Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Begehrt ein mit seiner Ehefrau zusammen veranlagter Steuerpflichtiger im Rechtsmittelverfahren die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses mit seiner Ehefrau und die Durchführung der getrennten Veranlagung, so besteht sein steuerliches Interesse (Streitwert) in dem Unterschied zwischen der auf Grund der Zusammenveranlagung festgesetzten Einkommensteuer und den beiden Einkommensteuerbeträgen, die sich bei getrennter Veranlagung bei ihm und seiner Ehefrau ergeben würden.
Eine selbständige Anfechtung der Streitwertfeststellung des Finanzgerichts mit dem Ziele der Erhöhung des Streitwertes ist nur dann zulässig, wenn die Erhöhung aus Gründen der Kostenerstattung nach § 316 AO für den Bevollmächtigten erstrebt wird und erstrebenswert ist.
Normenkette
AO § 316; FGO § 139; AO § 320; FGO §§ 140, 146
Tatbestand
Der Bf. begehrt mit seinem Rechtsmittel für den Veranlagungszeitraum 1957 die steuerliche Anerkennung einer Gehaltszahlung an seine Ehefrau in Höhe von 3.600 DM auf Grund eines Arbeitsverhältnisses und die Durchführung der getrennten Veranlagung. Das Finanzamt hat das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses verneint und demzufolge den Betrag von 3.600 DM dem gewerblichen Gewinn des Bf. hinzugerechnet. Gleichzeitig hat das Finanzamt wegen der damit verbundenen Erhöhung des Gewerbeertrags den Gewinn durch die Erhöhung der vom Bf. gebildeten Gewerbesteuerrückstellung um 772,50 DM vermindert. Die Ehegatten wurden zusammen veranlagt; gemäß § 26 d Abs. 2 EStG 1957 wurde ihnen ein Freibetrag von 600 DM gewährt. Die Einkommensteuer 1957 wurde auf 9.056 DM festgesetzt.
Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Mit der Rb. begehrt der Bf. wiederum den Abzug von 3.600 DM als Gehaltszahlung an seine Ehefrau. Außerdem wendet er sich gegen die Streitwertfeststellung des Finanzgerichts. Er ist der Meinung, der Streitwert für das Rechtsmittelverfahren betrage nicht, wie vom Finanzamt und Finanzgericht festgestellt, 197 DM, sondern 494 DM.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht zulässig.
Die Rb. ist gemäß § 286 Abs. 1 AO in der bis 31. August 1961 geltenden Fassung nur dann zulässig, wenn der Wert des Streitgegenstandes mehr als 200 DM beträgt oder die Rb. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache vom Finanzgericht zugelassen worden ist. Beide Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. über die Frage, ob die Wertgrenze des § 286 AO erreicht ist, entscheidet für seine Instanz der Bundesfinanzhof selbständig (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs III 414/58 U vom 14. Juni 1960, BStBl 1960 III S. 370, Slg. Bd. 71 S. 324). Maßgebend hierfür ist der Streitwert, der sich aus der Gegenüberstellung der Steuerfestsetzung, die nach dem Urteil der Vorinstanz gilt, und der vom Bf. mit der Rb. begehrten Steuer, errechnet. In der Rb. geht es dem Bf. um die von den Vorinstanzen abgelehnte steuerliche Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses mit seiner Ehefrau, wie er es in der Einkommensteuererklärung 1957 beantragt hatte. Danach errechnet sich der Streitwert für die Rb. wie folgt:
Einkommensteuer 1957 nach Veranlagung (Zusammenveranlagung nach ------------------ DM Steuerklasse II) --------------------------- 9.056 Einkommensteuer 1957 des Bf. nach Antrag: ---- DM Gesamtbetrag der Einkünfte 36.287 ./. Sonderausgaben ----------------- DM nach Antrag -------------- 6.070 --- (5.646) steuerpflichtiges Einkommen 30.217 - (30.641) Steuer nach Steuerklasse I -- 8.620 - (8.778) Einkommensteuer 1957 der Ehefrau nach Antrag: Gehalt der Ehefrau ---------- 3.600 ./. Werbungskosten ------------ 562 ----------------------------- 3.038 ./. Sonderausgaben nach Antrag 200 -- (624) steuerpflichtiges Einkommen - 2.838 - (2.414) Steuer nach Steuerklasse I ---- 239 -- (177) 8.859 (8.955) ---------------------------------------------- 197 (101) Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren entspricht also den richtig berechneten Streitwertfeststellungen der Vorinstanzen. Würde man bei der Ehefrau des Bf. als Sonderausgaben nicht 200 DM ansetzen, wie es der Bf. und seine Ehefrau in den Einkommensteuererklärungen getan haben, sondern nach dem Gesetz (ß 10 c EStG 1957) 624 DM, so würde der Streitwert nur 101 DM betragen (siehe Zahlen in der Klammer). Der Irrtum des Bf. bei der Berechnung seines steuerlichen Interesses am Rechtsmittelverfahren beruht darauf, daß er die gesonderte Steuerfestsetzung gegen seine Ehefrau in Höhe von 239 DM, die sich auf Grund seines Antrags auf getrennte Veranlagung ergäbe, nicht mit einbezogen hat und außerdem nicht berücksichtigt hat, daß bei der Streitwertberechnung Ausgangspunkt stets die angefochtene Steuerfestsetzung ist, gleichgültig ob sie richtig ist oder nicht.
Die Streitwertgrenze von 200 DM würde der Bf. nur dann überschreiten, wenn zu dem Streitwert hinsichtlich der Hauptsache in Höhe von 197 DM noch ein weiterer Streitwert hinzuzurechnen wäre, der sich aus der Anfechtung der Streitwertfeststellung des Finanzgerichts ergäbe. Dies wäre aber nur dann möglich, wenn in den Einwendungen des Bf. eine gesonderte Anfechtung der Streitwertfeststellung des Finanzgerichts neben der zugleich in der Hauptsache eingelegten Rb. zu erblicken wäre (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs I 120/60 S vom 9. Mai 1961, BStBl 1961 III S. 357, Slg. Bd. 73 S. 247). Eine solche Anfechtung ist zwar nach der Rechtsprechung auch bei einer zu niedrigen Feststellung des Streitwerts zulässig, wenn der Steuerpflichtige durch einen Bevollmächtigten - wie im Streitfall - vertreten ist, und daher eine Kostenerstattung nach § 316 AO in Frage kommen kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II 190/54 S vom 30. März 1955, BStBl 1955 III S. 158, Slg. Bd. 60 S. 415, und I 10/58 S vom 16. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 145, Slg. Bd. 70 S. 388). Aus dem Vorbringen des Bf. zur Streitwertfeststellung des Finanzgerichts ergibt sich aber, daß diese Einwendungen nur zum Zwecke der Zulässigkeit der Rb. in der Hauptsache erhoben wurden, weil der Bf. von der irrtümlichen Annahme ausging, daß die Streitwertfeststellung des Finanzgerichts für die Zulässigkeit der Rb. entscheidend sei. Von einem Sachantrag des Bf. dahingehend, daß er sich im Kosteninteresse nach § 316 AO durch die Streitwertfeststellung des Finanzgerichts beschwert fühlt, kann keine Rede sein. Die diesbezüglichen Einwendungen sind vielmehr nur als Begründung für die behauptete Zulässigkeit der Rb. anzusehen.
Die Rb. war deshalb gemäß § 252 Abs. 1 AO als unzulässig zu verwerfen, ohne daß auf den sachlichen Streitpunkt eingegangen werden konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 410441 |
BStBl III 1962, 321 |
BFHE 1963, 145 |
BFHE 75, 145 |