Leitsatz (amtlich)
Ob die Betreuung von Wohnungsbauten neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes eine Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist, muß in der Regel nach den Verhältnissen beurteilt werden, wie sie in dem jeweiligen, für die Ermittlung des Gewerbeertrags des Steuerpflichtigen maßgebenden Erhebungszeitraum bestanden haben.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 1 S. 2, § 10
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte, eine GmbH, die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen im Erhebungszeitraum 1964 nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG kürzen darf.
Die Klägerin besteht seit dem 2. August 1961. Im Januar 1962 hat sie sich als Komplementärin an einer KG beteiligt, deren Geschäfte sie führt und an deren Jahresergebnis sie mit 10 v. H. teilnimmt. Ihre vier Gesellschafter sind als Kommanditisten an der KG beteiligt. Geschäftszweck sowohl der Klägerin als auch der KG ist "die Errichtung und Bewirtschaftung von Wohn- und Gewerbebauten im eigenen Namen sowie die Verwaltung solcher Bauten und die Betreuung solcher Bauvorhaben für Dritte", ferner das Betreiben "aller mit der Errichtung, Finanzierung, Verwaltung und Einrichtung von Wohn- und Geschäftsbauten zusammenhängenden Geschäfte". Bis Ende 1964 hatte die Klägerin auf eigenen, von ihr angekauften Grundstücken sechs Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 36 Wohnungen erstellt bzw. im Bau, die sie - neben inzwischen errichteter weiterer Häuser - verwaltet und vermietet. Im Streitjahr sind ihr Mieterträge aus den Häusern in Höhe von 2 030 DM zugeflossen. Gewerbebauten wurden weder errichtet noch verwaltet oder betreut. Die KG hat in den Jahren 1962 und 1963 mit dem Ankauf von Grundstücken begonnen, die Bautätigkeit jedoch erst Ende 1967 aufgenommen.
Auf Grund eines zwischen der Klägerin mit der H.-Wohnungsbaugenossenschaft am 6. September 1961 abgeschlossenen Rahmenvertrags übernahm die Klägerin durch mehrere Vereinbarungen in der Zeit vom 6. Oktober 1961 bis 15. Juni 1964 die "Betreuung" von Bauplanungsprojekten, darunter des Projekts K. Aus ihrer Tätigkeit im Rahmen des Objekts K. flossen der Klägerin im Streitjahr 1964 65 000 DM zu. Die in der Verlust- und Gewinnrechnung der Klägerin für das Jahr 1964 ausgewiesenen Erträge setzen sich wie folgt zusammen: Erträge aus Mieten 2 030 DM, Kapitalerträge 410 DM, Erträge aus der Baubetreuung 65 000 DM.
In ihrer Gewerbesteuererklärung für das Kalenderjahr 1964 beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG die Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) gewährte demgegenüber lediglich die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Während des Verfahrens über ihre Klage erging unter Bezugnahme auf § 222 AO ein berichtigender Gewerbesteuerbescheid, den die Klägerin gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens machte.
Ihre Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus: Die Voraussetzungen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG seien im Streitfall erfüllt. Die Klägerin habe Grundstücke durch Kauf erworben, mit Wohnhäusern bebaut und vermietet und dadurch eigenen Grundbesitz verwaltet und genutzt. Die Grundstücke, mit deren Bebauung die Klägerin im Jahre 1963 begonnen habe, seien noch heute in ihrem Eigentum und Besitz. Daneben habe die Klägerin in geringem Umfang eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt und schließlich daneben Wohnungsbauten betreut. Die Klägerin habe es auf Grund des mit der Wohnungsbaugenossenschaft geschlossenen Rahmenvertrages vom 6. September 1961 übernommen, diese bei der Beschaffung, Baureifmachung und Finanzierung von Grundstücken zur Errichtung von Wohnungen einschließlich der Führung von Verhandlungen mit den zuständigen Behörden, Versorgungsbetrieben und der Durchführung der erforderlichen städtebaulichen Planungsvorarbeiten zu unterstützen. Sie sei im Rahmen des Objekts K. in Durchführung einer Vereinbarung vom 22. August 1962 in dieser Weise für die Wohnungsbaugenossenschaft tätig geworden. Die Klägerin habe bei der Beschaffung des Baugeländes mitgewirkt; sie sei ferner in die Finanzierung des Projekts eingeschaltet gewesen. Außerdem habe sie an der Erstellung des behördlichen Bebauungsplans mitgearbeitet und sich aktiv an der Gesamterschließung des Baugeländes beteiligt.
Im Streitfall habe die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes die Haupttätigkeit der Klägerin gebildet. Zum Vergleich des Umfangs der Verwaltungs- mit der Baubetreuungstätigkeit könne als Maßstab auf das Verhältnis der aus beiden Tätigkeiten erzielten Einnahmen zurückgegriffen werden. Zwar betrügen die Einnahmen aus der Vermietung der selbst erstellten Wohnungen im Streitjahr nur 2 030 DM, während die Klägerin für die Baubetreuung ein Entgelt von 65 000 DM erhalten habe. Es dürfe jedoch nicht auf die in einem bestimmten Veranlagungszeitraum erzielten, sondern es müsse auf die anteilig darauf entfallenden Einnahmen abgestellt werden. Die Verwaltung und Nutzung des von der Klägerin bebauten eigenen Grundbesitzes hätten einer längeren Anlaufzeit bedurft, ehe Erträge anfallen konnten. Andererseits sei gerade in dieser Anlaufzeit der Aufwand an sächlichen und persönlichen Mitteln besonders groß. Auch das Honorar für die Baubetreuung sei nicht für die im Streitjahr insoweit erbrachte Leistung der Klägerin, sondern als eine Teilzahlung für die gesamte, von 1961 bis 1967/1968 geleistete Arbeit der Klägerin gezahlt worden. Verteile man das Gesamthonorar von 150 000 DM, in dem die im Jahre 1964 gezahlten 65 000 DM sowie weitere im Jahre 1965 gezahlten 60 000 DM enthalten seien, auf diesen Zeitraum, so ergebe sich eine jährliche Einnahme von etwa 21 500 DM. Dieser stünden Mieteinnahmen der Klägerin aus den bis Ende 1964 erbauten bzw. im Bau befindlichen Wohnungen auf von ihr selbst verwalteten und genutzten Grundstücken in Höhe von 99 000 DM gegenüber. Die auf die Betreuungstätigkeit der Klägerin entfallenden Einnahmen machten also etwa 17 % bis 18 % der Gesamteinnahmen aus. Dieser Anteil sei unbedeutend, zumal die Entwicklung der folgenden Jahre zeige, daß die Einnahmen aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes ständig gestiegen seien, während aus der Betreuungstätigkeit - außer der weiteren Zahlung von 60 000 DM für das Projekt K. - keine weiteren Einnahmen von der Klägerin erzielt worden seien.
Mit seiner Revision rügt das FA, daß das FG den Begriff "Betreuung von Wohnungsbauten" zu Unrecht auch auf die Hilfe der Bereitstellung des Baugrundes ausgedehnt habe. Außerdem hätte das FG den Begriff "daneben" nicht als das Verhältnis der Einnahmen interpretieren dürfen und habe bei der Ermittlung dieses Verhältnisses gravierende Fehler begangen. Überhaupt habe die Klägerin im Rahmen ihrer Betätigung als Geschäftsführerin der KG fremdes Vermögen verwaltet, was die Anwendbarkeit des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausschließe.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist begründet.
1. Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG kann ein Unternehmen, das neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwaltet und nutzt und daneben Wohnungsbauten betreut, beantragen, daß die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Gewerbeertrag gekürzt wird, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes und auf die Betreuung von Wohnungsbauten entfällt. Voraussetzung ist jedoch, daß die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes die Haupttätigkeit des Unternehmens darstellt und die Betreuung von Wohnungsbauten nur eine Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist (Urteil des BFH I R 21/67 vom 30. Juli 1969, BFH 96, 362, BStBl II 1969, 629).
Das FG hat festgestellt, daß die Klägerin Komplementärin und Geschäftsführerin der KG gewesen sei, die in den Jahren 1962 und 1963 mit dem Ankauf von Grundstücken begonnen habe. Diese Betätigung der Klägerin sei als unschädlich anzusehen, weil sich die KG ebenfalls ausschließlich in der durch § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG steuerbegünstigten Weise betätigt habe. Demgegenüber vertritt das FA im Schriftsatz vom 21. Juni 1972 die Ansicht, die Klägerin habe insoweit fremdes Vermögen verwaltet, da die KG Eigentümerin von Grundstücken gewesen und die Klägerin nur zu 10 v. H. am Gewinn der KG beteiligt sei. Diese Verwaltung fremden Vermögens schließe die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG aus (Hinweis auf BFH-Urteil I 173/63 vom 9. Februar 1966, BFH 85, 115, BStBl II 1966, 253). Der Senat braucht die Frage, ob die Klägerin durch ihre Betätigung im Rahmen der KG fremdes Vermögen verwaltet hat, nicht abschließend zu entscheiden. Denn auch wenn der Ansicht des FA in diesem Punkt nicht zu folgen wäre, hätte die Revision aus anderen Gründen Erfolg.
2. Die Klägerin hat nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des FG eigenen Grundbesitz verwaltet und genutzt. Ob das FG die Tätigkeit der Klägerin für die Wohnungsbaugenossenschaft zu Recht als Betreuung von Wohnungsbauten beurteilt hat, kann dahingestellt bleiben. Soweit das FG darin eine "Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung" erblickt hat, kann ihm der Senat jedenfalls nicht folgen.
a) Der BFH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung noch nicht abschließend entschieden, an welchen Maßstäben gemessen werden muß, ob eine Nebentätigkeit noch von untergeordneter Bedeutung ist oder nicht. Im Urteil I R 21/67 (a. a. O.) hat der erkennende Senat darauf abgestellt, in welchem Umfang die Betreuungstätigkeit den Ertrag des Unternehmens bestimmt hat. Häufig wird ein Maßstab, der auf den Reinertrag aus der Betreuungstätigkeit abstellt, zu einem zutreffenden steuerlichen Ergebnis führen. Dies folgt schon daraus, daß die vom Gewicht der Baubetreuungstätigkeit abhängige Anwendbarkeit des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG eine Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Gewerbeertrag aus der Nutzung und Verwaltung eigenen Grundbesitzes und der Betreuung von Wohnungsbauten zur Folge hat, § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG mithin der Ermittlung des Gewerbeertrags dient. Im Streitfall sind keine Umstände erkennbar, die Veranlassung gäben, von einer anderen Betrachtungsweise auszugehen.
b) Der Senat vermag der Auffassung des FG, daß es bei der Bestimmung des Gewichts der Baubetreuungstätigkeit auf die Verhältnisse mehrerer Jahre ankomme, nicht zuzustimmen. Die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG dient der Ermittlung des Gewerbeertrags für einen bestimmten Erhebungszeitraum (vgl. § 10 GewStG). Daraus folgt, daß das Gewicht der Baubetreuungstätigkeit in der Regel nur an den Verhältnissen, wie sie in dem jeweiligen Erhebungszeitraum bestanden haben, gemessen werden kann. Eine Ausdehnung der Betrachtungsweise auf mehrere Jahre muß im übrigen auch deswegen ausscheiden, weil sich zuverlässige Kriterien dafür, welcher Zeitraum als maßgeblich anzusehen ist, in der Regel nicht werden finden lassen und die Anwendbarkeit des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG je nach der zufällig gewählten Dauer des Vergleichszeitraumes verschieden ausfallen müßte.
c) Im Streitfall bedarf es nicht der Entscheidung darüber, ob sich das Gewicht der Baubetreuungstätigkeit nach dem Verhältnis der Erträge aus dieser Tätigkeit zu den Erträgen aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bestimmt (relative Betrachtungsweise), oder ob - ohne Rücksicht auf dieses Verhältnis - die Betreuungstätigkeit schon dann nicht mehr von untergeordneter Bedeutung ist, wenn die daraus gezogenen Erträge einen bestimmten absoluten Betrag überschreiten (absolute Betrachtungsweise). Nach den Feststellungen des FG, die auf der Verlust- und Gewinnrechnung der Klägerin auf den 31. Dezember 1964 beruhen, stehen den Einnahmen aus der Baubetreuungstätigkeit von 65 000 DM nur Mieteinnahmen aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes in Höhe von 2 030 DM gegenüber. Der Aufwand der Klägerin besteht ausweislich der Verlust- und Gewinnrechnung aus Verwaltungskosten in Höhe von 339 DM, Betreuungsgebühren in Höhe von 2 000 DM, Kapitalkosten in Höhe von 13 663 DM, Bewirtschaftungskosten in Höhe von 31 DM und Abschreibungen in Höhe von 35 776,85 DM. Dies ergibt insgesamt einen Betrag von 51 810 DM. Bei der Beurteilung, inwieweit dieser Aufwand auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes oder die Baubetreuungstätigkeit entfällt, ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin selbst nach den Feststellungen des FG ausgeführt hat, etwa 95 v. H. der laufenden Aufwendungen seien im Streitjahr auf die eigenen Bautätigkeit entfallen. Aber selbst wenn man den gesamten Aufwand von 51 810 DM der Baubetreuungstätigkeit zurechnen würde, so stünde ein Reinertrag aus dieser Tätigkeit in Höhe von 13 190 DM Mieterträgen von nur 2 030 DM gegenüber. Danach kann nicht mehr davon gesprochen werden, daß die Betreuung von Wohnungsbauten durch die Klägerin eine Nebentätigkeit von nur untergeordneter Bedeutung sei.
3. Die auf abweichenden Erwägungen beruhende Vorentscheidung wird aufgehoben und - da die Sache spruchreif ist - die Klage gegen den berichtigenden Gewerbesteuerbescheid 1964 als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 413336 |
BStBl II 1972, 887 |
BFHE 1972, 546 |