Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung von Prozeßhandlungen
Leitsatz (NV)
Ein als ,,Einspruch" bezeichneter Rechtsbehelf gegen eine Einspruchsentscheidung ist als Klage auszulegen, wenn sich aus ihm ergibt, daß gerichtlicher Rechtsschutz gegen die Entscheidung begehrt wird. Die Adressierung an das FA namentlich z. Hd. des Sachbearbeiters schließt diese Auslegung nicht aus (vergl. § 47 Abs. 2 FGO).
Normenkette
FGO §§ 47, 65
Verfahrensgang
Gründe
1. Zu Recht hat das Finanzgericht (FG) die am 10. November 1982 eingelegte Klage der Klägerin als unzulässig, weil verspätet, zurückgewiesen.
Unabhängig davon, ob das Schreiben des Klägers vom 22. Mai 1982 als Klageschrift gedeutet werden kann, ist, da dieser ,,Einspruch" nicht auch namens der Klägerin eingelegt worden ist, vor Ablauf der Klagefrist in deren Namen keine Klage erhoben worden.
2. Zu Unrecht hat allerdings das FG die Klage des Klägers als unzulässig behandelt; gleichwohl kann die Revision im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Das Anbringen eines Rechtsbehelfs ist als Prozeßhandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich, wobei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln ist (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Februar 1979 VII R 82/78, BFHE 127, 135, BStBl II 1979, 374). Das Schreiben des Klägers vom 22. Mai 1982 ist zwar als ,,Einspruch" bezeichnet. Aus der Bezugnahme ,,Einheitswertbescheid, Ihr Schreiben vom 22. 4. 1982 und Poststempel des Einschreibens vom 29. 4. 1982" und dem Einheitswertaktenzeichen ist jedoch erkennbar, daß sich der Kläger, der im Einspruchsverfahren nicht durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt vertreten war, gegen die Einspruchsentscheidung wendet. Daß das Schreiben an das Finanzamt (FA) mit dem Zusatz ,,z. Hd. Herrn M." adressiert ist, schließt nicht aus, daß der Kläger gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Einspruchsentscheidung begehrt, denn gemäß § 47 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Klage auch beim FA angebracht werden.
Im Ergebnis kann die Revision jedoch keinen Erfolg haben, weil das FG zu Recht (in seiner Hilfsbegründung) auch die Voraussetzungen für eine sachlich-rechtliche Prüfung des Klagebegehrens im übrigen verneint hat; denn der Einspruch ist verspätet eingelegt worden. Zutreffend hat das FG ausgeführt, daß das FA zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat, weil gemäß § 110 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen Ablaufs der Jahresfrist Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und gewährt werden konnte. Die Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung, weil das FG das Datum der Aufgabe zur Post nicht festgestellt, sondern vom Datum des Bescheids als Tag der Aufgabe zur Post ausgegangen sei, ist schon deshalb unbegründet, weil der Kläger nicht schlüssig dargelegt hat, daß das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 § 118 Abs. 3 FGO).
Über die Hilfsanträge der Kläger mit dem Ziel, das FA zu verpflichten, eine fehlerbeseitigende Artfortschreibung zum 1. Januar 1975 bzw. 1. Januar 1983 durchzuführen, kann im Verfahren gegen den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1974 nicht entschieden werden. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975.
Fundstellen
Haufe-Index 423891 |
BFH/NV 1988, 503 |