Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen des Arbeitgebers für einen Betriebsausflug als zusätzlicher Arbeitslohn.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1, §§ 8, 38/3/2; LStDV Abs. 2 Ziff. 1; LStDV § 2/2, § 3
Tatbestand
Streitig ist, ob die Aufwendungen des Arbeitgebers für einen Betriebsausflug als zusätzlicher Lohn der Arbeitnehmer anzusehen sind.
Die beschwerdeführende Firma veranstaltete in der Zeit vom 27. Mai bis 1. Juni 1951 in elf gemieteten Omnibussen mit 374 Belegschaftsmitgliedern einen Betriebsausflug von München nach Italien. Die Reise ging nach Bozen, Meran, an den Gardasee, nach Verona, Venedig, Cortina d Ampezzo, Innsbruck, Kufstein und zurück nach München. Die Reisestrecke betrug 1080 km. Die Durchführung der Reise oblag einem Reisebüro. Die Leistung des Reisebüros schloß insbesondere Fahrt, Unterkunft und Verpflegung ein. Der Gesamtaufwand der Beschwerdeführerin (Bfin). für diesen Betriebsausflug betrug 73.062 DM. Das Finanzamt hat den auf die einzelnen Teilnehmer entfallenden Betrag der Reisekosten unter Berücksichtigung von fünf Freiplätzen auf je 198 DM berechnet. Es ging davon aus, daß es sich um zusätzlichen Arbeitslohn handele. Mit Haftungsbescheid vom 23. April 1952 forderte es von der Bfin. 8.385,53 DM Lohnsteuer nach. Außerdem wurden Kirchenlohnsteuer und Notopfer Berlin nachgefordert.
Das Finanzgericht hat den Haftungsbescheid des Finanzamts bestätigt.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird Aufhebung des Haftungsbescheides beantragt. Es wird Verletzung des materiellen und formellen Rechts gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Arbeitslohn sind alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis zufließen. Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Es ist gleichgültig, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 der Lohnsteuer- Durchführungsverordnung - LStDV -). Zum Arbeitslohn gehört grundsätzlich alles, was dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis an Geld oder Geldeswert zufließt. Ob ein steuerbarer Zufluß von Arbeitslohn vorliegt, ist in Grenzfällen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der Steuergesetze, der Entwicklung der Verhältnisse und der Verkehrsanschauung zu entscheiden (§ 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes). Aufwendungen des Arbeitgebers für die Erholung der Arbeitnehmer sind grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn, es sei denn, daß es sich um sogenannte Notstandsbeihilfen handelt, oder daß die Aufwendungen zur Abwehr von typischen Berufskrankheiten gemacht werden (zu vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 303/53 U vom 14. Januar 1954, Bundessteuerblatt III S. 86). Im vorliegenden Falle handelt es sich um eine sechstägige vom Arbeitgeber bezahlte Italienreise. Nach der Verkehrsauffassung ist den Arbeitnehmern dadurch, daß sie an dieser Reise unentgeltlich teilnehmen konnten, ein geldwerter Vorteil zugeflossen. Der Grund, weshalb dieser Vorteil den Teilnehmern der Reise zugewendet wurde, ist das bestehende Arbeitsverhältnis. Es liegt deshalb Arbeitslohn vor. Das Finanzgericht hat die Lohnsteuerpflicht zu Recht bejaht. Der Umstand, daß die Bfin. seit zehn Jahren keinen Betriebsausflug mehr veranstaltete, steht dem nicht entgegen.
Die Bfin. wendet ein, daß es sich bei der Reise um eine Veranstaltung des Betriebes handele, die rechtlich nicht anders zu bewerten sei, als eine Betriebsbesichtigung oder eine andere im Interesse des Betriebes liegende Maßnahme. Entscheidend dafür, ob die für diese Veranstaltung aufgewendeten Beträge den Arbeitnehmern zugeflossen seien, sei der Zweck, zu dem die Ausgaben getätigt worden seien. Der primäre Zweck der Italienreise sei die Hebung der Arbeitsmoral und der Arbeitsfreudigkeit und damit eine Steigerung der Produktivität gewesen.
Dieser Einwand ist nicht durchschlagend. Für die Frage, ob Arbeitslohn vorliegt oder nicht, kommt es auf den Zweck, der mit der Zuwendung von Geld oder Geldeswert an die Arbeitnehmer verfolgt wird, nicht an. Maßgebend ist allein, ob dem Arbeitnehmer auf Grund des Arbeitsverhältnisses ein geldwerter Vorteil zugewendet wurde.
Auch der Hinweis der Bfin. auf den Abschnitt 11 Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1951 trifft nicht zu. Nach dieser Verwaltungsanordnung können Sachleistungen der Arbeitgeber an die Arbeitnehmer bei Betriebsveranstaltungen (z. B. Jubiläumsfeiern, Richtfeste usw. wie die Ausgabe von Speisen und Getränken, Tabakwaren, Theaterkarten usw.) steuerfrei bleiben. Barleistungen, die zu demselben Zweck gemacht wurden, sind nach den allgemeinen Bestimmungen lohnsteuerpflichtig. Bei den in dieser Verwaltungsanordnung behandelten Sachzuwendungen handelt es sich um geringfügige Gelegenheitsgeschenke, die mit der hier in Frage stehenden Reise nicht verglichen werden können. Soweit solche Gelegenheitsgeschenke den Rahmen des nach der Verkehrsauffassung üblich überschreiten, wäre auch hier eine Lohnsteuerpflicht zu bejahen. Abwegig ist der Hinweis der Bfin. auf die seinerzeitige steuerliche Behandlung von Zuschüssen der Arbeitgeber zu den KDF- Reisen. Die steuerliche Vergünstigung von Zuschüssen für solche Reisen diente der Förderung der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude". Aus den Maßnahmen, die in der Zeit des totalitären Staates zugunsten von nationalsozialistischen Organisationen getroffen wurden, können für das geltende Einkommensteuerrecht Schlußfolgerungen nicht abgeleitet werden.
Irrig ist auch die Auffassung der Bfin., daß die Bezahlung der Italienreise durch den Arbeitgeber kein Zufließen von Einnahmen für die Arbeitnehmer darstelle, weil die Ersparnis von Ausgaben grundsätzlich keine Einnahmen darstelle, und weil keine bleibende materielle Bereicherung der Arbeitnehmer vorliege. Der Begriff des Zufließens im Sinne des Einkommensteuerrechts (§ 11 des Einkommensteuergesetzes) ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszulegen. Ob der Arbeitgeber den auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Reisekostenbetrag diesem aushändigt, und dann der Arbeitnehmer diesen Betrag an das Reiseunternehmen weiter zahlt, oder ob der Arbeitgeber unmittelbar an die Reisegesellschaft Zahlungen leistet, begründet bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keinen Unterschied. Der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallende Betrag ist auch bei unmittelbarer Zahlung an das Reiseunternehmen durch den Arbeitgeber dem einzelnen Arbeitnehmer zugeflossen. Daß bei dem Arbeitnehmer keine bleibende materielle Bereicherung erfolgt, ist für den Begriff des Zufließens ohne Bedeutung. Es liegt Verwendung des Einkommens bei den Arbeitnehmern vor. Dabei ist nicht entscheidend, ob durch die Verwendung des Einkommens Dauerwerte geschaffen worden sind. Sie liegen hier übrigens mindestens in dem Masse vor wie bei "selbstfinanzierten" Auslandsreisen.
Was die Höhe der nachgeforderten Lohnsteuer betrifft, so wendet die Bfin. ein, daß das Finanzgericht ein Zufließen von Sachbezügen angenommen habe. Für die Bewertung hätte es nach § 3 Abs. 1 LStDV einer Feststellung der üblichen Mittelpreise des Verbrauchsortes bedurft. Nach Auffassung des Senats liegt in der Bezahlung der Reise durch die Bfin. für die Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil, der in Geld dem Betrage gleichzusetzen ist, den der einzelne Arbeitnehmer, der an der Reise teilnahm, hätte aufwenden müssen. Dieser geldwerte Vorteil ist nicht nach § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes als Sachbezug, sondern nach § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes zu bewerten. Die Berechnung der Vorbehörden, wonach der Gesamtaufwand für die Reise auf die einzelnen Teilnehmer aufgeteilt wurde, und der sich hiernach ergebende Betrag in Geld angesetzt wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Begründet ist der Einwand der Bfin., daß die Berechnungsgrundlagen für die Steuernachforderung im einzelnen nicht mitgeteilt wurden, und daß deshalb die Vorentscheidung aufgehoben werden müsse. Der Bfin. sind zwar im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens vom Finanzamt die Berechnungsgrundlagen bekanntgegeben worden. Die Bfin. behauptet, daß bei der Berechnung Fehler vorliegen. Die Unterlassung einer Mitteilung der Berechnungsgrundlagen gleichzeitig mit dem Haftungsbescheid stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel (mangelndes rechtliches Gehör) dar. Dieser Verfahrensmangel ist auch gerügt. Aus diesem Grunde muß die Vorentscheidung aufgehoben werden. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Dieses hat die Einwendungen der Bfin. gegen die Berechnung im einzelnen nachzuprüfen und alsdann in einer neuen Einspruchsentscheidung die Höhe der Lohnsteuernachforderung neu festzusetzen.
In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Beschwerdeführerin (Bfin.) insbesondere geltend gemacht, nach der Verkehrsauffassung sei darin, daß die Bfin. ihren Arbeitnehmern die Teilnahme an dem Betriebsausflug ermöglicht habe, ein den Arbeitnehmern zugewendeter geldwerter Vorteil nicht zu erblicken. Der Betriebsausflug sei aus sozialen Erwägungen durchgeführt worden. Während der Reisezeit sei der Lohn weiter gezahlt worden. An dem Ausflug hätten etwa 85 v. H. der Belegschaft teilgenommen. Die 15 v. H. der Belegschaft, die aus persönlichen Gründen die Reise nicht mitmachten, hätten keine besondere Zuwendung erhalten. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Aufwendungen der Bfin., die mit der Durchführung des Betriebsausflugs zusammenhängen, zum steuerpflichtigen Arbeitslohn der Teilnehmer an diesem Betriebsausflug gehörten, müsse unterschieden werden zwischen den Aufwendungen für die Durchführung des Betriebsausflugs selbst und den Aufwendungen für Sachleistungen aus Anlaß des Betriebsausflugs. Weder die Aufwendungen der Bfin. für die Durchführung des Betriebsausflugs selbst noch die Aufwendung für die Beschaffung der den Teilnehmern gewährten Verpflegungsleistungen seien Arbeitslohn im Sinne des Steuerrechts. Die Inanspruchnahme der Haftung der Bfin. sei auch unbillig. Etwa 20 v. H. der Arbeitnehmer, die an dem Betriebsausflug teilgenommen hätten, seien nicht mehr bei der Firma beschäftigt, so daß für diese Arbeitnehmer die nachgeforderte Lohnsteuer von der Bfin. zu tragen wäre. Die Unterlassung des Steuerabzugs stelle kein Verschulden der Bfin. dar.
Der Vertreter der Finanzverwaltung vertrat den Standpunkt, daß Arbeitslohn vorliege. Nach den Lohnsteuer-Richtlinien könnten geringfügige Sachleistungen des Arbeitgebers an die Arbeitnehmer bei Betriebsveranstaltungen steuerfrei bleiben. Im vorliegenden Falle treffe auf jeden Reiseteilnehmer ein Arbeitgeberaufwand von 198 DM. Derart hohe Beträge bewegten sich nicht mehr im Rahmen des üblichen.
Der Senat hält auch nach neuerlicher Prüfung an dem im Bescheid vom 11. März 1954 eingenommenen Standpunkt fest. Der Bfin. kann insbesondere nicht darin gefolgt werden, daß eine sechstägige Reise nach Italien im Rahmen dessen liege, was bei Betriebsveranstaltungen üblich sei, und daß der Aufwand für eine solche Reise nach der Verkehrsauffassung einen geldwerten Vorteil der Arbeitnehmer nicht darstelle. In vielen Betrieben und Verwaltungen gibt es vom Arbeitgeber bezahlte Betriebsausflüge überhaupt nicht. Bei den meisten Betrieben, die solche Betriebsausflüge veranstalten, erstrecken sich diese auf einen Tag. Eine sechstägige Reise, bei der mehr als 1000 km zurückgelegt werden, überschreitet nach der Verkehrsauffassung den Rahmen dessen, was heute bei derartigen Veranstaltungen üblich ist. Derartig kostspielige Veranstaltungen sind nur wenigen besonders leistungsfähigen Betrieben möglich. Daß sechstägige Betriebsausflüge etwa allgemein üblich wären, ist auch in den dem Senat vorgelegten Gutachten der Industrie- und Handelskammer und der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer nicht behauptet. Unbegründet ist auch der Hinweis der Bfin., daß unterschieden werden müsse zwischen Aufwendungen zur Durchführung des Betriebsausflugs selbst und den Aufwendungen für Sachleistungen aus Anlaß des Betriebsausflugs. Der geldwerte Vorteil, der den Arbeitnehmern der Bfin. durch die Teilnahme an der Italienreise zugeflossen ist, kann nur einheitlich beurteilt werden.
Die Inanspruchnahme der Haftung der Bfin. gründet sich auf die Vorschrift des § 38 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (§ 46 Abs. 1 Satz 2 der Durchführungsverordnung zum Lohnsteuergesetz - LStDV -). Danach haftet der Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer. Die Arbeitgeberhaftung besteht für die richtige Berechnung und die Einbehaltung der Lohnsteuer nach den geltenden Vorschriften. Sie ist von einem Verschulden des Arbeitgebers nicht abhängig. Da im vorliegenden Fall der Steuerabzug zu Unrecht unterblieben ist, hätte das Finanzamt zwar auch die Arbeitnehmer haftbar machen können (§ 38 Abs. 3 Ziff. 1 EStG; § 46 Abs. 2 Ziff. 1 LStDV). In Fällen dieser Art sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner für die nicht einbehaltene Lohnsteuer. Es steht im Ermessen des Finanzamts, welchen der beiden Gesamtschuldner es heranziehen will (§ 7 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes). Der bürgerlich-rechtliche Ausgleich im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird durch diese Entscheidung nicht berührt. Wenn die Vorentscheidung bestätigt hat, daß das Finanzamt in diesem Fall den Arbeitgeber in Anspruch nahm, so liegt darin keine Verletzung des Ermessens (§ 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes); auch nicht insoweit, als die Bfin. die Lohnsteuer von ihren entlassenen Arbeitnehmern nicht mehr nachfordern kann. Die Bfin. hätte die Möglichkeit gehabt, beim Finanzamt nach § 56 LStDV eine Auskunft über die Steuerpflicht der Aufwendungen für den Betriebsausflug einzuholen. Wenn sie das nicht getan hat und von einer Einbehaltung der Lohnsteuer absah, so hat sie auf eigenes Risiko gehandelt. Sie kann sich nicht darauf berufen, daß die nachträgliche Heranziehung zur Haftung für die Lohnsteuer unbillig sei.
Die im Bescheid vom 11. März 1954 getroffene Entscheidung muß danach aufrechterhalten werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407936 |
BStBl III 1954, 225 |
BFHE 1955, 45 |
BFHE 59, 45 |
StRK, EStG:19/1/1 R 21 |