Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Zurechnung steuerlich schädlicher Bearbeitungsmaßnahmen bei Gestellung von Arbeitskräften durch den Unternehmer.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 3; UStDB 1938 § 2; UStDB 1951 § 2; UStDB 1938 § 12; UStDB 1951 § 12

 

Tatbestand

Streit besteht darüber, ob dem Steuerpflichtigen (Stpfl.) die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) deshalb zu versagen ist, weil er seinen Lieferanten (Bauern) Arbeitskräfte zur Aberntung des von ihm erworbenen und im Großhandel weitergelieferten Rosenkohls zur Verfügung gestellt hat.

Unstreitig ist, daß es den Bauern an Arbeitskräften gemangelt hat, der Stpfl. deshalb Pflückkolonnen unter Einschaltung des Arbeitsamts angeworben, den Bauern überlassen und auch die Löhne, die nach der festgestellten Menge geernteten Kohls als Akkordlohn berechnet worden sind, den Arbeitern ausgezahlt hat, daß aber der Stpfl. mit dem so errechneten Lohn die Bauern bei der Berechnung des Kaufpreises für den geernteten Rosenkohl wieder belastet hat. Das Finanzamt ist der Auffassung, daß der Stpfl. die Verfügungsmacht über den Rosenkohl spätestens mit dem Pflücken durch seine eigenen Arbeitskräfte erlangt und ihm deshalb die steuerlich schädliche Bearbeitung des Erntens zuzurechnen sei; der Fall sei nicht anders zu beurteilen als ein Feldkauf oder ein Kauf von Holz auf dem Stamm. Der Stpfl. ist dagegen der Meinung, daß die Verfügungsmacht auf dem Verladeplatz auf ihn übergegangen sei, wo erst Menge, Qualität und Preis der Ware festgestellt worden sei. Er habe den Rosenkohl deshalb abgeerntet erworben und nicht bearbeitet.

Im Berufungsverfahren hatte der Stpfl. Erfolg. Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß neben dem Kaufvertrag über den geernteten Kohl ein besonderer Vertrag über Gestellung von Arbeitskräften geschlossen worden sei. Üblich sei es, daß der Bauer mit seinen eigenen Arbeitskräften selbst ernte. Die Auffassung des Finanzamts führe dazu, daß eine neue Wirtschaftsstufe konstruiert werde.

 

Entscheidungsgründe

Die gegen die Zubilligung des ermäßigten Steuersatzes gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs V 126/53 U vom 26. November 1953 (Slg. Bd. 58 S. 345, Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1954 III S. 44) angesichts der erheblichen Unterschiede im Tatsächlichen nicht ohne weiteres auf den Streitfall anzuwenden sind. Die Frage, wem im Streitfalle die steuerlich schädliche Maßnahme des Aberntens zuzurechnen ist, wird unter verschiedenen Gesichtspunkten zu prüfen sein; die Entscheidung wird aber stets von der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse abhängen. Ist die Verfügungsmacht erst durch die Übernahme des geernteten Rosenkohls auf dem Verladeplatz auf den Stpfl. übergegangen und ist die dahingehende Feststellung durch das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum oder Aktenverstoß getroffen, so kann dem Stpfl. jedenfalls aus diesem Gesichtspunkt das Ernten des Rosenkohls nicht zugerechnet werden. Die Rb. rügt einen Aktenverstoß insoweit, als das Finanzgericht zur Begründung seiner Feststellung anführt, das Ernten geschehe durch Leute, die der Bauer zu bezahlen habe, obwohl unstreitig sei, daß die Löhne vom Stpfl. ausbezahlt worden seien. Ebenso ist aber unstreitig, daß der Stpfl. die von ihm ausbezahlten Löhne, und zwar ohne Aufschlag, den Bauern bei der Abrechnung über den Kaufpreis wieder in Rechnung gestellt hat. Wirtschaftlich haben also, und hierauf kommt es umsatzsteuerrechtlich in erster Linie an, die Bauern die Pflücklöhne zu tragen. Insoweit begegnet die Feststellung des Finanzgerichts keinen Bedenken. Richtig ist auch die Auffassung des Finanzgerichts, daß zum Abschluß eines Kaufvertrages -- als des hier in Betracht kommenden Umsatzgeschäftes für die nachfolgende Lieferung -- die Einigung über die wesentlichen Bestandteile des Kaufs, also über Menge und Preis gehört, und daß aus diesem Grunde das Umsatzgeschäft erst auf dem Verladeplatz nach dem Wiegen der Ware abgeschlossen und deshalb vorher ein besonderer Vertrag über die Gestellung von Arbeitskräften zustande gekommen sein müsse.

Nun könnten aber dem Stpfl. die Bearbeitungsmaßnahmen auch aus anderen Gesichtspunkten zugerechnet werden, wenn er nämlich im Zuge eines einheitlich als Lieferung zu beurteilenden Vorgangs durch die Beistellung von Arbeitskräften den Arbeitsvorgang des Pflükkens unmittelbar und in maßgebender Weise in seinem Sinne beeinflußt hätte. Ist dies der Fall, so käme es auf den Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht in der Regel gar nicht mehr an (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 72/42 vom 22. Januar 1943, Slg. Bd. 53 S. 14, Reichssteuerblatt -- RStBl -- 1943 S. 389, und Urteil des Bundesfinanzhofs V 2/50 U vom 9. Februar/30. April 1953, Slg. Bd. 57 S. 463, BStBl 1953 III S. 180). Im Gegensatz zu den beiden hier erwähnten Entscheidungen kam es dem Stpfl., und die Rb. hebt dies ausdrücklich hervor, nur darauf an, Rosenkohl zu erwerben, nicht aber die Produktion oder den sonstigen Bearbeitungsvorgang zu beeinflussen, zu überwachen und für dessen sachgemäße Durchführung zu sorgen. Der Stpfl. hat unwidersprochen vorgetragen, daß der Einsatz in zeitlicher und räumlicher Hinsicht und die Überwachung der Lohnpflückkolonnen den Bauern obgelegen habe. Alle die Erwägungen, die insbesondere der Reichsfinanzhof im Falle des Urteils vom 22. Januar 1943 angestellt hat, um nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise seine Auffassung, die Bearbeitungsmaßnahmen seien dem Stpfl., nicht dem Waldbesitzer zuzurechnen, zu rechtfertigen, treffen für den Streitfall nicht zu. Hier kam es dem Stpfl. darauf an, überhaupt zu Rosenkohl zu kommen, dessen qualitätsmäßige Bewertung erst auf dem Verladeplatz, und zwar durch vom Ernährungsministerium autorisierte Sachverständige, erfolgte, nicht aber darauf, Mängel der Produktion zu beseitigen bzw. Mängelrügen seiner Abnehmer zu begegnen. Bei einer solchen, den besonderen Verhältnissen dieses Streitfalles allein gerecht werdenden wirtschaftlichen Beurteilung kann auch der Gesichtspunkt nicht durchgreifen, daß es umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich unzulässig ist, einheitliche wirtschaftliche Vorgänge aufzuspalten; denn kann im Streitfalle die Gestellung der Arbeitskräfte nur als arbeitsmarktbedingte Hilfeleistung durch den Großhändler angesehen werden, so ist es wirtschaftlich auch gerechtfertigt, die Lieferung von geerntetem Rosenkohl und die vorhergehende Leistung durch Gestellung von Arbeitskräften als getrennte umsatzsteuerrechtliche Tatbestände zu würdigen. Dabei kann es nicht entscheidend sein, ob die Bauern nicht in der Lage oder ob sie nicht willens sind, sich die Arbeitskräfte selbst zu beschaffen. Denn das Übliche ist es, worauf die Vorentscheidung zutreffend hinweist, daß der Bauer mit seinen eigenen landwirtschaftlichen Kräften erntet, nicht mit fremden Aushilfskräften.

Schließlich verkennt die Rb., daß der Sachverhalt mit einem Feldkauf oder einem Kaufe von Holz auf dem Stamm nicht verglichen werden kann. Solchen Vertragsgestaltungen ist eigentümlich, daß der Käufer alles auf dem den Gegenstand des Kaufvertrages bildenden Raum wachsende Erntegut abzunehmen verpflichtet ist, und daß er jedes Risiko sowohl hinsichtlich der Menge, der Qualität und des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung der Ware in der Regel schon von der Übergabe des Grundstücks an zu tragen hat (vgl. Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB 10. Aufl. Anm. 4 zu § 446). Nach dem insoweit unwidersprochenen Vorbringen des Stpfl. haben im Streitfalle dieses Risiko die Bauern bis zur Anlieferung auf den Verladeplatz getragen.

Es war deshalb, wie geschehen, zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 218

BFHE 1957, 59

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