Anschaffungskosten der Fahrzeuge nicht schon im Anschaffungsjahr 1968 nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden durften. Eine volle Absetzbarkeit der Anschaffungskosten scheitert schon daran, daß die Fahrzeuge nach den im vorhinein bekundeten Plänen der Steuerpflichtigen noch im gleichen Jahr an die Verkäuferin zurückveräußert, also nach der letztmaligen Vermietung Umlaufvermögen werden sollten. Umlaufvermögen kann aber nicht über den Teilwert hinaus abgeschrieben werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Zum mindesten dann, wenn wie hier der Teilwert von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Zeitpunkt der mutmaßlichen Veräußerung im Vergleich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten erheblich ins Gewicht fällt (im vorliegenden Fall ca. 80 % der Anschaffungskosten), kommt eine volle Absetzung nicht in Betracht, es sei denn, sie sei ausdrücklich zugelassen (so z. B. in § 6 Abs. 2 EStG für die geringwertigen Wirtschaftsgüter). Aus ähnlichen Erwägungen hat der Große Senat des BFH verlangt, daß ein erheblich ins Gewicht fallender Schrottwert bei der Bemessung der AfA nach § 7 EStG zu berücksichtigen ist (BFH-Beschluß Gr. S. 1/67 vom 7. Dezember 1967, BFH 91, 93, BStBl II 1968, 268).
Die Selbstverbrauchsteuerschuld für die Ingebrauchnahme der buy-back-Fahrzeuge war bereits mit Ablauf der Voranmeldungszeiträume Juni und Juli 1968 entstanden (§ 30 Abs. 6 UStG 1967), so daß die vom FA im Dezember 1968 erteile Auskunft ohne Einfluß auf die Dispositionen der Steuerpflichtigen bleiben mußte. Die Frage, ob Vorführwagen als Anlage- oder Umlaufvermögen anzusehen sind (vgl. dazu Herrmann-Heuer, a. a. O., § 4 EStG Anm. 24 Stichwort "Vorführwagen") steht nicht zur Entscheidung. Eine möglicherweise unrichtige verwaltungsmäßige Behandlung der Vorführwagen hindert das FA nicht, Selbstverbrauchsteuer für die Ingebrauchnahme von buy-back-Fahrzeugen anzufordern.
Fundstellen
BStBl II 1972, 744 |
BFHE 1972, 142 |