Leitsatz (amtlich)
Lehnt das FA einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich teilweise ab und erstattet es einen Betrag an den Steuerpflichtigen, ohne einen schriftlichen Bescheid nach § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) zu erteilen, so hat es, da eine wirksame Verfügung über den Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht ergangen ist, die Erteilung des schriftlichen Bescheids nachzuholen. Der Anspruch des Antragstellers hierauf ist unbefristet.
Normenkette
AO § 150 Abs. 2; JAV § 4 Abs. 6
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1966 einen Teil der vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) geltend gemachten Werbungskosten nicht an. Den Erstattungsbetrag zahlte er am 27. Juni 1967 aus. Eine vorherige Mitteilung und ein schriftlicher Bescheid über die teilweise Ablehnung des Antrags des Klägers sind nicht ergangen. Am 16. September 1968 beantragte der Kläger, den Bescheid nach § 4 Abs. 6 der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich (JAV) nachträglich zu erteilen. Der Antrag wurde vom FA abgelehnt. Die nach erfolgloser Beschwerde erhobene Klage hatte Erfolg.
Das FG führte aus, der Bescheid sei nach § 150 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 4 Abs. 6 JAV zu erteilen. Bisher habe der Kläger keinen Bescheid über die teilweise Ablehnung des Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich erhalten. Die Auszahlung des Erstattungsbetrags an den Kläger sei kein solcher Bescheid im Sinne des § 4 Abs. 6 JAV. Der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Bescheids sei auch nicht durch Zeitablauf untergegangen. § 237 Abs. 2 AO sei nicht anwendbar, da dieser voraussetze, daß ein Bescheid ohne Rechtbehelfsbelehrung ergangen sei. Im vorliegenden Fall sei aber kein Bescheid erteilt worden. § 237 Abs. 2 AO sei auch nicht entsprechend anwendbar. Wenn nämlich überhaupt kein Bescheid erteilt werde, sei dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit genommen, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Behandlung seines Antrags durch das FA zu untersuchen. Da der Steuerpflichtige davon ausgehen könne, daß das FA sich gesetzmäßig verhalte, könne es ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn er das gesetzwidrige Verhalten des FA aus Unkenntnis der Sachlage nicht innerhalb einer bestimmten Frist angreife. Schließlich sei der Anspruch des Klägers auch nicht verwirkt.
Mit der Revision trägt das FA vor, in der Bekanntgabe der erstatteten Lohnsteuer liege ein Bescheid nach § 150 Abs. 2 AO, § 4 Abs. 6 JAV, weil die schriftlich ergangene Mitteilung über den Erstattungsbetrag (Überweisungsabschnitt) alle formalen Mindesterfordernisse eines Bescheids enthalte. Insbesondere seien Erstattungsberechtigter und Erstattungsbetrag bestimmt. Die Begründung der teilweisen Ablehnung sei kein zwingendes Erfordernis, dessen Fehlen die Nichtigkeit des Bescheids zur Folge habe. Da der Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalte, sei nach § 237 Abs. 1 AO eine Rechtsbehelfsfrist nicht in Lauf gesetzt worden. Nachdem der Kläger aber innerhalb der Jahresfrist des § 237 Abs. 2 AO keinen Einspruch erhoben habe, sei der Bescheid unanfechtbar geworden.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) ist ein schriftlicher, mit einer Belehrung über den Rechtsbehelf versehener Bescheid zu erteilen, wenn ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich ganz oder - wie im Streitfall - teilweise abgelehnt wird. Dem FG ist zuzustimmen, daß dem Kläger ein solcher Bescheid über seinen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1966 nicht wirksam erteilt worden ist. Das FA hat zwar eine schriftliche Verfügung über den Antrag des Klägers angefertigt, diese Verfügung ist dem Kläger aber nicht bekanntgegeben und damit auch nicht wirksam geworden (§ 91 Abs. 1 AO). Wie das FG auch zutreffend ausgeführt hat, kann die auf Grund der Verfügung erfolgte Auszahlung des Erstattungsbetrages an den Kläger nicht als Bekanntgabe der Verfügung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich angesehen werden. Für die Bekanntgabe eines schriftlichen Bescheids ist nämlich die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung der in den Akten des FA verbleibenden schriftlichen Verfügung erforderlich. Dies ist im Streitfall nicht geschehen; denn entgegen der Auffassung des FA ist die schriftliche Mitteilung des erstatteten Betrags auf dem Überweisungsabschnitt (Postoder Banküberweisungsabschnitt) keine solche schriftliche Ausfertigung der Verfügung. Dabei kann dahinstehen, ob der Überweisungsabschnitt überhaupt als Ausfertigung der Verfügung angesehen werden kann; denn auch bei Bejahung dieser Frage entspräche die Ausfertigung nicht den Anforderungen, die an einen Bescheid im Sinn des § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) zu stellen sind. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschriften muß nämlich für den Empfänger aus dem schriftlichen Bescheid selbst klar erkennbar sein, ob der Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich teilweise abgelehnt worden ist. Dies ist aber bei Bekanntgabe nur des Erstattungsbetrags nicht möglich. Daß der Steuerpflichtige die teilweise Ablehnung bei einem Vergleich des Erstattungsbetrags mit dem sich aus seinem Lohnsteuer-Jahresausgleichsantrag ergebenden Betrag, falls er zu dessen Berechnung überhaupt in der Lage ist, ersehen könnte, ist unerheblich.
Die Auszahlung des Erstattungsbetrags ist - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - auch kein formloser Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich, sondern nur ein Realakt, der auf einer nicht wirksam gewordenen Verfügung beruht. Der Senat hat zwar einen formlosen Bescheid angenommen, wenn mit der Auszahlung des Erstattungsbetrags dem Lohnsteuer-Jahresausgleichsantrag voll entsprochen wird (Urteil vom 23. September 1966 VI 296/65, BFHE 87, 143, BStBl III 1967, 96). Diese Auslegung kann aber nach Auffassung des Senats für den Fall, daß - wie im Streitfall - wegen teilweiser Ablehnung des Antrags ein schriftlicher Bescheid vorgeschrieben ist, nicht gelten. § 150 Abs. 2 AO und § 4 Abs. 6 JAV können auch nicht so ausgelegt werden, daß bei teilweiser Ablehnung des Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich ein formloser Bescheid durch Auszahlung des Erstattungsbetrags insoweit ergehen könnte, als das FA dem Antrag stattgibt, während über den restlichen Teil des Antrags ein weiterer ablehnender schriftlicher Bescheid ergehen könnte. Über den Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich kann nämlich, wenn er teilweise abgelehnt werden soll, nur einheitlich entschieden werden, da der geltend gemachte Erstattungsanspruch nach der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich wie andererseits auch der Lohnsteueranspruch nur als einheitlicher Anspruch anzusehen ist. Davon ging auch der IV. Senat im Urteil vom 27. Januar 1955 IV 550/53 U (BFHE 60, 202, BStBl III 1955, 77) aus, in dem er entschieden hat, daß die Rechtsbehelfsfrist nicht in Lauf gesetzt wird, wenn der bei teilweiser Ablehnung des Lohnsteuer-Jahresausgleichsantrags vorgeschriebene schriftliche Bescheid nicht erteilt wurde.
Der Kläger hätte, da es an einer wirksamen Verfügung über den Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1966 fehlte, somit auch keinen Rechtsbehelf gegen die Auszahlung des Erstattungsbetrags einlegen können. Dementsprechend konnte mit der Auszahlung des Erstattungsbetrags auch keine Rechtsbehelfsfrist in Lauf gesetzt werden. Dies widerspricht nicht dem vorgenannten Urteil IV 550/53 U. Denn nach dem zum Zeitpunkt des Ergehens jener Entscheidung gültigen § 246 Abs. 2 AO a. F. konnte ein Rechtsbehelf eingelegt werden, sobald der Bescheid vorlag. Verwaltung und Rechtsprechung legten diese Vorschrift so aus, daß ein Rechtsbehelf bereits vor Bekanntgabe der Verfügung eingelegt werden konnte. Das Urteil IV 550/53 U ging daher folgerichtig davon aus, daß der Einspruch gegen die nicht bekanntgegebene Verfügung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich zulässig war. Nach § 236 Abs. 1 AO n. F. kann dagegen ein Rechtsbehelf erst nach Bekanntgabe der Verfügung eingelegt werden. Da die Verfügung des FA über den Antrag des Klägers auf Lohnsteuer-Jahresausgleich bisher nicht bekanntgegeben worden ist, konnte daher auch keine Rechtsbehelfsfrist in Lauf gesetzt werden.
Dem FG ist auch darin zu folgen, daß der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Bescheids nach § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) nicht durch Zeitablauf erloschen ist. Für die gesetzliche Pflicht zur Erteilung bzw. Bekanntgabe des Bescheids ist eine Frist nicht vorgeschrieben. Auch § 237 Abs. 1 und 2 AO kommt nicht zur Anwendung, da diese Vorschrift voraussetzt, daß ein schriftlicher Bescheid bekanntgegeben und die Rechtsbehelfsfrist in Lauf gesetzt ist. Zutreffend hat das FG schließlich ausgeführt, daß der Anspruch des Klägers auf Erteilung des schriftlichen Bescheids auch nicht durch Verwirkung untergegangen ist. Das FA ist somit weiterhin verpflichtet, den Bescheid nach § 150 Abs. 2 AO (§ 4 Abs. 6 JAV) zu erteilen, gegen den der Kläger sodann Einspruch einlegen kann (§ 229 Nr. 7 AO). Die Vorentscheidung ist daher nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 413344 |
BStBl II 1974, 466 |
BFHE 1974, 116 |