Leitsatz (amtlich)
Der Beschluß der Gesellschafter einer OHG über die Gründung einer Aktiengesellschaft und die Übertragung des Vermögens der OHG auf diese Gesellschaft im Wege der Umwandlung unterliegt insoweit der Börsenumsatzsteuer, als zum Gesamthandsvermögen im Zeitpunkt der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister Wertpapiere i. S. des § 19 KVStG 1959 gehören.
Normenkette
KVStG 1959 §§ 17, 18 Abs. 1, 2 Nrn. 1-2, § 19
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, ist im Wege der Umwandlung aus einer offenen Handelsgesellschaft "hervorgegangen". Den Umwandlungsbeschluß haben die Gesellschafter der OHG im Oktober 1971 gefaßt. Er enthielt die Gründung der Klägerin als Aktiengesellschaft und die Feststellung der Satzung sowie die Übertragung des Vermögens der OHG auf die Klägerin. Diese ist im November 1971 in das Handelsregister eingetragen worden.
Zum Vermögen der OHG gehörten u. a. eine 100 %ige Beteiligung an der A GmbH und eine 100 %ige Beteiligung an der B GmbH.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in dem Umwandlungsbeschluß insoweit, als er die Übertragung von Wertpapieren auf die Klägerin betraf, ein börsenumsatzsteuerpflichtiges Anschaffungsgeschäft i. S. der §§ 17, 18 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1959. Er setzte wegen der Übertragung der Anteile an der A GmbH durch gemäß § 100 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) a. F. vorläufigen Steuerbescheid Börsenumsatzsteuer fest. Der Bescheid war vorläufig wegen des Wertes der Anteile. Am 9. Februar 1973 erließ er sodann wegen der Anteile an der B GmbH einen gemäß § 100 Abs. 2 AO a. F. vorläufigen Steuerbescheid. 1977 schließlich erließ das FA nach einer Kapitalverkehrsteuerprüfung wegen der Anteile an der A GmbH einen nach § 165 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) berichtigten und endgültigen Bescheid und wegen der Anteile an der B GmbH einen gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 berichtigten und vorbehaltslosen Steuerbescheid.
Gegen beide Bescheide hat die Klägerin ohne Erfolg Einspruch eingelegt.
Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) die angefochtenen Steuerbescheide nebst Einspruchsentscheidungen aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Umwandlungsbeschluß der Gesellschafter der früheren OHG unterliegt der Börsenumsatzsteuer gemäß §§ 17, 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959, soweit auf Grund dieses Beschlusses mit der Eintragung der Klägerin in das Handelsregister im Rahmen des Vermögensüberganges gemäß § 44 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (UmwG) Wertpapiere i. S. des § 19 KVStG 1959 auf die Klägerin übergegangen sind. Unerörtert bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob die Börsenumsatzsteuer auch aus § 18 Abs. 2 Nr. 2 KVStG 1959 folgt, oder ob sie ggf. auch unmittelbar dem § 18 Abs. 1 KVStG 1959 zu entnehmen wäre und ob bzw. inwieweit die Einfügung des Absatzes 2 Nrn. 1 und 2 in das Kapitalverkehrsteuergesetz im Jahre 1934 auf die Auslegung des Absatzes 1 des § 18 KVStG zurückwirkt (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 9. März 1977 II R 19-20/76, BFHE 122, 348, BStBl II 1977, 658).
Anschaffungsgeschäfte, die eine Börsenumsatzsteuerpflicht auslösen, sind nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 auch Geschäfte, die das Einbringen von Wertpapieren u. a. in eine Kapitalgesellschaft zum Gegenstand haben. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall erfüllt. Geschäft i. S. dieser Vorschrift ist der Umwandlungsbeschluß vom Oktober 1971. Er hatte die Gründung der Klägerin und die Übertragung des Vermögens der früheren OHG auf die Klägerin zum Gegenstand (vgl. § 40 UmwG) und erfüllte damit hinsichtlich der im Zeitpunkt des Vermögensüberganges zum Vermögen der OHG gehörenden Wertpapiere die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959, der vornehmlich Sacheinlagen bei der Gründung und der Kapitalerhöhung erfaßt (vgl. hierzu die Regierungsbegründung zum Kapitalverkehrsteuergesetz 1934 im RStBl 1934, 1460, 1475). Die Verwendung des Begriffes "Einbringen" bezeichnet einen Vorgang auf gesellschaftsrechtlicher Ebene (vgl. hierzu das Urteil des Reichsfinanzhofs [RFH] vom 3. November 1931 II A 226/31, Steuer und Wirtschaft 1932 Nr. 512 - StuW 1932 Nr. 512 -, vgl. ferner § 13 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG - 1940).
Daß im vorliegenden Fall das Einbringen des Vermögens der früheren OHG in die Klägerin nicht wie bei einer normalen Sachgründung auf einen (einen Teil der Satzung bildenden) Einbringungsvertrag zurückgeht (vgl. Barz in Großkommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., § 27 Anm. 3), sondern auf einen Beschluß der Gesellschafter der früheren OHG, schließt die Anwendung des § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 nicht aus. Diese Vorschrift setzt ihrem Wortlaut nach keinen Vertrag voraus. Der verwendete umfassendere Begriff des Geschäfts erfaßt auch Beschlüsse. Im übrigen hat der Senat bereits zu § 18 Abs. 1 KVStG 1959 erklärt, daß diese Vorschrift nicht nur auf gegenseitige Verträge anwendbar sei, sondern gegebenenfalls auch auf Beschlüsse (vgl. BFHE 122, 348, BStBl II 1977, 658, im Gegensatz zu dem vorangegangenen Urteil des Senats vom 19. Dezember 1973 II R 172/72, BFHE 112, 78, BStBl II 1974, 400).
Die Beurteilung des Umwandlungsbeschlusses als eines Geschäftes, das das Einbringen von Wertpapieren in eine Kapitalgesellschaft zum Gegenstand hat, wird auch nicht dadurch gehindert, daß das gesamte in der OHG zusammengefaßte Sondervermögen der Gesellschafter der OHG und nicht nur die Wertpapiere übergehen sollten. Rechtsgeschäfte, die sich auf den Erwerb des gesamten Vermögens beziehen, sind jeweils insoweit börsenumsatzsteuerpflichtig, als zu dem Vermögen Wertpapiere i. S. des § 19 KVStG 1959 gehören (so schon zum Anschaffungsstempel des Reichsstempelgesetzes das Urteil des Reichsgerichts [RG] vom 10. Dezember 1907 Rep VII 101/07, RGZ 67, 197, 200, vgl. ferner das Urteil des Senats vom 19. Oktober 1977 II R 92/73, BFHE 124, 82, BStBl II 1978, 187, wo dies ohne weitere Begründung als selbstverständlich angenommen wird).
Die Entstehung der Börsenumsatzsteuer wird nicht dadurch gehindert, daß der Umwandlungsbeschluß nicht zur Einzelübertragung der Vermögensgegenstände der OHG auf die Klägerin führte, sondern die Gesamtrechtsnachfolge hinsichtlich des Vermögens der OHG gemäß § 44 Abs. 1 UmwG herbeiführte. Es sind keine rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar, die wegen der Gesamtrechtsnachfolge zur Verneinung des Vorliegens eines Einbringungsgeschäftes i. S. des § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 führen könnten. Der Umwandlungsbeschluß enthält die Erklärung der Gesellschafter der früheren OHG, das Gesellschaftsvermögen auf die neu zu gründende Klägerin zu übertragen. Er bildet damit den Rechtsgrund für den nachfolgenden Vermögensübergang. Er ist deshalb ein Geschäft (auch) schuldrechtlichen Inhalts, das die Verpflichtung aller Gesellschafter und der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates auslöst, den Umwandlungsbeschluß zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 43 Abs. 3 UmwG) und dadurch den Vermögensübergang kraft Gesetzes auszulösen, der mit der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister eintritt (vgl. § 44 Abs. 1 UmwG).
Daß auch Einbringungsgeschäfte, die zur Gesamtrechtsnachfolge führen, unter den Begriff des Einbringens fallen, war schon die Auffassung des RG zum Reichsstempelgesetz (vgl. u. a. das Urteil vom 27. September 1912 Rep. VII 181/12, RGZ 80, 168, 171). Hiervon ist auch der Gesetzgeber stets ausgegangen (vgl. z. B. § 19a Abs. 2 GrEStG 1919 i. d. F. der Notverordnung vom 1. Dezember 1930). Insbesondere liegt diese Auffassung der Börsenumsatzsteuerbefreiungsvorschrift des § 10 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) vom 11. Oktober 1957 (BGBl I, 1713) zugrunde.
Aus dem Urteil des Senats (BFHE 112, 78, BStBl II 1974, 400) kann gegen die hier vertretene Auffassung nichts hergeleitet werden. Dort hat der Senat bei der Umwandlung einer Gewerkschaft auf einen Gesellschafter die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 verneint. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden Fall deshalb nicht vergleichbar, weil im vorliegenden Fall das Vermögen der früheren OHG in die neu gegründete AG gegen Gesellschaftsrechte eingebracht worden ist, in jenem Fall aber das Vermögen einer Gewerkschaft auf einen Gewerken überging.
Ob im vorliegenden Fall Börsenumsatzsteuer auch aus § 18 Abs. 2 Nr. 2 KVStG 1959 im Hinblick auf die Auflösung der früheren OHG im Zuge der Umwandlung (vgl. § 44 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UmwG) entstanden ist, kann offenbleiben (wegen vergleichbarer Fälle beim früheren Reichsstempelgesetz vgl. das Urteil des RFH vom 19. Mai 1922 II A 59/22, RFHE 9, 273 mit weiteren Nachweisen). Offenbleiben kann deshalb im vorliegenden Fall auch, ob der Senat an der im Urteil in BFHE 112, 78, BStBl II 1974, 400, zur Nichtanwendung des § 18 Abs. 2 Nr. 2 KVStG 1959 auf die Umwandlung einer Gewerkschaft auf einen Gewerken vertretenen Auffassung noch festzuhalten vermag.
Die Klägerin ist gemäß § 25 KVStG 1959 Schuldnerin der entstandenen Börsenumsatzsteuer. Nach dieser Vorschrift sind Steuerschuldner bei Privatgeschäften die Vertragsteile als Gesamtschuldner. Vertragsteile in diesem Sinne sind bei Einbringungsvorgängen i. S. des § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 die Personen, zwischen denen der Eigentumswechsel stattfindet. Das ist auch die neu gegründete Aktiengesellschaft, obwohl sie bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages noch nicht entstanden war. Ihr steht jedoch der Anspruch auf die Einlagen zu. Nichts anderes kann in dem Fall gelten, in dem die Entstehung der Aktiengesellschaft und der Vermögensübergang wie bei der Umwandlung einer OHG in eine Aktiengesellschaft zeitlich zusammenfallen.
Fundstellen
Haufe-Index 73505 |
BStBl II 1980, 378 |
BFHE 1980, 195 |
NJW 1980, 2328 |